Alines Kolumne: Advent, Advent, der Mental Load brennt!

Mein Sohn 7 Jahre alt, erzählt von seinem Tag: „Mama? Ich frage mich, wie ich in diese Situation überhaupt gekommen bin?“, ich sah mich um, inmitten des haarsträubenden Familienchaos in unserem Wohnzimmer und trotzdem erfüllt von Liebe.

Ja, Aline, schau dich doch mal um, wie bist du in diese Situation überhaupt gekommen? Drei Kinder im Alter von 1, 4 und 7, einen wundervollen Mann an meiner Seite, für den Gleichberechtigung und Care-Arbeit keine Fremdwörter sind, ein kleines altes Häusschen mit wildem Garten am Karlsruher Stadtrand, wie ich es mir immer gewünscht hatte, zwei Schildkröten im Kräuterbeet, ein prasselndes Feuer im Kamin und einen Arsch voll Arbeit, Luft und Liebe.

Das alles habe ich geschenkt bekommen. Es ist alles irgendwie gekommen, ohne etwas zu erzwingen. Im Vertrauen in das Leben. Ich darf darauf vertrauen, dass es gut wird. So haben es mir meine Eltern schon gepredigt.

Und doch denke ich so oft an all die Dinge, die zu erledigen sind. All die wichtigen Dinge, damit es allen gut geht, nichts vergessen wird, jedes Bedürfnis berücksichtigt wird und jeder Wunsch abgespeichert ist. Wir mit nichts im Verzug sind, Termine eingehalten werden, passende Schuhe und Kleider für die Saison im Schrank liegen, das Schulkind alles im Rucksack hat und wann Oma eigentlich gleich nochmal Geburtstag hatte.

Und ehe man sich versieht, haben sich die Schildkröten eingebuddelt – Winterschlaf. Die Adventszeit steht vor der Tür.

Wenn meine Kinder Advent hören, denken sie an Kerzenschein, den Adventskranz, zuckersüße Plätzchen, Backzeit, Weihnachtsmusik und einen prall und natürlich individuell gefüllten Adventskalender. Wenn ich Adventszeit höre, denke ich: sie wollen bestimmt wieder backen, das muss ich an einem Tag machen, an dem ich gute Nerven dafür habe, vielleicht sollte ich mir Hilfe von jemandem aus der Familie holen. Und haben jetzt eigentlich alle Winterschuhe? War da nicht noch die U7, die aussteht Anfang Dezember? Wo bekomme ich dieses Jahr wieder last-minute Zweige für meinen Adventskranz her, wenn es doch so wenig Nadelwald in Karlsruhe gibt?  Was soll es für einen Adventskalender geben? Ein selbst gefüllter? Dieses Jahr ist mir das zu viel bei drei Kindern. Oder einen für alle? Aber dann gibt es immer Streit. Einen klassischen aus Schokolade? Dann werden sie sich beschweren, weil es sonst immer einen individuell gefüllten gab… also doch der selbst gemachte. Aber ich möchte doch minimalistischer leben, den Kindern zeigen, dass Materielles alleine nicht glücklich macht, wir Ressourcen einsparen sollten. Als mein Sohn dieses Jahr an seinem Geburtstag sagte, dass vier Geschenke auf dem Tisch ja echt „vooooooll weeeeenig“ wären, da klingelten bei mir die Nachhaltigkeits-Glocken. Wie wäre es also mit einem Schoko-Adventskalender mit Gutscheinen für eine Aktion? Zeit statt Zeug schenken. Ich werde es probieren.

Warum erfasst uns der Mental Load, diese ganze mentale Last immer wieder so sehr, dass wir ins Schleudern geraten? Momente, in denen wir nicht mal sehen können, was wir eigentlich haben. Nur sehen, was sein muss und sein sollte.

In solchen Momenten sollten wir vielleicht öfter unsere Kinder anschauen. Den Kopf in den Wolken, wie sie einfach minutenlang auf die flackernde Flamme der Kerze auf dem Adventskranz schauen können. Im Vertrauen sind. Im Vertrauen, dass es gut wird. Wir müssen nicht alles perfekt, Instagram-vorzeigbar und punktgenau vorbereiten. Es reicht, wenn wir den Kindern zeigen, wie wichtig sie uns sind. Und das geht auch, indem wir mit ihnen im Arm zusammen auf die flackernde Flamme schauen, die mit drei anderen Kerzen auf dem Tisch stehen -ohne Kranz- , den U-Untersuchungstermin verpassen, Oma viel zu spät gratulieren und den Schoko-Adventskalender eines Discounters kaufen.

„Weißt du Mama, ich glaube ich bin einfach so von selber in die Situation gekommen.“

Willkommen in meinem Leben.


Aline

Aline Diller

Aline Diller ist Pädagogin und 3-fach Mama aus Karlsruhe. Sie schreibt über Themen rund ums Eltern-Sein.

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