Let’s talk about: Die Entwicklung kindlicher Sexualität

Kolumne von Julia Henchen

Foto: pexels

Jeder Mensch ist ein sexuelles Wesen und das bereits vor Geburt bis zum Tod. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Kinder bereits ab jungen Jahren Fragen zum eigenen Körper haben, ihn selbst erkunden und sich Kinder auch für den Körper von ihren Eltern oder Geschwistern interessieren. Für Erwachse kann das mitunter ganz schön unangenehm sein, vor allem dann, wenn man selbst keine Antworten hat oder die Fragen einem selbst peinlich sind. In der heutigen Kolumne möchte ich einen Blick auf die Frage werfen, warum Kinder diese Fragen stellen, was „kindliche Sexualität“ überhaupt sein soll und welche Antworten passend sind. 

Mein Name ist Julia Henchen, ich bin Paar- und Sexualtherapeutin, Autorin und habe eine Praxis für alle Themen rund um Liebe, Sex und Lust. Ich begleite viele Paare dabei, nach Schwangerschaft und Geburt wieder Lust zu empfinden und helfe Menschen dabei, ihre Intimität wieder zu beleben. Fragen oder Wünsche bezüglich Themen können jederzeit via mail@julia-henchen.de gestellt werden – ich freue mich auf Eure Nachricht. 

Kindliche  und erwachsene Sexualität sind nicht dasselbe

Kinder fassen sich von klein auf an ihre Genitalien oder wollen ihren Körper erkunden. Diese Neugierde ist vor allem für Erwachse oft schwer einzuordnen oder berührt sie peinlich – vor allem wenn diese Fragen und Berührungen nicht zuhause, sondern in der Öffentlichkeit geschehen. Warum aber tun Kinder das? Was steckt dahinter? Das Wichtigste zuerst: Kindliche Sexualität bezieht sich auf die natürlichen, altersgerechten und entwicklungsbedingten Ausdrucksformen von Sexualität bei Kindern. Es ist wichtig zu betonen, dass dies nicht dasselbe ist wie erwachsene Sexualität. Die kindliche Sexualität ist vielmehr ein Teil der normalen Entwicklung und umfasst Verhaltensweisen, die mit Neugier, Entdeckung des eigenen Körpers, sowie sozialen und emotionalen Beziehungen verbunden sind. Im Laufe der kindlichen Entwicklung zeigen Kinder oft Interesse an ihrem eigenen Körper und den Körpern anderer, erkunden ihre Genitalien und stellen Fragen zu Themen rund um Sexualität. 

Die Neugier und Erkundung sind normal und tragen zur Entwicklung eines gesunden Körperbewusstseins bei

Eltern, aber auch Erzieher*innen spielen dabei eine wichtige Rolle, um Kindern Informationen auf eine altersangemessene Weise zu vermitteln und gleichzeitig ihre Privatsphäre und Integrität zu respektieren. Um Kinder vor sexuellem Missbrauch zu schützen und sicherzustellen, dass sie ein Verständnis für angemessene Grenzen entwickeln, ist Aufklärung und ein sicherer Rahmen für die Erkundung des eigenen Körpers von großer Bedeutung. 

Die kindliche Sexualität unterscheidet sich in zwei Punkten grundlegend von der erwachsenen Sexualität. Zum einen ist es das „Hier-und-Jetzt–Prinzip“. Dieses meint, dass Kinder im Moment leben und sofort auf alle Gegebenheiten reagieren. Kinder denken nicht darüber nach, was in ein paar Stunden oder Tagen passiert. Erwachsene agieren hingegen viel vorausschauender und wissen, was sie erwartetet, wenn sie sich beispielweiße im Supermarkt an das eigene Genital fassen würden: Empörung, Zurechtweisung oder Rauswurf. Erwachsene übernehmen Verantwortung für ihr Handeln und entscheiden anhand dessen, was sie tun oder nicht. 

Kinder kennen soziale Regeln noch nicht 

Sie stillen ihre Bedürfnisse daher im Hier und Jetzt – egal ob im Supermarkt oder auf dem Spielplatz. Der zweite Unterschied besteht darin, dass Erwachsene ihre Handlungen priorisieren können und in eine Rangfolge bringen, je nach dem, was sie wann (gerne) machen wollen. Dieses sogenannte Gleichwertigkeitsprinzip kann von Erwachsenen genutzt werden, wenn sich das Kind beispielweiße im Supermarkt am Genital anfasst. Du kannst sagen „Das fühlt sich bestimmt ganz toll an und du kannst das Zuhause weitermachen, aber hast du jetzt Lust, dir mit mir ein verrücktes Abendessen zu überlegen?“. Auf diese Weise lassen sich unangenehme Situationen so umwandeln, dass das Kind nicht da Gefühl bekommt, etwas Falsches zu tun (Heinzl, 2023, S.45 ff). 

Eine weitere Unterscheidung besteht außerdem darin, dass Erwachsene ihre Sexualität zielgerichtet und zielorientiert erleben und ausleben. Kinder hingegen empfinden Spaß am Körper und an den Berührungen, um sich dann wieder mit anderen Dingen zu beschäftigen (die mehr Spaß machen). 

Eltern und Erwachsenen kann es also helfen zu verstehen, dass kindliche Sexualität nichts mit Sex zu tun hat, so wie ihn Erwachsene definieren und leben, sondern vielmehr mit einem Körperempfinden und wichtigen Entwicklungsschritten. Sexuelle Basiskompetenzen, wie zum Beispiel Grenzen wahrzunehmen und zu kommunizieren oder den Körper zu akzeptieren, sind also Entwicklungsschritte, die jedes Kind auf dem Weg zu einem gesunden sexuellen Gesamtbild geht und durchläuft. Als Eltern und Bezugspersonen können wir Kindern einen Rahmen bieten, um positive Erfahrungen zu machen und sich selbst sicher und geborgen zu fühlen. 


Julia

Julia Henchen

Julia Henchen ist Paar- & Sexualtherapeutin + Sexualpädagogin und betreibt den erfolgreichen Instagramaccount "Lustfaktor"

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