Wenn Arbeitszeiten und Kinderbetreuung kollidieren

Das Leben als alleinerziehende Mutter oder Vater ist oft ein schwieriger Balanceakt zwischen Beruf und Familie. Besonders an Wochenenden und abends, wenn die Kinder frei haben und Schule, Hort oder Kindertagesstätte geschlossen sind, wird es zu einer großen Herausforderung, Arbeitszeiten mit der Kinderbetreuung zu koordinieren – vor allem, wenn auch keine Möglichkeit zur Arbeit im Home-Office besteht. Aber haben Alleinerziehende arbeitsrechtliche Ansprüche auf Arbeitszeiten, die besser zu ihrer Situation passen? Dies war kürzlich Gegenstand einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern (Az.: 5 Sa 139/22).

In diesem Fall klagte eine alleinerziehende Mutter, die als Verkäuferin in einer Bäckerei arbeitete. Ihr Arbeitsvertrag sah neben einem Drei-Schichten-Modell auch Dienste an Wochenenden vor. Die Mutter behauptete jedoch, dass sie nur von Montag bis Freitag zwischen 07:40 Uhr und 16:40 Uhr arbeiten könne. Dies entspreche der Zeit, in der sich ihre Zwillinge in der Kita befinden. Vor Gericht gab sie an, dass niemand in ihrem Familien- und Freundeskreis in der Lage sei, sie bei der Betreuung ihrer Kinder zu unterstützen. Der Vater der Zwillinge habe sich schon vor Längerem von ihr und den Kindern abgewandt und kümmere sich nicht mehr um diese. Auf dieser Grundlage argumentierte die Klägerin, dass ihr arbeitsrechtlich die gewünschte Arbeitszeit zustünde, da der Arbeitgeber auf ihre familiären Belange Rücksicht nehmen müsse.

Der Arbeitgeber lehnte ihren Wunsch jedoch ab und verwies darauf, dass auch die drei anderen Verkäuferinnen in der Filiale ähnliche Herausforderungen bewältigen müssten. Sie alle hatten ebenfalls kleine Kinder und mussten ebenso Familie und Beruf miteinander in Einklang bringen. 

Die von der Klägerin gewünschte Schicht entsprach etwa der Mittelschicht in der Bäckerei. Die Frühschicht, die bereits um 5:30 Uhr beginnt, und die Spätschicht, die erst um 19:30 Uhr endet, sowie die Schichten am Wochenende waren bei den Kolleginnen genauso extrem unbeliebt. Der Arbeitgeber argumentierte, dass die anderen Beschäftigten benachteiligt wären, wenn nun die Klägerin nur die bevorzugte Mittelschicht erhalten würde, da die Kolleginnen dann entsprechend mehr der unbeliebten Schichten übernehmen müssten.

Das Landesarbeitsgericht stimmte, wie schon die erste Instanz, dieser Argumentation des Arbeitgebers zu und entschied, dass die anderen Mitarbeiterinnen benachteiligt wären, wenn die Klägerin ausschließlich in der von ihr bevorzugten Schicht arbeiten würde. Dabei spielte es im Ergebnis keine Rolle, dass die Klägerin alleinerziehend war. Das Gericht argumentierte, dass sie ausreichend Zeit gehabt hätte, sich auf die Gegebenheiten einzustellen und eine angemessene Kinderbetreuung zu organisieren. Außerdem gelänge es auch den anderen Beschäftigten, Kinderbetreuung und Schichtarbeit erfolgreich zu vereinbaren.

Das Gericht wies dabei darauf hin, dass der Umstand, dass es den anderen Mitarbeiterinnen gelingt, ihre arbeitsvertraglichen und ihre familiären Pflichten miteinander zu vereinbaren, es nicht rechtfertige, diese durch die vermehrte Zuweisung ungünstiger Schichten zusätzlich zu belasten und gegenüber der alleinerziehenden Arbeitnehmerin zu benachteiligen.

Die Klägerin ging gegen das Urteil in Revision. Nun ist die Sache in letzter Instanz beim Bundesarbeitsgericht anhängig.

Der Fall wirft wichtige Fragen auf, die viele Alleinerziehende betreffen. Er verdeutlicht, dass das Arbeitsrecht in solchen Situationen oft eine Gratwanderung ist. Auf der einen Seite geht es darum, Alleinerziehenden eine angemessene Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen, auf der anderen Seite müssen auch die Interessen der Kolleginnen und Kollegen berücksichtigt werden, die auch Kinder zu betreuen haben und ebenfalls nicht noch mehr abends und am Wochenende arbeiten möchten.

Eine Kolumne von  Thomas Flum | Fachanwalt für Arbeitsrecht

Beinert & Partner Rechtsanwälte Partnerschafts mbB | wwww.beinertpartner.de 


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