Let’s talk about: Wie bereiten wir Kinder auf die erste Periode vor?

Kolumne von Sexualtherapeutin Julia Henchen

Erinnert ihr euch an eure erste Periode? Vielleicht sind die Erinnerungen eher schambehaftet und weniger gut in deinem Gedächtnis gespeichert, vielleicht hattest du aber auch eine gute Erfahrung oder aber du hast selbst keine Menstruation. Interessant ist doch aber, dass wir alle entweder selbst menstruieren oder mindestens eine Person in unserem nahen Umfeld haben, die es tut. Wir könnten sogar sagen wir alle menstruieren oder sind Co-Menstruierende und doch ist das Tabu rund um die Menstruation, noch dazu die erste Blutung, riesig.

Wenn du als Frau einen Tampon vergessen hast, unterwegs bist und kein Drogeriemarkt in Reichweite ist, du im Büro oder – bewahre – auf der Straße eine andere Frau nach einem Menstruationsprodukt fragen musst, dann passiert das in der Regel im Flüsterton. Heimlich, still und leise – so sollen Frauen am besten menstruieren oder wie es uns die Werbung zeigt: „always diskret“ – bloß nicht auffallen oder darüber sprechen. Wie können wir junge Frauen und alle Menschen, die menstruieren, in einer Welt voller Mythen und Tabus einen guten Zugang zu ihrem Körper ermöglichen? Gesundheitliche und soziale Themen bekommen in unserer Gesellschaft eine immer größere Bedeutung. Es scheint deutlicher denn je, dass mentale Gesundheit ebenso wichtig ist wie ein gebrochenes Bein. Doch meist hört diese Aufklärung beim Körper oder gar der Sexualität auf. Daher möchte ich in dieser Kolumne über die Menstruation sprechen und aufzeigen, wie wir Kinder und Jugendliche bei diesem Thema begleiten können.

Wir starten direkt rein: der erste Samenerguss bei Jungs wird als Teil der Sexualität verstanden und in unserer Gesellschaft verbinden wir damit vor allem auch, dass der Junge ein Mann wird. Anders ausgedrückt: er ist nun geschlechtsreif. Bei Mädchen ist die erste Menstruation häufig weniger an die Geschlechtsreife geknüpft und tatsächlich können Mädchen bereits vor ihrer ersten Menstruation schwanger werden. Wenn wir gerade bei gesellschaftlichen Vorstellungen sind: nicht alle Frauen menstruieren und nicht alle Menschen, die menstruieren, sind Frauen. Diese Information ist daher so wichtig, da auch trans- sowie nicht binäre Kinder ihre Menstruation bekommen und es gerade für diese Kinder eine zusätzliche Belastung darstellen kann, wenn keine Ansprechpersonen verfügbar sind. 

Rund um die Menstruation gibt es viele Mythen, noch dazu das gesellschaftliche Tabu des Sprechens über weibliche Sexualität und den weiblichen Körper. Ohne Aufklärung kann die erste Menstruation vor allem aber belastend oder gar traumatisch sein. Junge Menschen benötigen nicht nur physische, sondern auch emotionale Unterstützung und Aufklärung, um sich auf diese Veränderung vorzubereiten. Ich möchte einmal die wichtigsten Mythen rund um die Menstruation zusammenfassen:

 

   1. Mythos: 

Frauen sind während ihrer Periode unrein. Ein weit verbreiteter Mythos, der durch Menstruationsprodukte, die mit den Worten „Hygiene“, „Sauber“ oder „Rein“ beworben werden, aufrechterhalten wird. Auch die Idee, die Menstruation sei ein „Reinigungsprozess“, trägt zu diesem Mythos bei. Die Menstruation ist jedoch ein reines Ausscheidungsprodukt, da die Schleimhaut vom Körper in diesem Zyklus nicht mehr gebraucht wird.

  2. Mythos: 

Schwimmen während der Periode verursacht Infektionen. Das Schwimmen verursacht keinerlei Infektionen und ist unbedenklich.

  3. Mythos: 

Tampons können im Körper verloren gehen. Tampons können nicht im Körper verloren gehen. Zum einen, weil sie eine Schnur haben, um sie leicht entfernen zu können, aber auch, weil der Uterus geschlossen ist. Auch eine Menstruationstasse kann im Körper also nicht auf Wanderung gehen.

  4. Mythos: 

PMS (Prämenstruelles Syndrom) ist ein erfundenes Problem. PMS ist ein tatsächliches medizinisches Phänomen, das bei einigen Frauen vor der Menstruation auftreten kann und von Stimmungsschwankungen, Schmerzen und anderen Symptomen begleitet wird.

  5. Mythos: 

Schmerzen sind normal. Nein, Menstruationsbeschwerden sind nicht normal und sollten ggf. abgeklärt werden, denn eine Krankheit wie Endometriose kann sich dahinter verbergen.

  6. Mythos: 

Während der Menstruation kann man nicht schwanger werden. Das stimmt nicht. Es ist in den meisten Fällen zwar unwahrscheinlich, je nach Zykluslänge aber durchaus möglich.

  7. Mythos: 

Ein Zyklus dauert immer 28 Tage. Auch das ist falsch, denn ein Zyklus ist so individuell wie wir Menschen. Laut einer Studie mit Frauen aus Schweden, Großbritannien und den USA haben gerade einmal 13 % aller Frauen einen Zyklus, der genau 28 Tage dauert. Wenn du Fragen dazu hast, solltest du jedoch mit deiner Gynäkolog*in sprechen, denn es kann ein Hinweis auf eine fehlende Balance deiner Hormone sein.  

  8. Mythos: 

Sex während der Menstruation ist ein No-Go. Grundsätzlich sollte jeder für sich selbst entscheiden, womit man sich wohlfühlt. Aus einem medizinischen Blickwinkel spricht allerdings absolut nichts gegen Sex während der Blutung, solange man sich vor sexuell übertragbaren Krankheiten schützt.

  9. Mythos: 

Wenn du die Pille einnimmst, kannst du deinen Zyklus kontrollieren. Das ist insofern falsch, dass Menschen, die die Antibabypille einnehmen, keinen Zyklus haben, denn der Eisprung findet nicht statt. Die Menstruation unter Einnahme der Antibabypille nennt sich Absturzblutung und ist keine natürliche Menstruation.

  10. Mythos: 

Es ist sehr viel Blut. Nein, in der Regel ist es sogar eher weniger Blut, was natürlich variieren kann und auch nach Geburten oder anderen körperlichen Veränderungen anders ist, wie zuvor. Aber in der Regel verlieren Menschen ca. eine Espressotasse Blut, Schleim und Schleimhaut während der Menstruation.

Mythen rund um die Menstruation beeinflussen, wie wir uns in unserem Körper fühlen. Fehlende oder falsche Aufklärung rund um den eigenen Körper führen dann auch zu einem fehlenden Selbstbewusstsein. Sorgen und Ängste können zusätzlich dieses Gefühl verstärken. Als Eltern sollten wir in erster Linie unsere eigenen Mythen rund um den Körper entlarven und uns die Informationen holen, die wir dafür noch benötigen sowie unsere Scham bezüglich des Themas reflektieren.

„Mama, warum blutest du da?“

 Die meisten Menschen bekommen ihre Periode irgendwann im Alter von 9 bis 15 Jahren, doch die ersten Fragen kommen meist schon früher. Um Kinder nicht zu verschrecken oder ihnen Angst zu machen ist es also wichtig, möglichst frühzeitig über die körperlichen Veränderungen während der Pubertät aufzuklären und deutlich zu machen, dass es keine Verletzung ist, wie bei einer Wunde am Knie, sondern Menstruationsblut. Eine klare und eindeutige Sprache hilft dabei, bei den Fakten zu bleiben. Mögliche Gesprächseinstiege sind außerdem Tampons, Binden oder Menstruationstassen, die im Badezimmer zu sehen sind. Auch für alleinerziehende Väter kann das eine großartige Möglichkeit sein, den Töchtern, sowie Besucher*innen, eine akzeptierende und Neugierige Umgebung zu ermöglichen. Hier kommen passende Antworten auf Kinderfragen.

Was ist das?

Die Menstruationsblutung ist etwas ganz Normales, was bei allen Menschen mit einer Gebärmutter stattfindet.  

 Warum hast du das?

Der Körper bereitet sich einmal im Monat darauf vor, dass man schwanger werden kann.

Was passiert da genau?

Ca. einmal im Monat bereitet der Körper die Gebärmutter darauf vor, dass ein Baby einziehen könnte. Dafür braucht das Baby Nährstoffe und Vitamine, welche im Menstruationsblut sind. Wird keine Eizelle durch das Sperma befruchtet und kein Baby zieht ein, braucht die Gebärmutter all diese Dinge nicht mehr und scheidet sie wieder aus dem Körper aus.

 Tut das weh?

Die Menstruation kann zu kleinen Bauchschmerzen führen oder man fühlt sich manchmal erschöpft, aber in der Regel sollte es nicht weh tun.

Wie lange dauert es?

Das ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich, aber meisten ist die Menstruation nach 4-7 Tagen wieder weg.

 Um das eigene Kind auf die Menstruation vorzubereiten ist es wichtig zu erklären, was im Körper passiert und welche ersten Anzeichen es geben kann, wie zum Beispiel ein Ausfluss aus der Vagina, der glasig weiß ist. Diese ersten Anzeichen für den Eintritt der Menstruation können dabei helfen, sich auf den Moment vorzubereiten, um dann ausgestatte zu sein. Kinder sollten außerdem schon einmal eine Binde oder ein anderes Produkt in der Hand gehabt haben, um zu wissen, wie sie es benutzen.

Tipp: Belese dich selbst nochmal über die körperlichen Funktionen von Menstruation und Zyklus und nimm gern auch ein Buch für deine Kinder zu Hilfe. Viele Dinge vergisst man ja als Erwachsener. Wie wäre es mit „Mut zum Blut“ von Chella Quint.

Zum Abschluss: zuhören, Verständnis zeigen und unaufgeregt Antworten geben, wenn sie gewünscht sind ist das Wichtigste und Beste, was du in dieser Zeit machen kannst.


Julia

Julia Henchen

Julia Henchen ist Paar- & Sexualtherapeutin + Sexualpädagogin und betreibt den erfolgreichen Instagramaccount "Lustfaktor"

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