Du wolltest es ja so, also stell dich nicht so an!

Mutterschaft, ist etwas, das mein Leben radikal verändert  hat. Nicht nur die messbaren Veränderungen, wie weniger Schlaf und mehr Care-Arbeit oder der Anstieg von Mental- Load, finanzieller Druck uvm. Die Veränderung fand auch auf mentaler und zellularer Ebene statt.

Mittlerweile hat die Wissenschaft bewiesen, dass sich die Gehirnmasse schwangerer Frauen verändert, im gleichen Atemzug sind sie einem starken Hormoncocktail ausgeliefert. Man kann also sagen, Mutterschaft verändert Frauen strukturell, diese Erkenntnis ist wissenschaftlich belegt. Doch was ist eigentlich mit dem mentalen und emotionalen Aspekt? Kam das Bewusstsein über diese Veränderung überhaupt in der Breite der Gesellschaft an?

Mein Name ist Tala, ich bin eine alleinerziehende Mutter eines nun bald 6 jährigen Jungen. Ich schreibe über Themen, die mir und meinem Kind als Ein-Elternfamilie im Alltag begegnen. In dieser Kolumne schreibe ich über die Veränderungen, die ich als Frau mit der Reise Schwangerschaft durchmachte und welche schwierigen Situationen mir während dieser Zeit vor die Füße geworfen wurden, weil ich weiß, dass ich nicht die Einzige bin.

Ich habe alle Veränderungen, die ich als werdende Mutter durchlief, auf allen Ebenen meines Seins gespürt. Vor allem mental setzte mir die Schwangerschaft zu. Irgendwie war alles plötzlich anders. Meine physische Schwangerschaft verlief ohne Komplikationen, konnte man sagen. Tatsächlich gehörte ich, in dem Teil, zu den Glücklichen. Bekanntlich ist das bei jeder Frau anders, denn keine Schwangerschaft ist gleich!

Meine Mutterinstinkte kickten ab dem Moment, an dem ich den Beleg meiner Schwangerschaft schwarz auf weiß vor mir liegen hatte. Mit diesem neuen Bewusstsein tanzten die Hormone plötzlich Samba. Von einem Moment auf den anderen war das Wichtigste nicht mehr ich, meine Karriere oder anderes, sondern dieses in mir heranwachsende Kind. Jeder Gedanke daran ließ ein warmes Gefühl in mir wachsen. Es fühlte sich einfach richtig an, sanft und zuversichtlich. Ich spürte direkt eine tiefe Verbindung zu meinem Kind, die ich heute noch schwer in Worte fassen kann. Schon damals wusste ich, dass meine Situation nicht einfach werden würde, denn ich war alleinerziehend seit dem ersten Moment meiner Elternschaft. 

…von dem ich heute immer noch meine Wunden heile. Seit Beginn befand ich mich in einem Kampfzustand mit verschiedenen Fronten, musste mich ständig erklären und rechtfertigen. Ich wurde in die „Sie ist schwanger-Hormon-Box“, “The Crazy Baby-Mama” und noch andere Schubladen gesteckt, aus denen ich nicht mehr rauskam. Meine Bedürfnisse wurden oft ignoriert und ich wurde von verschiedenen Seiten immens unter Druck gesetzt. Von Rücksicht war hier keine Rede. Als Frau, die sich ohne Mann für ein Kind entscheidet, ist man im heutigen Deutschland leider vielen Übergriffen ausgesetzt. Zumindest war das bei mir so. Egal ob in der Großstadt oder auf dem Land.

Anfangs sprach ich noch darüber, wie sehr ich unter den verbalen Übergriffen litt, doch irgendwann hörte ich damit auf. Sätze wie: „Das wolltest du doch” schmetterten mich nieder. Als würde meine Entscheidung, das Kind zu bekommen, alle Gemeinheiten diesbezüglich legitimieren. 

Für viele Menschen ist die Idee, dass ein heranwachsender Fötus mit der Mutter auf emotionaler Ebene verbunden ist, eine Art esoterischer Quatsch. Allerdings gibt es Untersuchungen, die das Gegenteil beweisen. Bei Frauen, die einem erhöhten Stress ausgesetzt sind, haben die Kinder im Mutterleib einen erhöhten Herzschlag. Das kann zu Komplikationen führen. Statt viel Ruhe und Entspannung durchlief ich damals eine kleine emotionale Hölle. Ein Dauerzustand, der Angst, Enge und tiefer Trauer. Ständige Angst, dass ich das Kind aufgrund meiner Trauer und meines Schmerzes verlieren könnte, Angst, dass es sich nicht gewollt und geliebt fühlt. Angst, dass ich es nicht schaffe, dem Druck von außen standzuhalten. Angst, doch diese Frau voller Hass zu sein, wie man mir einzureden versuchte. Angst, drei Leben zu zerstören, wovon manche überzeugt waren. Angst, Angst und nochmal Angst. Ich wusste nicht mehr, wer ich war. Eines wurde mir mit jedem voranschreitenden Tag bewusster: Ich musste mich irgendwie schützen, koste es, was es wolle.

Eine Strategie war es, mein strahlendes Lächeln aufzusetzen, um die Fassade der unbekümmerten Schwangerschaft aufrechtzuerhalten. Längeres Gaslighting* konnte ich nicht mehr ertragen. 

Ein Großteil meiner Schwangerschaft war ich isoliert, verlor Freundschaften und war sehr einsam. Das änderte sich auch die darauffolgenden Jahre nicht wirklich. Ich schwieg über viele Dinge, die mich belasteten, um anderen nicht zur Last zu fallen. Ironisch was? Meine Reise der Elternschaft ließ mich leider erfahren, dass es mehr Menschen gibt, die mit dem Finger auf Mütter zeigen, anstatt ihnen die Hand zu reichen. Es gibt sehr viel Unverständnis und Verurteilung auch unter Frauen und Müttern. 

Hallo Patriarchat!

Meine Rettung war damals, große räumliche Distanz zu schaffen, um so durchatmen zu können. Heute bin ich unendlich dankbar, dass ich in diesem Moment auf mich und meine Gesundheit gehört habe. Denn ich bekam ein gesundes Kind. Auch wenn das erlebte Trauma der Monate zuvor dafür sorgte, dass ich mein Kind nicht, wie ich es mir gewünscht hatte, auf natürliche Art zur Welt brachte, noch war ich in der Lage zu stillen.

Elternschaft ist eine transformative Erfahrung, die das Leben einer Frau enorm beeinflusst. Sei es körperlich, psychisch, hormonell oder strukturell. (Übrigens.. diese Veränderungen erleben auch Adoptiveltern und andere primäre Sorgepersonen von Kindern! Den Hormonen sei Dank 😉

 Trotz oder gerade aufgrund aller Herausforderungen war die Mutterschaft ein Katalysator für meine persönliche Weiterentwicklung und des Wachstums. Wie viele Frauen erfuhr ich mich selbst ganz neu. Ich mag diese neue Version sehr. Ich bin widerstandsfähiger, mitfühlender und eine große Portion geduldiger durch diese Reise geworden. In meiner neuen Rolle konnte ich einen tieferen Sinn für mein Leben erfahren und erlaubte mir, den Blick auf das Leben im Allgemeinen und die Umwelt nochmals zu redefinieren. 

Eine andere Mutter schreibt:

“Mama-sein hat mich so verändert, auf so vielen Ebenen. Es hat mich geerdet, geduldiger werden zu lassen. Mich eine ganz andere, neue Liebe spüren lassen. Es hat mir gezeigt, zu was ich im Stande bin, und wie stark ich sein kann. Mama-sein hat mich aber auch einsamer werden lassen, meinen Alltag gestresster gemacht und mir gezeigt, welche Menschen wirklich zu meinem Leben gehören. Ich könnte einen ganzen Roman über das Mama-sein schreiben. Es ist das Schönste auf der Welt, übersät mit traurigen Momenten, in einer Gesellschaft, die nicht bereit ist, Mütter zu unterstützen.”

Instagram: @watch.ma.vibe

Dass gesehen wird, was wir täglich leisten, wofür wir weder Bezahlung, Respekt, noch Steuervorteile bekommen. Ich wünsche mir, dass frühe Aufklärung und umfassende Bildung stattfindet und Netzwerke geschaffen werden, die schwangere Frauen auffangen und ihnen die Hände reichen. Wir brauchen wieder eine Gesellschaft, die aufeinander achtet. Wir brauchen wieder ein Dorf, das sich schützend um die verletzlichsten Glieder stellt. Wir brauchen aber auch strukturelle Veränderungen, die das Mutter-werden und Care- Arbeit stressfreier möglich machen. Wir brauchen eine Gesellschaft, die die einzigartigen Bedürfnisse einer werdenden Mutter und Mütter nicht in Frage stellt, sondern sie mit offenen Armen empfängt.

Heute blicke ich zurück und spüre zwar noch den Schmerz, der mir damals durch all die Gemeinheiten angetan wurde, doch ich blicke auch stolz zurück. Ich habe einfach einen Menschen geboren – stellt euch das mal vor. Be proud Mom!

Anmerkung: Erfahrungen einer Mutterschaft können nicht unterschiedlicher sein. Jede Frau erfährt sie anders. Nicht alle Frauen erleben dieselben Veränderungen. Persönliche Umstände, kulturelle Einflüsse und das soziale Netz spielen hier eine große Rolle, auch die finanzielle Situation ist nicht außer Acht zu lassen. Eine Mutter zu werden, könnte nicht facettenreicher sein. Es ist eine tiefgreifende Veränderung im Leben einer Frau, die liebevoll begleitet werden sollte- EGAL was die Umstände sind.

*Gaslighting: Eine Form von psychischer Gewalt, bei dem die Opfer so stark manipuliert werden, bis sie an ihrem eigenen Verstand zu zweifeln.


Nathalie

Nathalie Wache

Nathalie Wache ist Designerin und Social Managerin. Sie bildet mit ihrem Sohn eine Ein-Elternfamilie und schreibt in ihren Kolumnen über ihre Erfahrungen.

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