Ab in den Spamordner

Kolumne von Eva Unterburg

Grafik: Raphael Becker

Neulich habe ich wieder einmal gewonnen. Millionen über Millionen, so wurde es mir in radebrechendem Deutsch versprochen, könnte ich sofort mein Eigen nennen und sinnlos verprassen, wenn ich jetzt SOFORT auf diesen Link drücken würde. Ja klar doch, mach ich aber nicht, ätsch! Das haben mir meine technikaffinen Männer zuhause strengstens verboten. 

Sobald ein merkwürdiges Ansinnen sich meinem Mailordner auch nur in zehn Metern Entfernung nähert, wittere ich Gefahr für Leib und Leben meines Rechners und unser aller Netzwerk. Ich will keinen Wurm in meinem Apfel, der sich womöglich in Windeseile fortpflanzt und dann solche hässlichen Dinge nach sich zieht, wie sie vor Jahren meine ältere Freundin hautnah erleben musste. Sie bekam eine Mail ihrer brasilianischen Cousine mit einer netten Erklärung, dass sich in untenstehendem Dropboxordner die Fotos der letzten Familienfeier befinden würden. Viel Spaß beim Ansehen! 

Was dann passierte, war zunächst eine tiefschwarze Dunkelheit auf dem Bildschirm verbunden mit einem schaurigen Musikstakkato und dann die Aufforderung, eine Menge X an Geld dort und dort hin zu überweisen, um eine Menge X an Dateien wieder freizuschalten. 

Die netten Menschen von den Cayman Islands, aus Itzehoe oder aus Novosibirsk hinterließen natürlich keine Adresse, bei der man sich wegen solch ungebührlichen Verhaltens hätte beschweren können. Polizeibekannt waren diese Maschen schon längst, mir war das bis dato völlig neu und ich bis heute behalte diese Schändlichkeit als grellhelle Warnung in meinem Herzen. 

Meinem geschätzten Verleger bot neulich eine afrikanische Multimillionärin (oder waren es doch Billionen?) an, ihr Finanzexperte zu werden. Für seine findigen Transaktionen auf dem europäischen Markt würde er ein fürstliches Gehalt beziehen. Er müsse nur vorher eine Menge X an Geld… Sie ahnen, wie die sprachlich höchst unvollkommene Mail weiterging? 

Gestern erzählte mir eine liebe Freundin, dass sie – wie und warum auch immer – in das Netzwerk eine Gay-Community geraten sei und nun täglich höchst fragwürdige und eindeutig sexistische Angebote via Mail ihr Eigen nennen könne. Offenbar ist der zuständige Algorithmus noch nicht ganz auf dem Laufenden, was die germanisch-keltische Namensgebung angeht und dachte bei „Dagmar“ wohl eher an einen drahtigen Sixpack-Mann als an eine blonde Kunsthistorikerin in den besten Jahren. Diese Mails sind in Dagmars Zuhause ein Quell steter Freude und ernten stets wieherndes Gelächter. 

Ich bin meinem Mailprogramm sehr dankbar für die zuverlässige Vorauswahl solch ungebetener Nervereien. Nicht auszudenken, wenn ich die täglichen Spammails alle lesen müsste, welch ein Zeit- und Konzentrationsverschwendung. Leider ist das Programm nicht bis ins Letzte ausgereift und spült mir doch so manche Fakenews ins Hirn, die es dann entweder zu ignorieren gilt oder denen ich durch Recherche auf den Grund gehen will. 

Für Kinder ist genau das eine richtig schwere Aufgabe. Was ist real, was ein schlechter Joke? Welchem Influencer kann ich glauben? Ist dieses Foto echt? 

Ich bin heilfroh, dass ich erwachsene Kinder habe, die ihrer inzwischen in die Jahre gekommen Mutter erklären, wo der Medienhase lang hoppelt. Ich fände es großartig, wenn Sie, liebe junge Eltern durch einen guten schulischen Medienunterricht ihrer Kinder unterstützt würden bei dieser so wichtigen Aufgabe.


Eva

Eva Unterburg

Eva Unterburg schreibt wunderschöne Rezensionen über Kinderbücher und ist langjährige Freundin der Redaktion.

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