Gemüse-Intoleranz? Was nun?

KiddyCoach Gerhard Spitzer macht sich Gedanken zur Ernährung unserer Kinder

Gerhard Spitzer, der bekannte Wiener Verhaltenspädagoge und Autor von Top-Sellern wie „Entspannt Erziehen“ und „Warum zappelt Philipp?“, hat mit seiner humorvollen und konsequent kindgerechten Sichtweise schon zahllosen Eltern zu einem entspannteren Umgang mit ihren Kindern verholfen. Einer breiten Hörerschaft ist Spitzer durch seine Hörfunk-Live-Talks, sowie mit seinem erfolgreichen Seminarkabarett, „Kinder im Tyrannenmodus“ bekannt geworden.

Wääh, das schmeckt mir nicht!“ mault der zehnjährige Jost beim trauten Mittagsmahl mit Mami. Nicht das erste Mal, klarerweise! Schon fängt der Junge an, die grünen Bohnen aus dem frisch gebackenen Gemüsestrudel zu puhlen. Nach kurzer Zeit wird ein lustloses Gestochere und Gepantsche daraus. Mutter Sabrina vergeht postwendend ebenfalls die Lust, zuerst am Zuschauen, dann, im praktischen Post-Doppelpackerl auch gleich am eigenen Essen.

Verständlich: Es ist ja auch nicht wirklich eine appetitfördernde Beschäftigung, wenn man guten Mutes hochwertiges, frisches Essen im Schweiße seines Angesichts zubereitet, um es dann gleichermaßen ungekaut wie unverdaut, vor allem aber kein bisserl wertgeschätzt wegschmeißen zu müssen. Das hat schon etwas von „häuslicher Sklavenhaltung“.

Rezeptur „alt“

Mama Sabrina ist aber derzeit offenbar noch nicht ganz so fit für neue Rezepte. Noch bestimmen die „bewährten“, alten Muster ihr Handlungs-Menü: Erstmal tischt sie ihrem Sohnemann eine Portion wortreicher jetzt-koste-mein-Gemüse-doch-wenigstens-mal-Standpauke auf. Danach gibt’s als Hauptgang eine nette Androhung aus der klassischen Sanktionen-Küche: „Wenn du nicht gleich brav isst, dann scheppert´s …!“ Was auch immer die Gute sich unter „Scheppern“ vorstellen mag, zur Sicherheit serviert sie noch einen verbalen Nachtisch der weniger „schmorenden“, dafür aber der schmollenden Art: „Gut, dann kriegst du heute eben gar nichts mehr zu essen!

Toll, und wer zieht so etwas durch? Doch nicht ein liebend Mutterherz, oder? Auch Sabrina kann ihre „schreckliche“ Drohung nicht wahrmachen: Seufzend wirft sie einen Satz Industrie-Fisch-Abfall-Stäbchen in die Pfanne! „Da ist schön viel Zucker in der Panade drin, Junge“, denke ich klammheimlich, „das wird dir munden!“ Und wirklich: John strahlt! Wahrscheinlich nicht nur wegen des großartig-leckeren Qualitäts-Futters, sondern, weil er bildschön in die Siegerstraße eingefahren ist: „Gewonnen, Mom!“

Zwischenfragen

Diesmal möchte ich die Lösungsansätze anhand einiger Fragen erarbeiten: Würden Sie Johns Wääh-das-schmeckt-mir-nicht-Ignoranz auch als ein klassisches „Fehlverhalten“ bezeichnen? Ja? Gut, soweit. Dann gleich meine nächste Frage. Das macht echt Spaß, Leute!

Wann verhalten sich Kinder eigentlich falsch? Haben Sie darauf vielleicht Antworten wie diese parat: „Wenn sie sich regelwidrig verhalten!“ Oder: „Wenn sie uns provozieren!“ Vielleicht auch: „Wenn ihr Verhalten nicht unseren Vorstellungen von Disziplin entspricht.“

Nichts von alledem!

Die Antwort wird Ihnen – hoffentlich – ein klassisches „Aha-Erlebnis“ bescheren: Kinder verhalten sich dann falsch, wenn es schon einmal funktioniert hat!

Schwer verdaulich, wie? Macht nachdenklich, was? Ich weiß! Darum macht es mir ja gerade so Spaß mit Ihnen, liebe KARLSRUHER KIND-Fans!

Keine Intoleranz

Der gute Jost nörgelt also keineswegs deshalb am Essen herum, weil er vielleicht eine medizinische Grüne-Bohnen-Intoleranz aufzuweisen hat. Mitnichten! Er ist beim Essen bloß deshalb so wählerisch, weil er eben immer wählerisch sein darf. Mit anderen Worten: Es haut immer hin, wenn er das Essen hinhaut.

„Cool, Mami ist ja soo leicht auszurechnen und funktioniert wie ´ne Eins!“, denkt der kleine Gemüsemuffel vielleicht, „ich hab diese Frau ja sowas von lieb!“

Die Fischstäbchen-Party läuft deswegen übrigens schon das dritte Mal in dieser Woche! Dafür findet sogar Mama Sabrina beim Beratungsgespräch von sich aus klare Worte: „So kann´s nicht weitergehen!“ Großartig! Das ist ja schon mal ein guter Plan, liebe ich-koch-dir-schnell-was-Anderes-Mom!

Rezeptur „neu“

Sabrina bekommt ein paar nagelneue Sichtweisen von mir: „Wenn Sie immer wieder nachgeben hat es gar keinen Sinn mehr, Ihren Sohnemann für sein Fehlverhalten wortreich zurecht zu stutzen. Das erzeugt bloß Druck und folglich noch mehr Abwehr gegen Ihre aktuellen Gemüsevorschläge. So wird das gesunde Zeugs in der kindlichen Wahrnehmung bald mit ´böse´ assoziiert. Diesen Vorgang nennen Forscher übrigens ´Fehlverknüpfung´. Passendes Wort, nicht?“

Also würde ich auf altwienerisch sagen: entweder „Hopp, oder Dropp!“ Entscheiden Sie, was Ihnen wichtig ist und dann fordern Sie es klar ein, oder lassen Sie den nutzlosen Versuch „versuchsweise“ mal ganz sausen. Servieren Sie lieber gleich Fischstäbchen – so läuft das Essensszenario wenigstens ohne Diskussionen und schlechtes Stimmungsbild und „böses Grünzeugs“ ab.

Wirkungslos

Allgemein gilt: Wenn sie so etwas wie Essensverweigerung zwar zuerst verbal bekämpfen, letztendlich aber doch nachgeben, bringt das Ihr Kind ziemlich sicher nicht dazu, sich später mit einem jetzt-esse-ich-brav-Verhalten beliebt zu machen, oder auch nur ein bisschen mehr Wertschätzung für Ihr tägliches Menü-Angebot zu zeigen. Eher ist das Gegenteil der Fall.

Aber Kopf hoch, liebe Sabrina und liebe Alle! Wenn Sie diese Erkenntnisse erstmal verdaut haben, gelingen sicher auch bald ganz neue wie-mache-ich-meinem-Kind-Appetit-Rezepte hervorragend. Sicher haben sie erkannt, dass es hierbei nicht nur um die Nahrungsaufnahme geht, sondern ganz generell um das von allen Erwachsenen so heiß ersehnte „Wohlverhalten“. Viele Ansätze dazu haben wir ja schon in früheren Kolumnen besprochen. Stöbern Sie doch mal auf www.karlsruher-kind.de im „Archiv“ nach, oder freuen Sie sich auf meine jeweils neuesten Tipps in meiner Kolumne. Wie jetzt? Sie wollen jetzt schon welche? Na gut…

Geheimtipps

Zwei super wirksame, weil perfekt „jugendfreie“ Tipps servier ich gleich: Was Ihnen selbst deutlich sicht- und meinetwegen auch deutlich hörbar gut schmeckt, das wird über kurz oder lang auch Ihrem Junior munden. Ihr eigener Genuss an grünen Bohnen, serviert mittels deutlicher Körpersprache ist also angesagt.

Damit wandert zumindest die ich-probiers-mal-Wahrscheinlichkeit in den dunkelgrünen Bereich.

Zum Schluss jetzt aber noch der wirkliche Bringer, den zahlreiche Eltern über all dem du-musst-das-jetzt-brav-essen-Druck zuweilen einfach übersehen: Spaß! Probieren Sie doch mal aus, ob grüne Bohnen und Co vielleicht auch „lustig“ sein könnten und staunen Sie, wie der Appetit Ihres Lieblings gemeinsam mit dem Lacherfolg steigt.

Sie werden es mögen! 


Redaktion

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Die Karlsruher Kind Redaktion informiert über Neuigkeiten, Aktionen, Veranstaltungen und Angebote in Karlsruhe und der Region.

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