…und keiner will hin!
Zumindest keines Ihrer Kinder. Dabei haben Sie den Familienausflug am Wochenende minutiös geplant, den Freizeitführer aus der Region quasi auswendig gelernt und die beste aller Wetterapps als Bildschirmschoner am Arbeitsplatz installiert.
Sie wissen, wie viele Höhenmeter vom Waldparkplatz zum ersten Spielplatz zu bewältigen sind, wo dort die schönsten Picknickbänke stehen und welche Kleinamphibien es im naheliegenden Weiher zu entdecken gilt.
Sie haben seit Tagen den Treckingrucksack mit extra leichter Outdoorkleidung bestückt und sogar an das Zweitpaar Schuhe gedacht, da Ihre Kinder dem nassen Element nicht abgeneigt sind, will heißen, in soweit zugeneigt, dass sie bisweilen in Gänze hineinfallen.
Sie haben leckerste Brötchen mit allem belegt, was dem kindlichen Gaumen sonst immer schmeichelt, und das in aller Herrgottsfrühe zu nachtschlafender Zeit. Sie haben die Küche entkrümelt und den selbstgemachten Kirschsaft tropfsicher verpackt.
Sogar eine Flasche Wein ist mit von der Partie und eine extra weiche Kuscheldecke. Alles in der Hoffnung, dass, wenn die Kinder total glücklich am Waldbach einen Staudamm bauen, Sie mit Ihrem Partner die Gunst der ungestörten Stunde nutzen könnten, um endlich einmal wieder in aller Ruhe miteinander zu reden.
Nun ja, es soll wohl nicht sein. Alle Absprachen scheinen vergessen, als Sie, inzwischen komplett ausgerüstet die lieben Kleinen vom Kinder- und Jugendbett zum sonntäglichen Frühstückstisch bitten wollen.
„Lass mich doch schlafen“ sagt der eine, „Ich will nicht zu diesem doofen Ausflug“ mault die andere.
Einzig Ihr Partner scheint Sie zu unterstützen. Er sitzt quietschvergnügt mit sonnigem Gemüt und am zweiten Marmeladenbrötchen kauend vor Ihnen und fragt munter „Was machen wir denn heute?“ Und schon schwärmen Sie von verwunschenen Wanderpfaden, gurgelnden Wildbächen, Picknick auf der einsamen Waldwiese und mächtigen Burgmauern, die es zu bezwingen gilt. Er ist Feuer und Flamme und steigt schon in seine Treckinghose und angelt die Wanderschuhe aus dem übervollen Schuhschrank. Sie stehen meist ganz hinten, während sich der inzwischen getrocknete Schlamm des letzten Ausflugs ganz vorne sammelt, offenbar ein Gesetz aller Schuhschränke in diesem Land….
Nun sehen Sie sich folgender Situation gegenüber: Zwei Erwachsene in voller Montur, bestens für alle Eventualitäten gerüstet, stehen ausgehfertig am Sonntag Morgen um acht im heimischen Flur und freuen sich wie die Kinder auf einen Ausflug in den Wald mit Burg, Bach und Bank.
Zeitgleich liegen zwei Kinder wohlig warm in ihren Betten und denken nicht daran Burg, Bach und Bank mit Ihnen zu entdecken. Was ist zu tun?
Sie haben die Wahl: Entweder Sie gehen militärisch vor, was mit den schweren Wanderstiefeln, den dazu passenden Walkingstöcken und einer wutgeschwängerten Stimme nicht schwer fallen wird und zwingen Ihre Kinder nahtlos vom Bett in die Kleidung und ins Auto, um Sie an Ort und Stelle zu ihrem Glück zu zwingen. Was mit 99,9%-iger Sicherheit mit motzigen Gesichtern, trödeligem Füßeschleifen und frechen Widerworten geahndet wird.
Oder Sie gehen im Geiste all jene Menschen durch, die Sie – und vor allem Ihre Kinder- bedingungslos lieben und wägen dann ab, ob diese Menschen Ihnen einen frühmorgendlichen Anruf verzeihen werden.
Wenn dann noch eine Person übrigbleibt, wählen Sie um Gottes Willen deren Nummer!
Versprechen Sie einen zauberhaften Tag mit stundenlangem Fernsehen, Lümmeln auf der Couch, Vorlesen, Legospielen auf dem Boden, Computerspielen zu dritt oder Stadt, Land, Fluss bis zum Abwinken. Falls das gefruchtet hat, legen Sie den Schlüssel unter die Matte und fahren los. Geben Sie die Rabeneltern, die ihre Kinder lieber den ganzen Tag in der abgestandenen Luft ihres trauten Heims zurücklassen, als mit Ihnen einen tollen Ausflug ins Grüne zu machen!