Schmökereien über Superheld*innen, Zauber*innen und allerlei Seelenleben

Für diese Ausgabe habe ich ganz unterschiedliche Titel gelesen. Allen gemeinsam ist das Geheimnisvolle und Überraschende. Ob in der Zukunft, der Jetztzeit oder in fernen Fantasywelten: da wird allerorten gezaubert, Gutes getan und Geheimnisse werden ans Tageslicht gebracht. Viel Freude beim Entdecken dieser schönen Bücher!

 

 


Der Zauberlehrling

Wie wohl der Dichterfürst Goethe zu der Idee seiner Ballade „Der Zauberlehrling“ kam? Gerda Müllers wundervoll illustriertes Bilderbuch erzählt es uns. Es war das Dienstmädchen, das ihm beim Kaffeeservieren eine alte Geschichte aus ihrem Dorf erzählte. Und nun lernt man Florian, den einsamen Ziegenhirten kennen und erfährt wie er ins Haus des Zauberers Sigiswald gekommen ist und dem alten Mann bei der schweren Hausarbeit, aber auch beim Zubereiten der Arztneien hilft. Florian lernt dabei nicht nur lesen, schreiben und rechnen, sondern auch Pflanzen bestimmen und Rezepturen selbst anzufertigen. Selbst mit der Wünschelrute kann er umgehen. Eines Tages verrät ihm der Meister drei magische Worte, die Florian auf keinen Fall alleine benutzen soll. Am nächsten Morgen macht sich der Zauberer auf zu einer Versammlung von Wunderheilern. Die Liste mit den zu erledigenden Arbeiten erscheint dem Jungen viel zu lang und so benutzt er die magischen drei Worte, um sich beim Wasserholen helfen zu lassen. Nun erledigen die Besen das anstrengende Wasserholen. Aber wie stoppt man die eifrigen Gesellen? Schon ist das ganze Dorf unter Wasser und Florian versteckt sich vor dem heimkehrenden Meister…. Welch eine schöne Idee, Kindern dieses großartige Stück Lyrik auf diese Weise nahezubringen. Natürlich ist die Ballade als krönender Abschluss dieses kleinen Buchschatzes zum laut vorlesen (und vielleicht sogar Auswendiglernen) abgedruckt.

Gerda Müller: Der Zauberlehrling. 24 Seiten, gebunden, 28×30 cm, Moritz 2019, ISBN: 978-3-89565-378-0, € 14, ab 4 Jahren

 

 


Alles Okay

Marin lässt ihr bisheriges Leben innerhalb weniger Stunden hinter sich und niemand weiß wie es ihr geht und dass sie bereits ans andere Ende der USA ihr neues Leben an der Uni begonnen hat. Nun sind Weihnachtsferien und der Campus ist bis auf den Hausmeister und Marin menschenleer und tief verschneit. Da kündigt Mabel ihren Besuch an. Sie hat es trotz hunderter unbeantworteter Mails und Whatsapps nie aufgegeben, an Marin festzuhalten. Als alte Freundin und Geliebte. Nun nähern sich die Mädchen bei Tütensuppe und Serienabend wieder einander an und Stück für Stück kann Marin offenbaren, warum sie nach dem Tod ihres Großvaters wortlos verschwunden ist. Dieses Buch ist voller berührender Momente, sehr still und um es pathetisch auszudrücken: schmerzlich schön!

Nina LaCour: Alles okay. 208 Seiten, gebunden, 15x22cm, Hanser 2019, ISBN: 978-3-446-26435-9, € 16, ab 14 Jahren

 

 


Der kleine Zauberer und der König der Katzen

Gegen Ende des Sommers möchte sich der kleine Zauberer endlich mal frei nehmen und die Tiere des Waldes haben nichts dagegen. Als er sich so richtig gemütlich dem süßen Nichtstun hingeben will, nähert sich ein langer Katzenzug mit der Bitte um eine richtig schöne goldene Königskrone, schließlich wolle man den König der Katze wählen. Da hilft kein Einwand, der Zauberer wird so umschmeichelt, dass er schließlich nachgibt. Aber wer soll nun der Katzenkönig werden? Der erste Streit entsteht und endlich ist ein Kriterium gefunden: wessen Augen am hellsten in der Nacht strahlen, der soll der König der Katzen werden. Ob das tatsächlich eine Katze sein wird?
Eine leise kleine Geschichte mit Bildern, die man gerne mehrmals betrachtet, besonders die verschiedenen Charaktere der Katzen.

Gina Ruck-Pauquèt, Pe Grigo (Illustr.): Der kleine Zauberer und der König der Katzen. 24 Seiten, gebunden, 24,5×25,5 cm, klein&groß 2017, ISBN: 978-3-946360-08-7, € 13,95, ab 4 Jahren

 

 


Sieben Arten Dunkelheit

Seit Jahrtausenden gibt es Menschen, die die Dunkelheit bewachen und dafür sorgen, dass sie in den Herzen der Menschen nicht über Hand nimmt. Deshalb gibt es auch in der Jetztzeit noch drei Nachtzähmer, die je zwei Schüler haben. Der 17-Jährige Krigk und seine Schwester Rhee werden von ihrem alten Meister auf einer abgelegenen Insel in die Geheimnisse der Dunkelheit und ihrer Kreaturen eingeweiht. Doch gegen das, was ihnen bei einem Höhlengang im Finstern begegnet scheint noch nicht mal das magische Vielnachtamulett zu wirken. In der realen Welt lernt der schüchterne David seine neue Mitschülerin Ayumi kennen und freundet sich mit ihr an. Ayumi ist eine japanische Austauschschülerin, blind und die Einzige, die Davids Angst vor der Dunkelheit versteht. Und ihr Vater ist einer der drei Meister, die die Geheimnisse der Dunkelheit mit ihrem uralten Wissen bewahren. Ob die Mission gelingen wird und das mächtige Dunkelwesen besiegt werden kann? Das Eintauchen in die nächtliche Welt der Schattenhamster und Krummschwanzfinsterlinge ist Fantasy pur.

Christian von Aster: Sieben Arten Dunkelheit. 336 Seiten, gebunden, 14×22 cm, Thienemann 2019, ISBN: 978-3-522-20261-9, € 17, ab 12 Jahren

 

 


Der Gedankenspieler

Zur Kolumne auf Seite drei zum Thema Alter gibt es hier den passenden Hörbuchtipp. Peter Härtling, der große Autor in ganz unterschiedlichen Genres – man denke nur an das Kinderbuch „Ben liebt Anna“ – hat in seinem letzten Buch die Mühsal, aber auch die Glücksmomente des Alters feinfühlig und mit viel Gespür für feine Selbstironie beschrieben. Johannes Wengler ist ein gefragter Architekturtheoretiker, ein Feingeist, alleinstehend, achzigjährig und körperlich sehr angeschlagen. Nach einem Sturz ist er in seiner Beweglichkeit stark eingeschränkt und fortan auf den Rollstuhl angewiesen. Der neue Lebensrhythmus wird vom Pflegepersonal bestimmt, was ihm schwerfällt zu akzeptieren. Sein junger Hausarzt Dr. Mailänder wird ihm zum jugendlichen Freund und nimmt seine Klagen auf Augenhöhe wahr ohne zu bewerten. Mailänder nimmt den Melancholiker mit in den Osterurlaub und beobachtet mit Freude, wie sich seine Frau und vor allem die sechsjährige Tochter vom Wortwitz des alten Grantlers faszinieren lassen. Das Kind wird für Wengler überlebenswichtig, doch immer wieder gibt es auch Phasen, wo er alleine für sich sein muss, um in gedanklichen Zwiegesprächen mit alten Lebensgefährten in frühere Jahre eintauchen zu können. Dazwischen macht er wagemutige Ausflüge ins nächste Gartenlokal und genießt seinen geliebten Wein, auch wenn der seiner Gesundheit alles andere als zuträglich ist. Dieses Hörbuch hat mich genau im richtigen Moment begleitet und lässt einen tief eintauchen in die Seele eines alten hinfälligen Menschen, der die kostbare Gabe der Selbstreflektion besitzt. Ein herzliches Dankeschön posthum an den großen Peter Härtling dafür! Und natürlich an die wunderbare Stimme von Markus Hoffmann, der Wengler so facettenreich Leben einhaucht.

Peter Härtling: Der Gedankenspieler. 4 CDs gesprochen von Markus Hoffmann. Gesamtspielzeit 348 Min., GoyaLIT 2018, ISBN: 978-3-8337-3872-2, ca. € 20, für Erwachsene

 

 


Becoming Elektra

Dieses ausgesprochen spannende Jugendbuch spielt im Jahr 2083. Isabel und ihre Schwester leben abgeschirmt von der Außenwelt in einem Institut und erhalten eine gute Schulbildung. Ab und an werden Mitschüler*innen weggebracht und kommen wie Isabels Schwester nach Wochen mit Narben zurück. Eine fehlende Niere ist noch zu verkraften, aber beide Augen oder gar das Herz? Die Jugendlichen dienen Kindern reicher Familien als Ersatzteillager. Sie sind Klone und lesen von ihren Originalen höchstens in den eingeschmuggelten Klatschblättern. Als Isabel eines Tages zur Direktorin gerufen wird, ahnt sie Schlimmes, doch was in den nächsten Monaten auf sie zukommen wird, übertrifft alles Vorstellbare. In einer streng geheimen Mission soll sie ihr genetisches Original, die tödlich verunglückte Elektra spielen, zumindest so lange, bis die offizielle Verlobung mit dem Spross einer einflussreichen Familie medienwirksam in Szene gesetzt wurde. Doch alles kommt anders, denn wer kann schon ahnen, dass Elektra in Wahrheit ermordet wurde und der Mörder es höchstwahrscheinlich auch auf ihr Double abgesehen hat? Und wer hätte gedacht, dass der Verlobte in spe ein feinsinniger, gutaussehender und vor allem kritisch denkender junger Mann ist? Dieser Roman knistert vor Spannung und man kann das Buch kaum zur Seite legen.

Christian Handel: Becoming Elektra. Sie bestimmen, wer du bist. 416 Seiten, gebunden, 14,5×22 cm, Ueberreuter 2019, ISBN: 978-3-7641-9243-3, € 17,95, ab 14 Jahren

 

 


Mina und die Karma-Jäger

Mina kann es kaum glauben! Zuerst wird ihre lang geplante Geburtstagsparty durch eine ominöse Whatsappnachricht an all ihre Freunde abgesagt und dann findet sie doch statt und wird die beste Party des Jahres. Bei wem sonst hat es auch auf einer Party gespukt? Offenbar ist Mina tatsächlich die Einzige, die diesen unmöglichen Jungen mit Namen Julius sehen kann. Egal was sie tut, er lässt sich nicht abschütteln und behauptet steif und fest „die da oben“ hätten Mina auserwählt Julius zu helfen. Sein Karma-Level ist nämlich komplett in den Keller gerutscht, was angesichts seiner durchweg egoistischen Spukaktionen nicht verwundert. Nach und nach lernen sich die beiden besser kennen und wachsen so richtig zusammen bei ihrer ersten gemeinsamen Aufgabe: Irgendwer hat viel Geld aus der Klassenkasse genommen und das muss unbedingt aufgeklärt werden. Nur so steigen Julius Chancen endlich in den Himmel zu kommen. So beginnt eine spannende Geschichte rund um ein Spukhaus, einen tierlieben Mitschüler und eine großartige Aktion in der Klasse. Mina und die Karma-Jäger hat schon eine Fortsetzung: Band zwei „Fiese Tat im Internat“ liegt druckfrisch in den Buchhandlungen und wartet auf die gespannten Karma-Fans.

Janet Clark: Mina und die Karma-Jäger. Der Klassenkassen-Klau. 190 Seiten, gebunden, 16×21,5 cm, Dragonfly 2020, ISBN: 978-3-7488-0016-3, € 12, ab 9 Jahren

 

 


Dog Man, Herr der Flöhe

Warum ich erst jetzt auf die kicherintensiven DogMan-Comics stoße, weiß ich selbst nicht. Jedenfalls hatte ich viel Spaß beim Anschauen und Lesen dieses fünften Bandes. Und genau in der Reihenfolge genießt man diesen Comic-Band auch. Damit ist er perfekt geeignet, ausgewiesene Lesemuffel zum Schmökern zu verführen. Und darum geht es: George und Harold, selbst Comic-Figuren sind in den fünften Klasse angelangt und lesen als neue Schullektüre „Herr der Fliegen“, was Harold gleich mit „Herr der Ringe“ verwechselt und als Fan der Verfilmung sicher ist, sich das Buch ersparen zu können. Doch George ist so begeistert, dass er sofort beginnt eine neue DogMan-Story zu gestalten. Dieses Mal geht es um Kater Petey, einen echten Schurken und um seinen kleinen Clon Klein-Petey, ein kleines Knuddelkäterchen der ausgerechnet bei Polizist DogMan ein neues Zuhause gefunden hat. Er ist es auch, der den „Papa“ zum Guten, Ehrlichen, Hilfsbereiten animiert. Gar nicht so leicht in Anbetracht des Gefängnisumfeldes des großen Peteys. Die Dialoge sind herrlich schräg, besonders die „Kacka-Witze“ von Klein-Petey. Dazu gibt es wildgewordene Roboter, die klassisch unterbelichteten Helfer des Oberschurken und schlabbernde Liebe. Kinder werden diese völlig andere Art des Geschichtenerzählens lieben. Die New York Times ist schon lange von Dav Pilkey und seiner überbordenden Fantasie begeistert.

Dav Pilkey: Dog Man, Herr der Flöhe. Die Superhelden-Abenteuer Nr.5. 250 Seiten, gebunden, 14,5×21,5 cm, adrian 2020, ISBN: 978-3-947188-89-5, € 9,99, ab 8 Jahren

 

 

 

 


Eva

Eva Unterburg

Eva Unterburg schreibt wunderschöne Rezensionen über Kinderbücher und ist langjährige Freundin der Redaktion.

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