Seit genau zwei Jahren haben Eltern von unter Dreijährigen Anspruch auf einen Betreuungsplatz (Kita oder Tagesmutter). Einige Eltern, denen kein Platz angeboten wurde, zogen vor Gericht und bekamen Schadenersatz zugesprochen. Beispielsweise muss die Stadt Leipzig betroffenen Müttern den erlittenen Verdienstausfall von insgesamt 15.000 € erstatten, weil ohne Kita-Platz die geplante Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit scheiterte (LG Leipzig, Urteile vom 02.02.2015, noch nicht rechtskräftig). Dort wurde zwar ein Platz in einer Kita angeboten – allerdings 5,7 km vom Wohnort entfernt, quasi am anderen Ende der Stadt, mit öffentlichen Nachverkehrsmitteln nur in mehr als 30 Minuten erreichbar. Das ist nach Ansicht der Leipziger Richter unzumutbar, entlastet die Stadt also nicht.
In früheren Gerichtsverfahren ging es „nur“ um den Ersatz von Mehrkosten für eine private Einrichtung, auf die die Eltern ausweichen mussten. Im Jahr 2013 hatte das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 12.09.2013 – 5 C 35.12) einer Mutter Recht gegeben, die bei der Stadt Mainz einen Antrag auf frühkindliche Förderung ihres zweijährigen Kindes in einer kommunalen Tageseinrichtung gestellt hatte. Die Stadt hatte diesen Antrag abgelehnt, sodass die Mutter entschied, ihr Kind in einer privaten Elterninitiative betreuen zu lassen. Die Stadt Stuttgart wurde verurteilt, die Kosten für eine private – teurere – Kita zu übernehmen, nachdem Eltern für ihr Kind keinen Platz in einer städtischen Kita bekommen hatten (VG Stuttgart, Urteil vom 28.11.2014, Az. 7 K 3274/14).
Die Kommunen sind trotz zusätzlich zur Verfügung gestellter Mittel oftmals nicht in der Lage, einen Kita-Platz zur Verfügung zu stellen. Das liegt keinesfalls am fehlenden Willen, sondern an tatsächlichen Hindernissen, die trotz des frühzeitigen Vorbereitungsbeginns in 2004/2005 bestehen. Das größte Hindernis für die Kommunen ist der Fachkräftemangel (pädagogisches Personal und Zusatzkräfte). Letztlich soll die Betreuung ja nicht zur Massenabfertigung werden, sondern das gewünschte Qualitätsniveau erhalten bleiben. Die Ausbildung neuen Personals und die Werbung für den Erzieherberuf braucht viel Zeit und ist möglicher-weise zu spät in Angriff genommen worden. Die Suche nach „dem Schuldigen“ ist aber müßig. Vielmehr muss jetzt, solange die Wirklichkeit dem gesetzlichen Anspruch noch hinterherhinkt, Verständnis für die betroffenen Bürger aufgebracht werden, die fest mit einem Kita-Platz gerechnet hatten und leer ausgingen. Einzelheiten des Anspruches sind noch nicht höchstrichterlich geklärt. Das gilt zum Beispiel für die Frage, ob den Eltern ein Wahlrecht zusteht (Kita oder Tagespflegeperson) oder ob die Kommune den Anspruch erfüllt, wenn sie (irgend)einen zumutbaren Betreuungsplatz anbietet.
Rechtsanwalt Dirk Vollmer
Fachanwalt für Familienrecht
Dr. Schneider & Partner