Baustellensommer

Kolumne von Eva Unterburg

Grafik: Günter Land

Es ist Sommer! Baustellensommer, zumindest bei uns zu Hause. Seit gut zwei Jahren sirren die Kräne, kreischen die Kreissägen, rumpeln die Schuttmulden und piepsen die LKWs beim Rückwärtsfahren.

Dazu kommen die Lungenvolumen gestählten Stimmen der Bauarbeiter, die es gewohnt sind alles zu übertönen, was auf Baustellen Krach und Lärm macht. Und die selbst dann in voller Lautstärke miteinander kommunizieren, wenn man gerade nur das Vogelgezwitscher im Nachbargarten wahrnehmen würde.

Auf die Weise könnte ich problemlos bei geöffnetem Fenster der ungarischen, polnischen und russischen Sprache mächtig werden. Da mich das Stimmengewirr in Kombination mit den mannigfaltigen Baustellengeräuschen nicht unerheblich von meinen sonstigen Arbeiten ablenkt, schließe ich die Fenster und erfreue mich der rasch steigenden Innenraumtemperaturen.

Wie schön, dass es der Baubranche offenbar gut geht und Menschen immer wieder neue Häuser errichten können oder ihre alten renovieren lassen. Und wie schön, dass immer wieder eine neue Generation baustellenbegeisterter Kinder nachwächst, die sich mit glänzenden Augen vom Buggy aus an jedem Bagger erfreut, der Erde von A nach B bewegt.

Neulich erlebte ich einen blondgelockten Dreijährigen, den seine Oma auf eine Baustellentour mitgenommen hatte. Unsere Wohngegend hat inzwischen offenbar Eventcharakter und ich überlege ernsthaft, ob ich daraus nicht eine Geschäftsidee entwickeln sollte.

Mit etwas logistischem und kommunikativem Geschick ließe sich sicher ein zuverlässiger Plan entwickeln, wann auf welcher Baustelle was passiert:

Montag Erdaushub mit schwerem Gerät, Dienstag Aufstellung eines Baukrans, Mittwoch Lieferung eines Fertigpools mittels Autokran über ein Hausdach, Donnerstag Außenputzarbeiten auf dem Gerüst, Freitag Abdeckung eines Daches.

Bei den Samstagen und bisweilen auch den Sonntagen müsste ich mit den Informationen eher sparsam umgehen, vermutlich gäbe es sonst Ärger mit den Eigentümern.

Solch ein wöchentlicher Newsletter wäre bei den Müttern in der straßenbahnerreichbaren Umgebung sicher ein willkommenes Gut. Wenn ich mit der Zeit gehe, käme natürlich auch eine Baustellen-App in Frage.

Etwas kulinarisch aufgewertet mittels einer kleinen Cafébar, eines mobilen Eisstandes oder einiger tragbarer Liegestühle ließe sich aus diesem Projekt sicher erheblicher finanzieller Gewinn schlagen.

Außerdem käme man ganz zwanglos ins Gespräch und es entstünden sicherlich nach und nach Freundschaften unter den Familien. Das Stadtviertel würde sozial aufgewertet, man bekäme Fördergelder, würde vielleicht sogar zum Kinderprojekt des Jahres gewählt. Selbst die offiziellen Integrationsstellen der Stadt wären begeistert ob der entstehenden Kontakte zwischen Bauarbeitern und begeisterter Zuschauerschaft. Endlich würden die schweren Arbeitsbedingungen auf dem Bau ins öffentliche Bewusstsein drängen und der Arbeitsschutz könnte greifen, wenn die armen Männer bei 40 Grad auf den Dächern stehen oder bei Wind und Regen fast vom Gerüst geblasen werden.

Frisch auf ans Werk! Ich werde mich gleich mal im Internet nach einer mobilen Cafébar erkundigen und beim Weg ins Museum ein kleines Schwätzchen mit dem Bauleiter über den Werdegang der nächst gelegenen Baustelle halten. Vielleicht sehen wir uns ja bald dort! Und falls mein Projekt nicht zustande kommen sollte, hält die Stadt Karlsruhe ja genügend Alternativen rund um den Marktplatz bereit.


Eva

Eva Unterburg

Eva Unterburg schreibt wunderschöne Rezensionen über Kinderbücher und ist langjährige Freundin der Redaktion.

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