Der zweite Teil meiner Mini-Serie ist 2016 erschienen. Heuer geht es endlich weiter! Ich wünsche allen Freunden meine Kolumne viel Spaß, ausreichend Zeit und… geruhsame Weihnachten!
Pflichttermine
„Rasch! Zieht euch an, Kinder, sonst kommen wir zu spät zum Weihnachtsessen bei Oma Klara!“, keucht Sandra F., Mutter der sechsjährigen Zwillinge Lena und Beni aus Karlsruhe-Rüppurr. „Außerdem“, setzt Mom hektisch noch obendrauf, „müssen wir vorher noch irgendein Geschenk einkaufen!“
Postwendend kommt vom anderen Ende des Zimmers, vom „Standort Papa“, dumpfes Gebrummel: „Wenn der ganze Zirkus nur schon vorbei wäre!“ Der gute Mann packt allerdings sowieso gerade gehorsam „irgendein Geschenk“ ein. Da ist wohl jemand not amused über den mittlerweile schon sechsten Pflicht-Besuchstermin in der diesjährigen „stillen Familien-Zeit“. Vielleicht schlägt ja aus der KARLSRUHER KIND-Leserschaft soeben manch ein mitfühlendes Herz mit dem armen Mann? Na also, dann haben wir ja auch schon den richtigen Draht zueinander gefunden!
Ihr Mitgefühl, liebe Leser, wird aber gleich noch anwachsen, wenn wir auch heimlich in die Gefühlswelt der Kids hineinhören: Wie geht es Weihnachtsprinzessin Lena und ihrem Prinzenbruder so mittendrin im hausgemachten Advent-Stresszustand ihrer Eltern? Beispielsweise denkt Lena gerade: „Mom ist ungeduldig, Paps schlechter Laune? Wie jetzt? Haben Beni und ich etwas falsch gemacht?“
Schuldig
Ja, so ist das mit allen Kids dieser Welt: Sie fühlen sich augenblicklich gleich an allem schuldig, wenn’s rund um ihre geliebten Bezugspersonen unrund wird. Aber wer würde ausgerechnet in der Weihnachtszeit an solcherlei seltsame Verstrickungen in zwei quirligen Kinderseelen denken? Dabei ist das durchaus nichts Neues! Fachleute haben für diese ganz typische kindliche Denkweise sogar einen klangvollen Ausdruck: Fehlverknüpfung.
Mit diesem etwas sperrigen Begriff sind wir auch schon bei meiner ersten Vorweihnachts-Fürbitte zugunsten Lena & Beni: „Mögt ihr Beiden bitte bloß nicht eure Familien-Weihnachtszeit mit nachhaltig-negativen Gefühlen verknüpfen! Amen!“
Wir „erleiden“ Weihnachten…
…hat vor einmal die Süddeutsche Zeitung getitelt und dabei speziell für die Vorweihnachtszeit zu behutsamem, aber mutigem Umdenken aufgerufen.
Aus verhaltenspädagogischer Sicht kann ich dabei nur herzhaft zustimmen, weil es erstaunlich oft unsere Kinder sind, die Weihnachten manchmal eher „erleiden“ müssen, zumeist, ohne dass wir es bemerken.
Bei unserem netten Zwillingspärchen hat Santa-Saus auch schon unbemerkt das Steuer übernommen: Irgendwie spüren die zwei hochsensiblen Kinder, dass etwas in den letzten Wochen völlig unverständlicherweise nicht rund läuft mit ihren geliebten Eltern… Das ist durchaus mit „vorweihnachtlichem Leiden“ gleichzusetzen. Nicht selten formulieren Kinder ihr „Leid“ dann auch aus. Gestern zum Beispiel, hat die mutige kleine Lena sogar ihre erste ganz klare Vorweihnachts-Beschwerde ausgesprochen: „Papi, warum spielst du nicht mehr mit uns?“ Klar steckt dahinter nicht generell ein Aufbegehren einer Sechsjährigen gegen Weihnachten, dafür aber umso stärker das eigentlich zu Herzen gehende Empfinden von verloren gegangener, gemeinsamer Zeit.
Den „absolut notwendigen Dauerstress“, zu dem noch die Pflichtfeiern an den jeweiligen Arbeitsstätten der Eltern kommen, können Kinder in dem Alter nicht annähernd nachvollziehen. Klar soweit?
Stressgleichung
Dabei ist Stress ja eine ganz einfache Gleichung: Der Mensch gerät in Stress, wenn Anforderungen an ihn gestellt werden, denen er in der gegebenen Zeit nicht gerecht werden kann. Soweit ist das den meisten von uns sicher klar. Und dennoch: Gerade an Weihnachten muten wir uns zu, über die alltäglichen Verpflichtungen hinaus, unbedingt auch noch unzählige weitere Aufgaben unter heftigem Zeitdruck erledigen zu müssen, die wir genau genommen gar nicht erledigen wollen.
Doch jetzt die frohe Weihnachtsbotschaft an alle, die ihr mühselig und beladen seid: Niemand zwingt uns in Wahrheit dazu, uns auf den Weihnachtsstress überhaupt einzulassen und unsere Kinder ungefragt auf diesen „Trip“ mitzunehmen! Es ist bloß ein Einklinken auf Normen, Klischees und selbstverordnete Zwänge. Da es aber am Allerwenigsten unsere Kinder sind, die uns diesen Wahnsinn verordnen, darf es gerade ihnen zuliebe auch dann und wann schon mal ein sanfter Tritt in den Allerwertesten von unserem hoffentlich bald arbeitslosen Santa-Saus sein.
Genießen dürfen Sie Weihnachten trotzdem aus tiefstem Herzen, vor allem aber ein wenig mehr nach dem wahrscheinlich eher „gemütlichen“ Herzen Ihrer Kinder!
Sie werden es mögen!
Top-Tipps
• Machen Sie sich selbst rechtzeitig klar, in welcher Form sie sich den Feiertags-Marathon eigentlich vorstellen, und kommunizieren Sie dies auch rechtzeitig mit möglichst vielen Familienmitgliedern, besonders auch ihren Kindern.
• Bremsen Sie rechtzeitig das Aufkommen eines verwandtschaftlichen Wettlaufs im gegenseitigen Übertreffen bei der Geschenke-Auswahl. Bespielsweise könnten Sie mit etwas Mut Tante, Onkel & Co. erklären, dass Sie das jeweils teuerste Geschenk gar nicht an die Kinder weiterreichen werden.
• Teilen Sie Erledigungen rechtzeitig unter allen Familienmitgliedern auf. Auch kleinere Kinder können ihren Beitrag zur frühzeitigen Weihnachtsvorbereitung schon spielerisch leicht erfüllen.
• Was spricht eigentlich dagegen, ein Weihnachtsgeschenk für Tante Klara schon im März einzukaufen? Nicht, weil es auf dem Programm steht, sondern weil ihnen einfach jetzt danach ist!
Ihre Kinder werden es lieben…