Große Entdeckungen im Kleinen: Wer mit der Lupe schaut, lernt genau hinzusehen – eine Schlüsselkompetenz in der frühen MINT-Bildung.
Was haben ein tropfender Wasserhahn, ein fallender Apfel oder eine Kiste voller Bauklötze gemeinsam? Für viele Erwachsene: nichts Besonderes. Für Kinder ist es jedoch ein Tor zu einer Welt voller Fragen und Wunder. Genau hier setzt die MINT-Bildung an – ein Akronym für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Sie beginnt mit Staunen, Experimentieren und dem Mut, Fragen zu stellen. In der AWO Kita SieKids Villa Pusteblume im Karlsruher Stadtteil Knielingen, direkt neben dem Siemens-Standort, ist genau dieses Staunen Teil des pädagogischen Alltags. In sechs Gruppen werden 83 Kinder im Alter von einem bis sechs Jahren begleitet und unterstützt – die Hälfte der Plätze steht Kindern von Siemens-Mitarbeitenden zur Verfügung. Die Kita hat ein naturwissenschaftliches Profil und kombiniert dies mit einer bilingualen Ausrichtung (Deutsch-Französisch).
Wie lebendig dieser Ansatz im Alltag verankert ist, zeigte sich besonders während der Projektwoche im Juni zum Thema „Zukunftsenergie“. Sie fand im Rahmen der bundesweiten MINTmachtage der Stiftung Kinder forschen statt. Unter dem Motto „ZZZAP! BÄM! Mit Energie in die Zukunft“ entwickelten die Kinder eigene Fragen, experimentierten und entdeckten die Welt der Energie – neugierig, wie sie nun mal sind. „Doch diese Neugier bekommt durch gezielte pädagogische Begleitung eine neue Tiefe“, erklärt Esther Marggrander, Geschäftsbereichsleitung Kindertagesstätten bei der AWO Karlsruhe gemeinnützige GmbH. Warum fliegt ein Ballon, wenn man ihn loslässt? Warum fallen Bauklötze um? In der Kita wird dieses Staunen zur Methode – und führt zu Erkenntnissen über die unsichtbaren Wirkmechanismen des Alltags. Die pädagogischen Fachkräfte verstehen sich dabei als Lernbegleiterinnen und -begleiter auf Augenhöhe. Ein besonders bedeutender Schritt auf diesem Weg war die Zertifizierung als „Haus, in dem Kinder forschen“. Vergeben wird diese Auszeichnung vom Karlsruher Netzwerk der Stiftung Kinder forschen, das vom Arbeitgeberverband Südwestmetall getragen und vor Ort von der BBQ Berufliche Bildung gGmbH koordiniert wird.
Beim gemeinsamen Erkunden von Naturmaterialien wird das Staunen zur Methode und pädagogische Begleitung zum Teil des Lernprozesses.
Die Grundlage für das Zertifizierungsverfahren bilden wissenschaftlich fundierte Qualitätskriterien – entwickelt von Prof. Dr. Wolfgang Tietze und Prof. Dr. Jörg Ramseger – und überprüft durch eine externe Studie der Freien Universität Berlin. Die Auszeichnung würdigt das hohe Engagement der pädagogischen Fachkräfte und ihre kontinuierliche Fortbildung, mit der sie Kindern das Forschen und Entdecken im Kita-Alltag ermöglichen. Besonders Edwina Fuchs, pädagogische Fachkraft und Beauftragte für den Bereich „Forschen und Experimentieren“, hat diesen Weg in der Kita SieKids Villa Pusteblume früh initiiert und maßgeblich vorangetrieben.
Dass diese Haltung kein Zusatzprogramm ist, sondern tief im pädagogischen Selbstverständnis der Einrichtung verankert ist, spiegelt sich auch im baden-württembergischen Orientierungsplan für Bildung und Erziehung wider. „Beim Forschen werden nahezu alle Bildungsbereiche angesprochen – von Sprache über Denken bis hin zu den Sinnen“, betont Anne Ziegeldorf, Leiterin der Kita SieKids Villa Pusteblume. MINT-Bildung wird so zu einem Schlüssel zur Welt – kindgerecht, nachhaltig und zukunftsorientiert. Und auch wenn die Projektwoche längst vorbei ist, bleibt das forschende Lernen lebendig: bei jedem Tropfen Wasser, jedem fallenden Blatt. Denn Forschen ist kein Projektthema, sondern ein Bildungsprinzip. Hinter jeder Kinderfrage steckt der Anfang einer Erkenntnis – für das Kind und die Fachkraft. Gute MINT-Bildung beginnt mit der Bereitschaft, gemeinsam zu staunen. Und so wird selbst ein tropfender Wasserhahn wieder zu dem, was er für Kinder immer war: eine Einladung, die Welt zu entdecken.
Fotos: Awo Karlsruhe | AdobeStock_1159134159 | AdobeStock_1398851900
