Elternschaft. Mutterschaft. Vaterschaft. Sorgerecht. Erziehung. Das klingt alles so sauber, förmlich und strukturiert. Achtung Spoiler: Die Geburt eines Kindes und die darauffolgenden Jahre sind alles andere als das. Sie sind chaotisch, laut, unplanbar, dreckig, absolut unförmlich, ursprünglich und – Jesus – ich hatte noch nie mit so vielen verschiedenen Körperflüssigkeiten zu tun, seit ich Kinder habe. Elternschaft bringt dich zurück an den Ursprung des Menschseins. Wenn du morgens aufstehst, schlurfst du müffelnd in Unterhose mit schlabbrigem Stillshirt auf leisen Sohlen zur Kaffeemaschine… pssst! Nur nicht die wilden Raubtiere aufscheuchen. Noch zwei Minuten nur ich und das müffelnde Schlabbershirt. Inhale, exhale. Zähneputzen? Zu riskant… die Kinder könnten aufwachen und es nimmt eh zu viel Zeit in Anspruch. Haare kämmen? Ach, die paar Dreads können auch nächste Woche noch raus. Frisches Shirt? Niemals. Die Fütterung steht noch bevor. Und schon ertönt der erste Schrei des Raubtiers. Es hat Hunger. Schnell! Wir müssen dem Raubtier Nahrung bieten, bevor der Hunger es übermannt und das Muttertier angreift! Während das Raubtier isst, was es am liebsten mag, und den Rest einfach zu Boden wirft, überlegen die Eltern, wie der Tag nun gestaltet wird. Die Höhle verlassen? Puh, das hört sich nach viel Stress an. Erst müsste man sich salonfähig machen… wer bespaßt währenddessen das Raubtier? Dann müsste ich das Raubtier salonfähig machen… aber selbst wenn dies geschafft wäre… wer weiß, welche Laune es heute hat. Niemand weiß, was passieren wird. Zu gefährlich. Bleiben wir lieber am warmen Feuer und versuchen, die Höhle etwas zu erhellen. Vielleicht kommt jemand aus dem Clan zu Besuch, kocht uns ein Süppchen und erzählt Geschichten.
Der alltägliche Wahnsinn der Elternschaft
Raubtier? Ursprung des Menschen? Höhle? Die übertreibt. Ja, das tue ich vielleicht. Aber doch muss ich manchmal daran denken, wenn ich an meine ersten Jahre als Mutter zurückdenke. Erst seit meine Kinder ein gewisses Alter erreicht haben, fühle ich mich der Zivilisation wieder gewachsen. Ich habe meine zehn Minuten morgens im Bad und kann mich fertig machen. Ihr lacht? Das war lange nicht der Fall. Zumindest nicht ohne ein Kind am Bein oder in der Trage.
Auch Gespräche zwischen mir und meinem Mann können langsam wieder stattfinden, ohne dass zeitgleich Sätze wie „Nimm die Hand aus dem Toaster“ oder „Nicht die Magnete in die Nase stecken“ das Gespräch ständig unterbrechen. Ich sage euch, was besser wird: Es wird besser, dass man gelassener wird. Und man wundert sich einfach über nichts mehr. Wirklich über nichts. Ich saß letztens auf dem Sofa und habe Wäsche gemacht, gegenüber am Esstisch haben die Kinder gespielt. Ich habe eine Sekunde auf meinen Unterhosenstapel geschaut und es gab einen riesigen Knall. Die Esstischlampe, die aus einem großen, langen, sehr schweren Ast besteht, krachte auf den Wohnzimmertisch. Die Kinder, zum Glück unversehrt, schauen mich mit großen Augen an. „Ich hab mich nur kurz drangehängt, wirklich nur kurz, um meine Puppe dranzuhängen. Es war nur kurz, Mama.“ Ich wusste gar nicht mehr, ob ich lachen oder weinen sollte. Und entschied mich fürs Lachen, da niemand verletzt wurde. Also, liebe Eltern, selbst Dinge, die scheinbar sicher vor Kindern sind… sie sind es nicht. Glaubt mir.
Beziehungspflege trotz Windelbergen und Chaos
Mein Mann und ich haben ein einziges Beziehungs-Credo: Keiner schläft mit den Kindern ein. Und wenn, wird er oder sie gnadenlos geweckt. Der Abend ist unsere Zeit. Selbst wenn man nur noch mit Streichhölzern die Augen offen halten kann, treffen wir uns auf dem Sofa. Ein paar Worte. Manchmal auch keine Worte. Manchmal auch eine Serie und einfach nur da sein. Aber heute weiß ich: Ohne dieses gemeinsame Zusammenkommen am Abend wäre das Beziehungskonto heute noch leerer. Elternschaft. Es ist romantisch, schön, vertraut und unglaublich zusammenschweißend. Man erlebt unglaublich intensive Zeiten. Aber es ist auch extrem belastend, überfordernd und kann ganz schnell jegliches Gefühl von Paarsein unter einem immensen Windelberg begraben. Die Plusbuchungen auf dem Beziehungskonto können schnell nicht mehr mithalten mit den ganzen Abzügen, die alltäglich eingehen. Man braucht viele Plusbuchungen, um die täglichen unerfüllten Bedürfnisse, Kompromisse, Stress, Streits, Auseinandersetzungen und die vielen Worte, die nie zu Ende gesprochen werden können, weil ein Kind jetzt gerade Hilfe benötigt und das dringende Gespräch im Alltag verschluckt, auszugleichen. Zu viele. Und diese Plusbuchungen kommen nur, wenn das müffelnde Höhlentier wieder Kraft hat, die Höhle zu verlassen. Und das braucht manchmal Zeit. Elternschaft braucht Zeit. Paar bleiben auch. Gebt euch Zeit und seid gut zueinander.