Endlich Sommerferien! Damit beginnt für viele Familien die Reisezeit. Einfach mal die Seele baumeln lassen, Sonne tanken und Zeit mit den Liebsten genießen…so stellen sich wohl die meisten die langersehnte Urlaubszeit vor. Doch was, wenn bereits am Flughafen die Vorfreude durch stundenlanges Warten am Gate getrübt wird oder die Erholung bereits am Rückflughafen verpufft, da der Flieger Verspätung hat?
Um das Warten am Flughafen erträglicher zu machen, haben festsitzende Urlauber bereits vor Ort erste Ansprüche, die sie gegenüber der Airline geltend machen können. Grundvoraussetzung hierfür ist jedoch, dass die EU-Fluggastrechte-Verordnung (Nr. 261/2004) Anwendung findet. Dies ist der Fall, wenn der gebuchte Flug von einem europäischen Flughafen startet oder es sich um einen Flug einer EU-Fluggesellschaft handelt, der als Ziel ein EU-Land hat. Zudem muss sich der Urlauber – wenn nichts anderes vereinbart wurde – spätestens 45 Minuten vor Abflug zur Abfertigung eingefunden haben.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, stehen dem Passagier je nach Flugstrecke bei einer Verspätung ab zwei Stunden Betreuungsleistungen zu. Davon umfasst sind Mahlzeiten und Erfrischungen (meist in Form von Verpflegungsgutscheinen) und zwei unentgeltliche Telefonate bzw. Faxe/E-Mails. Wird durch die entstandene Wartezeit eine Übernachtung notwendig, muss die Airline auch für anfallende Hotelkosten sowie den Transfer zum Hotel aufkommen.
Ab drei Stunden Flugverspätung am geplanten Zielflughafen steht dem Passagier nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch ein Anspruch auf Entschädigung zu. Dabei ist zu beachten, dass nicht die Abflugverspätung sondern die Ankunft am Reiseziel entscheidend ist. Hinsichtlich der Höhe der Entschädigung ist auf die Flugstrecke abzustellen. Die maximale Entschädigung beträgt laut EU-Verordnung bei einer Flugstrecke bis 1.500 km € 250, bei einer Flugstrecke von mehr als 1.500 km € 400 und bei einer Flugstrecke von mehr als 3.500 km € 600.
Da lange Reisen mit Kindern zweifelsohne anstrengend sein können und gerade die jungen Passagiere bei stundenlangen Wartezeiten ungeduldig werden, stellt sich für Eltern immer wieder die Frage, ob auch ihr Nachwuchs ein Anrecht auf die Entschädigung hat.
Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Urteil vom 17.03.2015 (Az. X ZR 35/14) hierzu entschieden, dass Fluggäste – vorliegend Kinder – die kostenlos befördert werden, nicht unter den Anwendungsbereich der EU-Fluggastrechte-Verordnung fallen und somit keinen Anspruch auf eine Entschädigung haben. Haben die Eltern jedoch für ihr mitreisendes Kind etwas bezahlt und sind sie im Besitz einer bestätigten Buchung, so steht den mitreisenden Kindern unabhängig von einem eigenen Sitzplatz ein Anspruch auf Entschädigung zu (vgl. Landgericht Stuttgart, Urteil vom 07.11.2012 -13 S 95/12). Es kommt daher immer auf den konkreten Einzelfall an, ob dem Nachwuchs bei Flugverspätung der Anspruch auf Entschädigung zusteht.
Da stellt sich nur noch die Frage, warum Fluggesellschaften die Entschädigungsansprüche so oft zurückweisen. Dies liegt an Art. 5 Abs. 3 der EU-Fluggastrechte-Verordnung. Demnach sind die Airlines nicht zur Leistung der Entschädigung verpflichtet, wenn sie nachweisen können, dass die Flugverspätung auf sogenannte außergewöhnliche Umstände zurückzuführen ist. Im Volksmund besser bekannt als „höhere Gewalt“. Die Verordnung definiert die außergewöhnlichen Umstände jedoch nicht näher, weshalb vor allem die Rechtsprechung die Auslegung diesbezüglich prägt. So hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 04.05.2017 (Az. C 315/15) bspw. entschieden, dass die Kollision eines Flugzeugs mit einem Vogel sowie die dadurch eventuell verursachte Beschädigung nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit der Fluggesellschaft ist und von dieser auch nicht tatsächlich beherrscht werden kann, wodurch der Europäische Gerichtshof in diesem Fall einen außergewöhnlichen Umstand angenommen hat. Die Airline musste vorliegend also keine Entschädigung leisten. Mit Urteil vom 17.04.2018 (Az. C-195/17 u.a.) entschied der Europäische Gerichtshof hingegen, dass zwar Streiks regelmäßig einen außergewöhnlichen Umstand begründen können, die massenhaften Krankmeldungen der Belegschaft aufgrund der Ankündigung einer unternehmerischen Umstrukturierung bei einer Fluggesellschaft jedoch keine ungewöhnliche Reaktion hierauf darstellen, dieser Umstand daher vom Flugunternehmen beherrschbar gewesen sei und somit gerade keinen außergewöhnlichen Umstand darstellt. Es kommt also auch diesbezüglich immer auf den genauen Einzelfall an.
Wichtig bei Flugverspätung: Bewahren Sie mögliche Beweise wie bspw. Buchungsbestätigung, Flugtickets, Rechnungen und Fotos gut auf. Lassen Sie sich zusätzlich von der Airline den Verspätungsgrund schriftlich bestätigen und tauschen Sie Ihre Kontaktdaten mit anderen Betroffenen aus.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine erholsame Urlaubszeit. Sollte Ihr Flug tatsächlich Verspätung haben, denken Sie an meine Tipps.
Vanessa Wiegert
Rechtsanwältin
Kuentzle Rechtsanwälte,
76227 Karlsruhe-Durlach
kuentzle-rechtsanwaelte.de