Gestern hatte ich einen sehr verwirrenden Tag. Mir sind die Stammtischparolen zu Covid-19 nur umso um die Ohren geflogen. Und obwohl ich von mir behaupten würde, recht gut über die aktuelle Situation informiert zu sein (da schlägt nun mal mein Beruf als Journalistin durch), habe ich gemerkt: Ich hatte in all den Gesprächssituationen einfach nicht genug coole Argumentationen zur Hand. Sarah mal sprachlos? Ja, da wundern sich jetzt einige!
Aber ich dachte mir: Vielleicht geht es Euch ja auch so. Denn es gibt einfach Themen, da hat man das Gefühl, das liegt doch alles klar auf der Hand – und ist dann völlig geplättet, wenn man Menschen trifft, die das auf die leichte Schulter nehmen (Klimawandel, Rechtsextremismus …). Deswegen habe ich mal einige Argumentationshilfen für Leute zusammengestellt, denen es so geht wie mir.
Was folgt wird nicht perfekt ausgewogen sein, nicht objektiv, nicht bis ins letzte Detail nachrecherchiert. Auch nicht vollständig. Ich vereinfache, damit man sich die Argumente leichter merken kann. Dabei kommt es zu inhaltlichen Unschärfen. Die Faktenlage ändert sich momentan nahezu stündlich, ist unübersichtlich und teilweise widersprüchlich. So be it – ich gehe das Risiko jetzt einfach mal ein. Ich stütze mich dabei auf seriöse Quellen, die ich aber nicht mehrfach gegenrecherchiert habe. Und ja, auch die können sich irren.
Stammtischparole Nr. 1:
„Mir doch egal, ob ich es kriege. Dann hab’ ich halt mal einen Schnupfen.“
Antwort: Das ist purer Egoismus. Aber wenn es soweit ist, bleib’ wenigstens zu Hause. Wie von Wissenschaftlern und Politikern tausendfach dieser Tage heruntergebetet, muss man auf andere achtgeben. Noch mal: Wenn’s bei Dir nur ein Schnupfen ist, kann’s für einen älteren Menschen oder jemanden mit Vorerkrankung potentiell tödlich sein. 80 Prozent der Infektionen verlaufen glimpflich. 20 Prozent aber nun mal nicht.
Halte bitte zwei Meter Abstand zu anderen. Wasche Dir die Hände. Wenn Du Dich krank fühlst, bleib’ wenigstens zu Hause. Je weniger Menschen es haben, desto weniger schwere Erkrankungen gibt es. Je weniger schwere Erkrankungen es gibt, desto weniger (Intensiv-)Betten werden in Kliniken belegt. Dann wird unser Gesundheitssystem damit fertig. Wäre doch schön! Denn wenn nicht, hoffe ich, dass Du nicht an etwas anderem Unangenehmen erkrankst. Die Klinik könnte zu dem Zeitpunkt am Limit sein. Wegen der Corona-Patienten, die Du vielleicht angesteckt hast.
Stammtischparole Nr. 2:
„Was machen die denn für eine Panik – die normale Grippewelle ist doch viel schlimmer!“
Antwort: Das kann momentan keiner so genau sagen. Es gibt aber Hinweise darauf, dass das Gegenteil der Fall ist. Auf jeden Fall ist Corona schwerer zu kontrollieren. Laut der WHO scheint die Sterberate höher zu sein als die der Grippe. Am 27. Februar (also in Corona-Zeitrechnung vor einer halben Ewigkeit) sagte Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts, das neue Coronavirus Sars-CoV-2 sei tödlicher als die Grippe. Unser Lieblingsvirologe von der Berliner Charité, Dr. Christian Drosten, bezifferte die Corona-Sterberate am 2. März auf 0,3 bis 0,7 Prozent – also sterben von 1000 Menschen drei bis sieben. Die Sterblichkeit bei der Grippe liegt bei unter 0,1 Prozent. Ein Vergleich der Krankheiten ist allerdings sehr schwierig. Zählweisen sind unterschiedlich. Und schließlich kommt es auch darauf an, wie gut das jeweilige Gesundheitssystem darauf vorbereitet ist. Man kann allerdings feststellen: Einiges an Corona ist ziemlicher Mist. • Erstens: Covid-19 verläuft nach aktuellem Wissensstand häufiger lebensbedrohlich als eine Grippe. 15 Prozent der Coronavirus-Infektionen verlaufen so schwer, dass Patienten zusätzlich mit Sauerstoff versorgt werden müssen. Bei fünf Prozent der Betroffenen ist sogar künstliche Beatmung nötig. • Zweitens: Es gibt, anders als bei der Grippe, noch keine Impfung. • Drittens hat ein Teil der Bevölkerung die Grippe schon durchgemacht, das heißt, es besteht ein gewisser Schutz. • Viertens: Bei einer Grippe merkt man innerhalb von zwei, drei Tagen, dass man krank ist. Bei Corona kann es bis zu 14 Tage dauern. In dieser Zeit kann man logischerweise viel mehr Menschen anstecken.
Stammtischparole 3:
„Ist doch albern, alles abzusagen und in den Öffis krieg ich’s dann.“ „
Antwort: Nein, das ist nicht albern, sondern notwendig. Es wird Frühling. Da ist es sowas von verständlich, dass man endlich in Straßencafés sitzen, Konzerte und Fußballspiele besuchen möchte. Ich auch. Aber man muss es ja nicht herausfordern. Die öffentlichen Verkehrsmittel tragen zur Erhaltung der Infrastruktur bei. Ärzt/-Innen, Pflegekräfte, Verkäufer/-innen etc. kommen mit ihnen zur Arbeit, zur Apotheke und zum Einkaufen. Deswegen verzichtet man momentan einfach leichter auf Konzerte und Fußballspiele.
Stammtischparole 4:
„Ich lass’ mir doch nichts vorschreiben“
Antwort: Glaube mir, nichts liegt der Politik ferner, als Dir den Spaß zu verderben. Unter normalen Umständen WILL die Politik UNBEDINGT, dass du jetzt die neueste Frühjahrsmode shoppst, ein Bierchen in deiner Lieblingsbar trinkst und mit ganz vielen anderen im Eiscafé sitzt. Das nennt sich Konsum. Und Konsum bedeutet eine starke Wirtschaft mit sprudelnden Steuereinnahmen.
Stammtischparole 5: „Die Medien bauschen alles auf!“
Antwort: Dann informiere dich über die Medien, denen Du vertraust. Es gibt seriöse Quellen, die man immer, wenn einem danach ist, konsultieren kann. Zum Beispiel das Robert Koch-Institut: www.rki.de/DE/Home/homepage_node.html. Darüber hinaus haben die einzelnen Bundesländer Info-Seiten im Netz eingerichtet.
Nein, What’s App ist unter Umständen keine seriöse Quelle.
Nachtrag: Der SPIEGEL-Korrespondent in China, Georg Fahrion, hat dort den Corona-Ausbruch miterlebt. Er sagte etwas sehr Kluges, das ich allen gerne ans Herz legen möchte: „Bei Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit ist es eben so: Wenn alle mitmachen und sie funktionieren, verläuft die Sache glimpflich, und dann sieht es im Nachhinein aus, als sei die ganze Aufregung übertrieben gewesen. Darauf sollten wir es ankommen lassen, finde ich.“
Bleibt gesund!