Wenn ChatGPT die Hausaufgaben erledigt

Wer kennt es nicht? Der Inhalt der soeben im Supermarkt gekauften Süßigkeitenpackung soll schnellstmöglich zwischen allen Familienmitgliedern gerecht aufgeteilt werden, um den ansonsten vorprogrammierten Streit schon im Keim zu ersticken. Denn gerade unsere Kleinsten haben bereits einen ausgeprägten Sinn für
Gerechtigkeit. 

Die fortschreitende Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI) hat einen bedeutsamen Einfluss auf unseren Alltag, auch im schulischen Umfeld. Insbesondere bei der Erstellung von Hausaufgaben gewinnt die Nutzung von ChatGPT als KI-Werkzeug an Beliebtheit. Doch wirft diese Praxis auch rechtliche Fragen auf, die Schulen und Schüler nicht ignorieren sollten. 

Bei der Frage, was Schüler erlaubterweise als „eigene Leistung“ angeben dürfen, muss zwischen den verschiedenen Prüfungssituationen unterschieden werden.

Bei Präsenzprüfungen spielt KI für sich betrachtet nur eine geringe Rolle. Denn KI setzt immer die Verwendung technischer Hardware voraus, z.B. des Smartphones. Üblicherweise verbieten Schulen ihren Schülerinnen und Schülern, bei Klassenarbeiten ein Smartphone zu benutzen oder es bei sich zu führen. Damit ist auch eine Nutzung von KI verboten. Wer dagegen verstößt, muss mit einer entsprechend schlechten Benotung rechnen.

Interessanter ist die Frage, wie es bei häuslichen Arbeiten aussieht, insbesondere wenn diese benotet werden. Grundsätzlich ist die Verwendung einer künstlichen (fremden) Intelligenz prüfungsrechtlich nicht anders zu bewerten als die Verwendung einer „nichtkünstlichen“ fremden Intelligenz (vgl. Birnbaum: ChatGPT und Prüfungsrecht, NVwZ 2023, S. 1127). Wenn in der jeweiligen Prüfungsordnung vorgeschrieben ist, der Prüfling müsse die Leistung ausschließlich selbst erbringen, muss der Prüfling genau das tun. Andernfalls stellt sein Verhalten eine Täuschungshandlung dar – egal ob sein abgelieferter Text von einer KI oder einem hilfsbereiten Mitschüler verfasst wurde. Anders kann es sich darstellen, wenn Schülerinnen und Schüler KI zu Recherchezwecken nutzen oder nur einzelne Formulierungsvorschläge durch die KI ausarbeiten lassen. Hier müsste dann im Einzelfall mit der Lehrkraft geklärt werden, ob und inwieweit solche Unterstützungen zulässig oder gar gewollt sind. Auch ist zu klären, inwieweit offengelegt werden muss, dass KI bzw. zu welchen Zwecken KI benutzt wurde. Wenn eine Offenlegung erfolgt, kann der Schülerin oder dem Schüler jedenfalls keine Täuschung im rechtlichen Sinne mehr vorgeworfen werden. Gleichwohl ist natürlich eine schlechtere Bewertung möglich, wenn die Nutzung der KI über das von der Lehrkraft zugestandene Maß hinausgeht.

Der eigentliche „Reiz“ an KI-Werkzeugen wie ChatGPT ist jedoch, dass es bislang kaum Mittel gibt, die Nutzung tatsächlich nachzuweisen. Aus anwaltlicher Sicht sei verraten: einen gerichtsfesten Nachweis, ob ein Text tatsächlich aus der Feder von ChatGPT stammt, gibt es bislang nicht. Zwar gibt es sogenannte Plagiatssoftware, die Texte auf Ähnlichkeiten mit bestehenden Texten überprüft. Diese benötigt jedoch einen vorhandenen Referenztext, d.h. einen Text, der im Web bereits vorhanden ist. Da dieser bei ChatGPT aber immer neu erstellt und nicht gespeichert wird, kommt klassische Plagiatssoftware an ihre Grenzen. Es ist durchaus denkbar, dass künftig eine KI programmiert wird, die hilft, KI-generierte Texte aufzufinden. Auch im Rahmen des derzeit laufenden Gesetzgebungsverfahren auf europäischer Ebene werden entsprechende Regelungen diskutiert – bis hin zu einer Kennzeichnungspflicht für KI-generierte Inhalte. Bis es so weit ist, werden sich Schüler, Schülerinnen und Schulen mit dieser neuen Technik arrangieren müssen. Auch nachdem Ende der 1970er Jahre der „neuartige“ Taschenrechner in den Schulen eingeführt wurde, wurde Mathematik weiterhin geprüft, nur eben anders. Insofern sollten wir gelassen bleiben und uns klar machen, dass diese Technik uns allen den Alltag erleichtern kann. Das gilt nicht nur für Schülerinnen und Schüler, sondern für alle, die hin und wieder Texte verfassen müssen. Übrigens: Ist Ihnen aufgefallen, dass der erste Abschnitt dieser Kolumne vollständig mit ChatGPT erstellt wurde?

Patricia Menn | Fachanwältin für IT-Recht | Beinert & Partner Rechtsanwälte, Partnerschafts mbB


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