Meine Haare! Allein darüber könnte ich ein Buch schreiben, doch das möchte ich Ihnen an dieser Stelle wirklich ersparen. Dieses wüste Durcheinander auf meinem Kopf scheint ein Eigenleben zu führen, von dem ich nicht die geringste Ahnung habe. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, ist meine Mähne auch noch feuerrot! Wobei ich zugeben muss, dass ich heute damit sehr gut leben kann, doch als Kind ging ich durch das Tal der Tränen.
Manchmal frage ich mich: Gibt es sie wirklich, diese Frauen, die angeblich mit ihrer Haartracht rundum glücklich und zufrieden sind? Deren Frisur immer genauso aussieht, wie sie soll, ob morgens, mittags, abends oder nachts? Die selbst bei Wind und Wetter stets wie frisch gestylt wirken? Die, wenn sie zum Friseur gehen, entspannt lächelnd dasitzen, während der Maestro – entzückt ob dieses wundervollen Arbeitsmaterials – wahre Kunstwerke daraus kreiert? Und die dann strahlend schön aus dem Salon schweben, natürlich unter den neidvoll-bewundernden Blicken zufälliger Passantinnen? So etwas möchte ich auch mal erleben! Meine Erfahrungen mit meinen Haaren waren schon früh eher frustrierender, wenn nicht gar traumatischer Natur. Angefangen hat es, als ich sechzehn war. Ich ließ mir meine erste Dauerwelle machen. Ach, was war ich voller naiver Hoffnung: Ganz bestimmt würde ich damit umwerfend aussehen. Das Ergebnis warf mich tatsächlich um: Nicht sanfte, weiche Locken umrahmten mein Gesicht, so wie ich mir das vorgestellt hatte – nein, ein undefinierbares Wuschelknäuel stand fast waagerecht von meinem Kopf ab. Irgendwie fühlte ich mich an den alten Wischmopp meiner Großmutter erinnert.
Von da an war ich – zumindest was Haarfrisuren anging – weniger experimentierfreudig. Lange Zeit trug ich, als die Krause endlich herausgewachsen war, denselben Nullachtfünfzehn-halblang- Schnitt: nicht gerade aufregend, aber eben altbekannt-bewährt. Viele Jahre war ich damit ganz zufrieden. Doch irgendwann hat frau genug von altbekannt-bewährt. Mich überfiel es ganz spontan an einem herrlichen Tag im Mai beim Einkaufsbummel: Zur neuen Frühjahrsgarderobe musste ein neuer Haarschnitt her. Endlich mal anders aussehen: aufregend, peppig, sexy. Und zwar sofort! Kurz entschlossen betrat ich den nächsten Friseursalon. Da saß ich nun, und ich weiß nicht, ob es an der günstigen Beleuchtung lag oder ob der Spiegel schmeichelte – aber eigentlich fand ich meine alte Frisur auf einmal gar nicht mehr so übel. Sollte ich wirklich? Doch für solche Überlegungen war es zu spät: der Coiffeur wusch, schnitt, föhnte, stylte und ich sah ihm mit wachsender Anspannung dabei zu.
War das so besprochen? Hatte ich das so gewollt? Was um alles in der Welt treibt der denn da? Nein, nicht noch mehr abschneiden! Keine Föhnwelle bitte und auch keine bunten Strähnen! Ich litt Höllenqualen. Dann war ich endlich fertig und beäugte meinen neuen Look skeptisch. Anders sah ich jetzt auf jeden Fall aus, ziemlich anders sogar. So anders, dass es sogar meinem Mann auffiel, als ich nach Hause kam. Mit offenem Mund starrte Paul mich an. Hingerissen? Bewundernd? Von wegen! „Mach dir nichts draus“, sagte er mit tröstender Stimme und zupfte an meinen kurzen Fransen, „die wachsen ja wieder nach!“ Dann kam mein Sohn Benjamin um die Ecke geflitzt. Als er mich sah, blieb er wie vom Blitz getroffen stehen: „Mama, mach das bitte wieder weg!“ Schockiert zeigte er auf meinen Kopf. Es brauchte eine Weile, bis ich meinem dreijährigen Sohn erklärt hatte, dass das leider nicht ganz so schnell geht.
Inzwischen bin ich wieder bei altbekannt-bewährt angelangt. Und wenn mir mal nach Veränderung ist, dann kaufe ich mir eine dieser Frauenzeitschriften mit Tipps und Tricks für dreiunddreißig trendige Hochsteckfrisuren. Zu Hause hocke ich dann mit der Zeitung vor dem Spiegel und mache alles genau so wie beschrieben. Ich teile einzelne Strähnen ab, drehe sie sanft um den Finger und stecke das Ganze dann locker mit einer Haarklemme am Hinterkopf fest. Auf den Fotos sieht das immer ganz großartig aus und die Anleitung klingt so einfach, geradezu idiotensicher. Nur bei mir ähnelt das Ergebnis regelmäßig einem explodierten Sofakissen! Und wenn Benni mich dann mit verzagter Miene anschaut, kann ich ihn sofort beruhigen und versprechen, dass ich in fünf Minuten wieder so aussehe wie immer. Wenigstens das hat bis jetzt immer geklappt!
Autor: Doris Richter