Asylbewerber in Karlsruhe

Editorial zur Mai-Ausgabe 2015 von Karl Goerner

Karlsruher Kind Herausgeber Karl Goerner

Liebe Leserinnen und Leser,

diesmal habe ich’s mit Stimmen. Zwischen unserem Balkon und dem Lärmwall einer viel befahrenen Straße sind Kleingärten. Glücklicherweise! Keine strengen Schrebergärten, sondern Gärten mit Gemüse und Blumen, dafür ohne Zäune. Und genau in einem dieser Gärten hat sich vor einigen Tagen eine Nachtigall niedergelassen und singt. Das spätabendliche Fernsehprogramm, das mich ohnehin nicht zu Begeisterungsstürmen hinreißt, ist völlig belanglos geworden. Meist warte ich, bis meine liebe Gemahlin zu Bett gegangen ist und stehe dann mit einem Gläschen Rotwein fröstelnd auf dem Balkon und lausche. Es scheint fast so, als würde die Nachtigall Geräusche des Tages nacherzählen. Das Anlassen eines Motors oder die Melodie einer Radiowerbung. Ich sollte dringend mal einen Ornithologen befragen, ob das sein kann…

Eine ganz andere Stimme hatte ich dieser Tage am anderen Ende der Telefonleitung in unserer Redaktion: „Kennen Sie Eggenstein?“, fragte die Stimme, die sich nicht namentlich vorgestellt hatte. Nachdem ich bejahte, kam die unbekannte Dame zum Thema: „Da sollen jetzt Asylanten hinkommen, aber da wohnen Kinder!“ Echte Sorge lag in der Stimme. Ich ahnte, in welche Richtung das Telefonat laufen würde. Es war schon recht spät am Abend, ich war müde und hatte Hunger. Ich wollte heim. Ich bat die Dame am nächsten Tag zu den üblichen Bürozeiten noch einmal anzurufen, was nicht geschah.
Später – nach dem ersten leckeren Spargelessen des Jahres – musste ich noch lange über den Anruf nachdenken. Wir Eltern wollen natürlich unsere Kinder vor allen Gefahren und allem Ungemach bewahren, so auch sicherlich diese besorgte Mutter. Doch was veranlasst so viele Menschen, eine zunehmende Anzahl von Asylbewerbern als Bedrohung zu empfinden?

Es scheint mir die dumpfe Angst vor dem Fremden und Unbekannten zu sein, das auch die unsäglichen PEGIDA- und KARGIDA-Anhänger umtreibt. Sollten wir nicht eher froh sein, etwas für die Menschen tun zu können, die vor Verfolgung auf oft sehr gefährlichen Wegen flüchten, ihre Heimat und ihre Familien verlassen um zu überleben? Sollten wir nicht eben dies unseren Kindern erklären und uns vorurteilsfrei den Menschen nähern, die jetzt eben hier sind?

Vielleicht zwitschert mir „unsere“ Nachtigall in einer der nächsten Nächte die Antwort auf all diese Fragen…

Hören Sie einfach mal hin, wenn das Leben zu Ihnen spricht!
Zuerst aber viel Spaß
beim Schmökern in Ihrem
neuen KARLSRUHER KIND!

unterschrift


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