Mütter und Väter stehen für die Zeit, in der sie Elternzeit in Anspruch nehmen, unter dem besonderen Schutz des Gesetzes, hier des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG). Deshalb darf Ihnen während einer Elternzeit nicht gekündigt werden (§ 18 Abs. 1 S. 3 BEEG).
Für den Arbeitgeber kann die Gewährung von Elternzeit allerdings organisatorisch und personell durchaus eine Herausforderung sein: Woher bekommt er kurzfristig eine geeignete Vertretung, womöglich noch eine, die bereit wäre, eine nur zur Vertretung befristete Stelle anzutreten? In Zeiten des Fachkräftemangels für viele Branchen eine schwierige bis unlösbare Aufgabe. Und wenn dann sogar nur für relativ kurze Zeit Elternzeit beantragt und die Elternzeit vielleicht noch über mehrere Zeiträume aufgeteilt wird, ist das letztlich nur innerbetrieblich durch Mehrarbeit von Kolleginnen und Kollegen oder des Arbeitgebers selbst aufzufangen.
Daher könnte sich der eine oder andere Arbeitgeber bei Eingang eines Antrags auf Elternzeit versucht sehen, das Arbeitsverhältnis gleich ganz zu kündigen. Dann vermag er zumindest die Stelle neu unbefristet auszuschreiben. Diese Versuchung hat auch der Gesetzgeber gesehen und hat daher ergänzend zum Kündigungsschutz während der Elternzeit auch noch den sog. vorwirkenden Kündigungsschutz vor Beginn der Elternzeit geregelt (§ 18 Abs. 1 S. 1 und 2 BEEG).
Dieser vorwirkende Kündigungsschutz beginnt grundsätzlich direkt mit dem Eingang des schriftlichen Antrags auf Elternzeit beim Arbeitgeber. Er beginnt jedoch frühestens acht Wochen vor Beginn einer Elternzeit bei Elternzeiten in den ersten drei Lebensjahren des Kindes. Bei Elternzeiten zwischen dem dritten und dem achten Geburtstag des Kindes beginnt der Kündigungsschutz frühestens 14 Wochen vor Beginn einer Elternzeit. Diese Zeiten korrespondieren mit den gesetzlichen Antragsfristen: Denn Elternzeit für einen Zeitraum in den ersten drei Lebensjahren des Kindes muss spätestens sieben Wochen und Elternzeit für einen Zeitraum zwischen dem dritten und dem achten Geburtstag des Kindes muss spätestens 13 Wochen vor Beginn der Elternzeit schriftlich verlangt werden. Arbeitnehmer haben also immer eine „Karenzfrist“ von einer Woche, in der sie einerseits rechtzeitig Elternzeit beantragen können, andererseits bereits im Moment der Abgabe des Antrags den Kündigungsschutz des BEEG genießen.
Praktisch relevant wird dieser vorwirkende Kündigungsschutz häufig vor allem für Väter, die die sogenannten „Vätermonate“ als Elternzeit nehmen möchten. Denn Mütter, die direkt im Anschluss an die Geburt Elternzeit nehmen, genießen bereits aus dem Mutterschutzgesetz noch Kündigungsschutz für die ersten vier Monate nach der Geburt. Soweit sie allerdings Elternzeit zu einem späteren Zeitpunkt verlangen, gilt der vorwirkende Kündigungsschutz natürlich auch für sie.
Rechtlich umstritten ist dabei, wie es um den vorwirkenden Kündigungsschutz steht, wenn die Elternzeit auf mehrere Teilabschnitte aufgeteilt wird (maximal sind drei Teilabschnitte ohne Zustimmung des Arbeitgebers zulässig). Die ältere Rechtsprechung war der Meinung, dass dann der vorwirkende Kündigungsschutz nur vor Beginn des ersten Teilabschnitts greift.
Das Landesarbeitsgericht Rostock (Aktenzeichen 2 Sa 300/20) hat diese Frage nun im Fall eines Fitnesstrainers, der für den ersten und den dreizehnten Lebensmonat seines Kindes Elternzeit beantragt hatte und dem dann wenige Tage vor der zweiten Elternzeit gekündigt worden war, im Sinne eines verbesserten Kündigungsschutzes für Eltern entschieden: Danach greift der vorwirkende Kündigungsschutz von acht bzw. 14 Wochen nicht nur vor dem ersten, sondern jeweils vor jedem einzelnen Teilabschnitt. Dies gilt auch dann, wenn die Teilabschnitte – wie im Fall des Fitnesstrainers – gleich einheitlich in einem einzigen Antrag beantragt werden.
Das entscheidende Argument des Landesarbeitsgerichts: 2014 hat der Gesetzgeber den Wortlaut der Vorschrift geändert. Zuvor hieß es, der Kündigungsschutz gelte „vor Beginn der Elternzeit“, jetzt heißt es an gleicher Stelle, der Kündigungsschutz beginnt „vor Beginn einer Elternzeit“. Aus dieser Änderung vom bestimmten zum unbestimmten Artikel leitete das Gericht ab, dass der Kündigungsschutz vor Beginn jedes Teilabschnitts der Elternzeit gelten müsse.
Rechtsanwalt Thomas Flum
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Beinert & Partner
Rechtsanwälte mbB