Wir sehen keine „Farben“, für uns sind alle Kinder gleich…

Das ist ein Satz, den viele BiPoC Menschen und Eltern von BiPoC Kindern immer wieder hören. Als ich ihn zum ersten Mal im Kontext Kita hörte, lächelte ich ihn weg, weil ich nicht wusste, wie ich darauf reagieren sollte bzw. wie ich mein Gegenüber darauf hinweisen sollte, wie problematisch diese Haltung ist. Eineinhalb Jahre später ging es zur Kindergarten-Anmeldung. Dieses Mal war ich vorbereitet! Glaubte ich zumindest. Ich fragte, wie es denn mit diversen Spielsachen in der Einrichtung aussehe und welche Bücher der Kindergarten hat? 

Jahre zuvor besuchte ein Mädchen mit Trisomie 21 den Kindergarten und damals hatte die Einrichtung ein oder zwei Bücher zum Thema Behinderung gekauft, sagte man mir stolz, für uns sind alle Kinder gleich, wir sehen keine Farben. Auweia, dachte ich mir, das kann ja was werden…

Mein Name ist Tala, ich bin eine alleinerziehende Mutter eines Kid of Color im Kindergartenalter und ich schreibe über Themen, die mir und meinem Kind als Ein-Elternfamilie häufig im Alltag begegnen. Den Anfang macht diese Kolumne, in der es um die Wichtigkeit von diversen Spielsachen und Büchern in den Spielzimmern unserer Kinder geht. Sei es zuhause oder in Einrichtungen, die sie besuchen. Ein Thema, das uns schon seit der Kita begleitet und bei dem ich die Auswirkungen des Mangels an meinem Kind sehen konnte. 

Kinder sind die wahren Helden der Mimesis. Ihren wachen Augen und Verständen entgeht einfach nichts. Sie ahmen nach und lernen so unsere Gesellschaft zu verstehen. Die kulturellen Bedingungen dieses frühen Lebens schreiben sich in die Körper der Kinder ein und werden so zum erlernten Kompass für ihr restliches Leben. 

Einfach gesagt: Was in der Kindheit passiert, prägt bis ins hohe Alter. 

Studien belegen sogar, dass Erfahrungen und Prägungen der Kindheit langfristige Auswirkungen auf das spätere Leben und die psychische Gesundheit eines Menschen haben können. Verletzende Erfahrungen belasten auch das Selbstbewusstsein der Kinder und können Spuren der Selbstzweifel hinterlassen. 

Daher ist es wichtig, dass wir uns als Gesellschaft dafür einsetzen, allen Kindern das Aufwachsen in einer sicheren und inklusiven Umgebung zu ermöglichen, soweit es im Rahmen unserer Möglichkeiten steht. Dazu gehört, dass alle Kinder in ihrer Fülle gesehen, gehört und mit ihren Erfahrungen und Gefühlen ernst genommen werden. Passiert dies nicht, trägt es dazu bei, dass sich Kinder fehl am Platz oder gar fremd fühlen. Eine besondere Verantwortung tragen daher Eltern, Lehrer*Innen, Erzieher*Innen und andere betreuende Menschen. 

Als Eltern können wir in den heimischen Kinderzimmern mit der bewussten Wahl von Spielsachen und Lektüren beginnen. Gerade wenn es sich um weiße nicht- behinderte Familien handelt, ist es sehr wichtig! Aber auch Einrichtungen wie Kindergarten und Schule etc. haben die Verantwortung dem nachzukommen. Auf diese Weise ermöglichen wir es unseren Kindern spielerisch, Unterschiede zwischen Menschen kennen, schätzen und respektieren zu lernen. Kinderspielzeug- und Literatur sollte ein möglichst breites Spektrum an verschiedenen kulturellen Hintergründen, Religionen, Geschlechtern, Identitäten, Hautfarben, Familienformen und Fähigkeiten repräsentieren. Denn nicht alle Kinder sind gleich! Jedes Kind ist anders! Das hilft den Kindern, die Welt, in der sie leben, besser zu verstehen und einzuordnen. 

Abgesehen davon möchte jedes Kind gesehen werden! Die Auswirkungen fehlender Repräsentation und Sensibilität hat bei meinem Kind dazu geführt, dass es sich im Kindergarten nicht sicher gefühlt hat. Seine Bedürfnisse wurden gar nicht erst gesehen. Es musste erst ein rassistischer Vorfall passieren, damit der Vorhang fiel. Und soweit sollte es eigentlich gar nicht erst kommen.

Representation matters!

Ob unter- oder überrepräsentiert – Beide Szenarien prägen unsere Kinder. Die Ersten sind leider noch oft “die Anderen”, die da sind, aber nicht wirklich dazu gehören. Letztere sehen sich selbst als objektive, maßgebende Norm, die beobachtet, kategorisiert und benennt. Es entsteht ein Gefälle, in dem es Täter und Opfer gibt ohne zwingende Absicht. Internalisierte Benachteiligung und Bevorzugung im gleichen Atemzug. Ein Gefälle, das unseren Kindern auf unbewusste Art beibringt, es gibt „wertvolle“ Menschen und “weniger wertvolle” Menschen. Es gibt “normal” und “nicht normal”.

Achtung! Diese Vorstellungen von Wertigkeit und Normalität sind kulturell geprägt und beruhen nicht auf biologischen Fakten! Sie müssen hinterfragt werden. Letzten Endes, was ist schon normal? 

Wo fängt man an?

Zunächst dürfen wir unser Handeln und Denken kritisch beobachten und hinterfragen. Wir sind nicht perfekt und diesen Anspruch sollten wir auch nicht an uns haben. Durch unsere Sozialisierung tragen wir alle internalisierten Vorurteile und Glaubenssätze in uns, die wir erkennen und auflösen müssen. Unsere Kinder beobachten uns sehr genau und wir wollen Ihnen ein gutes Vorbild sein. 

Wir müssen betroffenen Menschen zuhören und sie ernst nehmen, uns weiterbilden und belesen. Nur so tragen wir zu einer besseren Zukunft für uns, unsere Kinder und alle anderen Menschen in dieser Gesellschaft bei. Als Eltern und betreuende Menschen sollten wir ein Umfeld schaffen, das von Inklusion und Respekt geprägt ist, und gleichzeitig die Fähigkeiten und Talente aller Kinder unterstützt. 

Bottomline: Durch das aktive Investieren in die Kindheit und das Umfeld der nächsten Generation können wir dazu beitragen, dass diese später besser aufgestellt sind und ganz nebenbei tragen wir dazu bei, eine bessere Zukunft für alle zu schaffen. Dazu gehört es eben, dafür zu sorgen, dass die Spielecken die tatsächliche Realität abbilden und nicht nur von Conni und Co. überschwemmt werden. 

Für uns war der Weg mit dem Kindergarten ein langer und auch schwerer Prozess, der sich am Ende für das Kind sehr gelohnt hat. Mittlerweile besitzt der Kindergarten mehr als nur ein bis zwei Inklusive Bücher und Spielsachen. Die Leitung hat begonnen, sich aktiv mit dem Thema Diversität, Inklusion sowie Anti-Rassismus auseinanderzusetzen und am Wichtigsten ist, dass mein Kind sich gesehen, gehört und sicherer fühlt. Etwas, das jedem Kind zusteht, ausnahmslos.

Ich bin keine Anti-Rassismus-Expertin noch Inklusionsbeauftragte. Am Ende des Tages bin ich nur eine Mutter, die miterlebt hat, was es mit ihrem Kind macht, sich nicht wie alle anderen Kinder in Büchern und Co. wiederzufinden. Es ist nicht die Aufgabe unserer Kinder, stark zu sein und entstandenen Schmerz einfach runter zu schlucken. Es ist die Aufgabe der betreuenden Erwachsenen dafür zu sorgen, dass es gar nicht erst dazu kommt und ein Teil davon ist Diversität im Kinderzimmer.

Viele tolle Expert*innen mit den unterschiedlichsten Kernthemen bieten die Möglichkeit zur Weiterbildung. Auch ich darf täglich sehr viel von ihnen lernen. 

Für jeden, der sich unsicher ist, welches Spielzeug denn geeignet ist, hier eine persönliche Empfehlung meinerseits: www.tebalou.de. Ein Onlineshop der sich komplett auf diverse Spiele und Literatur sowie Lernmedien spezialisiert hat. 


Nathalie

Nathalie Wache

Nathalie Wache ist Designerin und Social Managerin. Sie bildet mit ihrem Sohn eine Ein-Elternfamilie und schreibt in ihren Kolumnen über ihre Erfahrungen.

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