Spannendes Lesefutter: Bücher, die in den Bann ziehen

 

So fängt das Neue Jahr gut an: mit Büchern für junge Leser*innen, die von der ersten Seite an in entfernte oder ganz nahe Welten entführen. Die alles um einen herum vergessen lassen, selbst Hausaufgaben und laute Geschwister. Auf die Plätze, fertig, loslesen!


Adresse unbekannt

Felix ist auf einer Polizeiwache und muss sich erklären. Doch wo soll er anfangen mit dem, was in den letzten Monaten alles passiert ist? Am besten mit Astrid und ihrer Art Mutter zu sein, sehr liebevoll und einfühlsam, aber auch extrem chaotisch. Ab und zu fällt sie als Mutter ganz aus, dann hat sie ihre depressive Phase. Das passiert immer dann, wenn sie wieder einmal ihren Job verloren hat und die Miete nicht mehr zahlen kann. Und letzteres ist in Vancouver nicht leicht, aber zum Glück gibt es ja den VW-Bus, den der letzte Freund vor seiner Indienreise dagelassen hat. Und so erlebt Felix einige fröhliche Sommerwochen in einem Minibus, kann dank der Überredungskünste Astrids sogar wieder in die gleiche Schule wie sein alter Freund Dylon und duscht sich eben im Gemeindezentrum. Für eine gewisse Zeit geht das schon. Doch allmählich wird die Situation schwieriger, es wird kalt und Felix muss sich Ausreden für sein fehlendes Pausenbrot und seine mangelnde Hygiene ausdenken und vor allem den Besuch seiner Freunde abwiegeln. Als sich die Lage zuspitzt und Felix genialer Plan an Geld zu kommen nur fast gelingt, muss er feststellen, dass seine Freunde wirkliche Freunde sind und auch Astrid aufgefangen wird. Ein einfühlsames Buch, das aus der Sicht eines „unsichtbaren“ Obdachlosen erzählt wird und sich auch aufgrund seines Infoteils am Buchende gut als Schullektüre eignen würde.

Susin Nielsen, Leslie Mechanic (Illustr.): Adresse unbekannt. 284 Seiten, gebunden, 15×21 cm Urachhaus 2020, ISBN: 978-3-8251-5226-0, € 17, ab 11 Jahren


Mitternacht in Charlbury House

Evi ärgert sich, denn sie soll die Ferien bei ihrer alten Patentante verbringen, die sie gar nicht richtig kennt und die in einem heruntergekommenen alten Herrenhaus weit weg von London wohnt. Wahrscheinlich gibt es dort nicht einmal Internet. Und das alles nur, weil Mama mit ihrem neuen Mann eine ungestörte Woche in Venedig verbringen möchte. Es gibt nichts Richtiges zu essen bei der schrulligen Archäologin und das Zimmer, in dem Evi schlafen soll, ist komplett ungemütlich und unordentlich. Und dann diese furchtbaren Heulgeräusche um Mitternacht! Als Evi auch noch ein Klopfen an der Scheibe hört und hinter dem Vorhang ein trauriges Mädchengesicht entdeckt, ist es mit der Nachtruhe vorbei. Ob die Inschrift an der Fensterscheibe etwas mit der Erscheinung zu tun hat: Sophia Fane, hier eingesperrt am 27.April 1814? Evi hat die Chance das herauszufinden, als sie sich völlig unerwartet als Hausmädchen gekleidet im Herrenhaus des Jahres 1814 wiederfindet. Dort gilt es Töpfe zu schrubben und Kamine zu fegen, Feuer zu machen und Bettpfannen zu leeren. Sie schleppt Wasser und stopft Wäsche, bis sie vor Erschöpfung fast beim Essen einschläft. Zum Glück ist ihr die erfahrene Polly an die Seite gestellt, die sie immer wieder aus gefährlichen Situationen rettet. Denn würde Evi tatsächlich erzählen, woher sie kommt, hätte das sicher schlimme Folgen. Ob sie die arme Sophia davor retten kann, von ihrem Vater an einen gewalttätigen aber reichen Mann verheiratet zu werden? Ein grandioses Buch, das man nur sehr schwer beiseitelegen kann und das ganz nebenbei viel über die schwierigen Lebensverhältnisse der Dienstboten und Kindersklaven im England des 19. Jahrhunderts erzählt.

Helen Peters, Verena Körting (Illustr.): Mitternacht in Charlbury House. 368 Seiten, gebunden, 15,5×21 cm, Thienemann 2020, ISBN: 978-3-522-18515-8, € 15, ab 10 Jahren


Seitenzauber

Ida findet die Idee ihre Ferien schon wieder in Kleinmachnow zu verbringen ziemlich blöd. Dort auf dem Land bei Oma und Opa Lüghausen gibt es ziemlich wenig für Ida, außer einer großen Bibliothek. Die einem so gar nichts bringt, wenn man wie Ida Lesen langweilig findet und Bücher nur als Staubfänger betrachtet. Doch Opas Bemerkung, auf gar keinen Fall den großen Ohrensessel in der Bibliothek zu benutzen macht sie dann doch neugierig. Zudem Opa auch noch die Bibliothek abschließt! Was es wohl mit dem alten Ledersessel auf sich hat? Beim heimlichen Besuch im Bücherzimmer rutscht Ida vom Regal und fällt auf den Sessel… und damit mittenhinein in das Buch, das sie gerade in der Hand hält. Sie findet sich im Sherwood Forest wieder und wundert sich über das seltsame Aussehen der Menschen um sie herum. Kurz bevor ihr der berüchtigte Sheriff von Nottingham an den Kragen geht, kann sie zurück flüchten in ihre Welt. Auch beim heimlichen zweiten Sprung in eine Geschichte geht alles gut, aber die Sache mit dem Piratenschiff sieht dann ganz anders aus. Dabei hat sich Ida doch extra ein Buch über einen harmlos klingenden Botaniker ausgesucht und wollte nur etwas an seinen Forschungsreisen teilhaben… Ein spannender Lesespaß zum Thema Fantasie und Lesewelten.

Britta Sabbag, Alexandra Helm (Illustr.): Seitenzauber. Wie Ida in die Geschichte fiel. 176 Seiten, gebunden, 15×21 cm, Planet! 2020, ISBN: 978-3-522-50639-7, € 13, ab 8 Jahren


Der Händler der Töne

Ob Neumondregentöne oder Tautropfenglucksen zum Wohlbefinden der Tiere, Marienkäferflügelschläge gegen Ungeziefer, Faunflötenspiel als Badesalz, der fahrende Ton-Händler Per hat für jeden in Noés Dorf etwas in seinem Wagen. Der zehnjährige Noé ist sehr froh seinem freudlosen Dasein als herumgereichter Waisenjunge entkommen zu können und schließt sich dem grantigen Per an. Ob er seine einzige Freundin Minu bald wiedersehen kann? Die gemeinsame Reise wird von Kapitel zu Kapitel spannender und fantasievoller. Da gibt es Klangschalenhörnchen, furchtlose Tonillusionisten, Sandtrommelmännchen und fiepsende Lieselottenkäfer, aber auch grauenhafte Klangpiraten, die bald zu einer Gefahr für Leib und Seele werden. Als Noé mit Hilfe seiner neuen Freunde das dunkle Geheimnis des Händlers versteht, wächst er über sich hinaus und begibt sich zusammen mit Minu auf die atemberaubende Reise seines Lebens mitten hinein in den Klangstrudel ins Herz der Klangpiraten. Ob beide genügend Schutz haben, um das zu überstehen? Dieses Buch hat ähnlich viel Fantasie wie die Unendliche Geschichte und die Wortkreationen machen sehr viel Freude beim Lesen.

Verena Petrasch: Der Händler der Töne. 350 Seiten, gebunden, 15,5×21,5 cm, Beltz&Gelberg 2020, ISBN: 978-3-407-75825-5, € 16,95, ab 10 Jahren


Eva

Eva Unterburg

Eva Unterburg schreibt wunderschöne Rezensionen über Kinderbücher und ist langjährige Freundin der Redaktion.

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