Unserem Sohn wurde in der Grundschule einmal ein Zuviel an Fantasie bescheinigt. Kann es das überhaupt geben? Die Kinder in den folgenden Büchern lassen sich ganz von dieser Gabe leiten und erleben wunderbare Dinge. Reisen Sie lesend oder vorlesend zusammen mit Ihren Kindern in dieses weite Land der Fantasie!
Monster Oma
Papa ist ein ganz fröhlicher Mensch, der gerne laut singt und mit dem man wunderbar Staudämme im Fluss bauen kann. Aber gegen Ende des Sommers wird er zerstreut und manches Mal sogar wütend. Er ist sich sicher, dass er das von seiner Mutter geerbt hat, von der Oma des erzählenden Mädchens dieses wunderbaren Bilderbuches. „Monsteroma“ nennt Papa sie und das Mädchen stellt sich vor, wie diese Monsteroma wohl aussieht: vielleicht mit Hörnern und spitzen Zähnen? Sie freut sich auf den baldigen ersten Besuch dort und stellt sich allerlei Gruseliges zu Essen vor. Papa dagegen findet 1000 Dinge, die er dringend noch erledigen muss und Mama kann gar nicht mit wegen plötzlicher Kopfschmerzen. Als sie nach einigem Hin und her schließlich zusammen mit Oma am Kaffeetisch sitzen, ist sie eigentlich ganz nett, zumindest zu ihrer Enkelin und Bolli, dem Hund. Auf der Heimfahrt muss Papa noch etwas schimpfen und sagt dann den weisen Satz: „Vieleicht sind Monstermütter nicht unbedingt Monsteromas“. Endlich ein Bilderbuch, das aufräumt mit dem Klischee der ewig heilen Großmutteridylle, die in vielen Familien so einfach nicht gelebt wird. So witzig und zeichnerisch fein umgesetzt, ein Genuss!
Lena Steffinger, 28 Seiten, Kunstanstifter 2022, ISBN: 978-3-948743-14-7, 20,- Euro, ab 4 Jahren
Milla und der Nashornbus
Milla ist ein tolles Mädchen, obwohl manche Leute in Dörfelbach finden, sie erzähle Quatsch. Sie hat einfach eine überbordende Fantasie, da ist sich ihre Mutter sicher. Milla nimmt morgens zur Schule lieber das Nashorn Arno, als den Schulbus und freundet sich mit dem stillen Mieter aus der Dachgeschoßwohnung an, den man nie sieht. Otto will auch nicht von jedem gesehen werden, schließlich ist er ein Bär und im Winter hat man es als Bär sowieso nicht ganz leicht, weil der Winterschlaf einem ständig einen Strich durch die Rechnung macht. Wie gut, dass Milla ihm ab und an mit etwas Essbarem aus Mamas Kühlschrank aushelfen kann. Dann gibt es da noch Kusi den Wirbelsturm und den kleinen Trompetenvogel, für den Milla unbedingt den lautesten Krach aller Zeiten machen muss. Ohne Geräusche leidet das Tier nämlich furchtbaren Hunger. Mit Milla ist einfach immer etwas los und es macht sehr viel Freude, den verwinkelten Fantasiewelten dieser kleinen Protagonistin zu folgen. Von Milla gibt es inzwischen auch andere Geschichten, es lohnt sich also, sie ganz schnell kennen zu lernen.
Jan Strathmann, Sabine Wilharm (Illustr.) 144 Seiten, dtv Reihe Hanser 2022, ISBN: 3-423-64077-0, 14,95 Euro, Ab 6 Jahren
Alles ist außer-gewöhnlich
Dieses Bilderbuch-Kleinod heißt in der Australischen Originalfassung „Extraordinary“ und ist den Eltern der Autorin gewidmet, die ihrer Tochter zeigten, wie man das Außergewöhnliche sehen kann. Und darum geht es nämlich: nicht um die besonders lauten, die glänzenden und glorreichen Momente, sondern um die sanften, alltäglichen. Ob ein Käferchen im Gras, das Singen der Vögel, ein fotografierter Augenblick oder eine Nacht im kuscheligen Zelt: alles ist außergewöhnlich! Da schaukelt ein Kind und freut sich an der kühlen Brise auf der Haut, dort bewundern Mutter und Tochter das goldene Licht des Vollmondes. Die Stille des Waldes und das Ernten des ersten Gemüses: sie alle sind kurze strahlende Augenblicke und sie gehören allen Kindern dieser Welt. Ein sehr klares Buch mit warmen Illustrationen zum Thema Achtsamkeit und Werte. Schön anzuschauen!
Penny Harrison, Katie Wilson (Illustr.) 34 Seiten, Carl Auer 2022 ISBN: 978-3-96843-035-5, 19,95 Euro, ab 3 Jahren
Alles Humbug
Das Mädchen mit dem roten Mantel macht sich auf Geheiß ihrer Mutter wieder einmal auf, bei Tante Chapiquita am oberen Rand des Dorfes Eier zu kaufen. Eigentlich ist diese Frau gar nicht ihre Tante und die Kinder des Dorfes sind sich sogar sicher, dass Chapiquita eine Hexe ist. Deshalb ist dem Mädchen schon etwas mulmig, als sie an die Tür klopft und in das Haus mit den vielen Kräuterbüscheln an der Decke eintritt. Ob damit Zaubertränke gebraut werden? Vielleicht steckt in einem der Fläschchen gar ein Zaubertrank, um das Mädchen in eine Krähe zu verwandeln? Wer weiß das schon. Außerdem gibt es diese Jutesäcke, aus der die alte Frau Zöpfe aus Frauenhaar holt und sie dann mit einer Nähmaschine zusammennäht. Sind das wirklich Puppenfrisuren für wertvolle Sammlerstücke, die hier entstehen? Das Mädchen ist fasziniert von den Geschichten, die sie hört, während sie ihren heißen Blütentee trinkt und leckeres Gebäck genießt. Aber etwas unheimlich ist ihr dennoch zumute. Der Buchtitel bezieht eindeutig Stellung! Begleitet werden diese besonderen Kindheitserinnerungen von poetisch wirkenden zarten Illustrationen.
Nadia Al Omari, Richolly Rosazza (Illustr.)38 Seiten, Carl Auer 2022, ISBN: 978-3-96843-031-7, 19,95 Euro, ab 4 Jahren
