Sharenting – Kinderfotos im Internet

Rechtskolumne von der Karlsruher Rechtsanwältin Anna Mons

Mit der Geburt eines Kindes und mit jedem kleinen Schritt, den es fortan macht, verspüren viele stolze Eltern den Wunsch, ihr Babyglück mit der ganzen Welt zu teilen oder zumindest Verwandte, Freunde und Bekannte an der Entwicklung des Kindes teilhaben zu lassen. Viele Eltern posten daher bereits Fotos von Neugeborenen und zeigen das neue Familienleben sodann auf Instagram, Facebook, in Elternblogs oder via WhatsApp. Dieses Phänomen unserer Zeit wird auch als „Sharenting“ bezeichnet – ein Kunstwort aus „sharing“ (teilen) und „parenting“ (Kindererziehung). Nach in Medien zitierten Studien sind bereits 90 % der unter Zweijährigen im Netz präsent. Diese starke Verbreitung des „Sharenting“ mag das Gefühl vermitteln, lediglich etwas vollkommen Selbstverständliches zu tun. Aber ist es rechtlich auch ohne weiteres zulässig, Fotos der eigenen Kinder online zu veröffentlichen?
Die Polizei Hagen appellierte bereits 2015 an Millionen Facebook-Nutzer mit dem Aufruf: „Hören Sie bitte auf, Fotos Ihrer Kinder für jedermann sichtbar bei Facebook & Co. zu posten! – Auch Ihre Kinder haben eine Privatsphäre!“
Rechtlich gesehen spielen beim Umgang der Eltern mit Kinderfotos im Netz zum einen datenschutzrechtliche Aspekte eine Rolle. Zum anderen ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kinder betroffen.
Unzweifelhaft handelt es sich bei Fotos, auf denen Personen eindeutig oder anhand der Begleitumstände – etwa einem dazugehörigen Text – erkennbar sind, um personenbezogene Daten. Grundsätzlich ist der persönlich-familiäre Bereich zwar datenschutzrechtlich unbeachtlich. Auch wenn Kinderfotos im privaten Kreis entstanden sind, findet diese Bereichs-Ausnahme jedoch keine Anwendung mehr, sobald die Fotos einem potenziell unbegrenzten Adressatenkreis zugänglich gemacht werden. Dies ist insbesondere bei Postings auf öffentlichen Profilen, aber auch beim Teilen mit „Freunden“ auf Facebook oder Instagram der Fall, da Eltern in den Nutzungsbedingungen diesen Netzwerken umfangreiche Lizenzen an den Fotos einräumen.
Die Veröffentlichung von Kinderfotos ist als Verarbeitung personenbezogener Daten daher grundsätzlich nur erlaubt, wenn eine Einwilligung des betroffenen Kindes vorliegt.
Ähnlich sieht es auch im Hinblick auf die Persönlichkeitsrechte der Kinder aus. Hier ist insbesondere das sogenannte Recht am eigenen Bild von Bedeutung. Um das Selbstbestimmungsrecht der abgebildeten Person zu schützen, sind die Verbreitung und die öffentliche Zurschaustellung von der Einwilligung des Abgebildeten abhängig. Bereits das Verschicken eines Kinderfotos über Messengerdienste an einen einzigen Menschen stellt eine Verbreitung dar. Erst recht gilt dies für das Posten von Kinderfotos auf privaten oder öffentlichen Profilen.
Entscheidend ist also, ob eine Einwilligung vorliegt. Vor dem 16. Lebensjahr des Kindes bedarf es dafür zumindest auch der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, also im Regelfall der Eltern. Was zunächst nach der Lösung des Problems klingen mag, hat juristisch jedoch einen Haken: die Eltern würden sich damit selbst die Einwilligung erteilen und somit eigentlich ein verbotenes, sogenanntes „Insichgeschäft“ vornehmen. Im Hinblick auf den Schutzzweck dieses Verbots und die Sozialadäquanz zumindest unverfänglicher Kinderfotos wird allerdings vertreten, diesen Grundsatz zumindest dann nicht anzuwenden, wenn keine kommerziellen Interessen der Eltern und des Kindes involviert sind.
Abgesehen von Influencern und kommerziell betriebenen Elternblogs ist damit bei Kleinkindern in der Regel eine Einwilligung der Eltern ausreichend. Freizügige und kompromittierende Bilder von Kindern sollten daher generell nicht ins Internet gestellt werden. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund der erheblichen Missbrauchsgefahren, die mit der Veröffentlichung digitaler Fotos von Kindern einhergehen. Ist das Foto einmal im Netz, kann es meist nicht einfach wieder gelöscht, sondern unkontrolliert verbreitet werden. Zudem kann anhand von Bildern und ggf. zusätzlich mitgeteilten Angaben wie Ort, Schule oder aktuellem Gesundheitszustand bereits von Geburt an ein umfassendes Persönlichkeitsprofil erstellt werden.
Sofern ein Kind bereits die notwendige Einsichtsfähigkeit besitzt, ist zusätzlich zur Einwilligung der Eltern die Einwilligung des Kindes erforderlich. Ob die Einsichtsfähigkeit vorliegt, ist grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls, wird aber ab einem Alter von 14 Jahren angenommen.
Zu raten ist daher, zumindest etwas ältere Kinder vor einer Veröffentlichung zu fragen, ob sie damit einverstanden sind und ge­ge­be­nenfalls ein „Nein“ der Kinder zu akzeptieren.

Anna Mons, Rechtsanwältin
Kuentzle Rechtsanwälte
76227 Karlsruhe-Durlach
kuentzle-rechtsanwaelte.de


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