Generelles Vertretungsrecht unter Ehegatten?

Ein aktuell diskutierter Gesetzesentwurf zur Verbesserung der Beistandsmöglichkeiten unter Ehegatten in Angelegenheiten der Gesundheitsfürsorge ist gut gemeint, schießt aber über das Ziel hinaus. Worum geht es? Nach dem geltenden Recht hat ein Ehegatte nur in ganz wenigen Fällen die Erlaubnis, den anderen Ehegatten zu vertreten. Im Rahmen der sogenannten Schlüsselgewalt gestattet das Gesetz bisher, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung für beide Ehegatten abzuschließen. Unterschreibt zum Beispiel die Frau einen Stromlieferungsvertrag für die Ehewohnung, ist automatisch der Mann ebenfalls Vertragspartner. In den übrigen Bereichen aber gibt es kein automatisches Vertretungsrecht, erst Recht nicht in persönlichen Dingen. Das spüren Ehegatten oftmals erst dann, wenn der andere infolge Krankheit oder Unfalls gehindert ist, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen. Dann dürfen beispielsweise Ärzte und Banken noch nicht mal Auskunft geben. Etwas anderes gilt nur, wenn der Ehegatte eine Vollmacht vorlegt oder als Betreuer gerichtlich bestellt wurde. Weil Vorsorgevollmachten aber noch nicht so weit verbreitet sind und die Bestellung zum Betreuer (früher: Vormund) umständlich ist, wird über eine generelle Vertretungsmacht nachgedacht. Mit allen Chancen und Risiken, wie die jetzige Diskussion zeigt.

Damit das gut gemeinte Gesetz nicht zu mehr Rechtsunsicherheit und mehr Bürokratie führt, muss in der Tat sehr vieles bedacht werden. Darf das Gesetz unterstellen, dass immer jeder von seinem Ehegatten vertreten werden will? Viele Verheiratete stellen Vorsorgevollmachten bewusst auf Dritte aus. Das muss nicht unbedingt auf Misstrauen beruhen, spätestens nach einer Trennung aber schon. Der Entwurf sieht vor, die Ehegatten könnten dann einen Widerspruch im Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer eintragen lassen. Blöd aber, wenn der andere Vertragspartner davon nichts weiß. Beispiel: der nicht handelnde Ehegatte hat eine Unfallversicherung und sein Ehegatte wendet sich nun an die Versicherung mit der Bitte, die Versicherungssumme an ihn auszuzahlen. Der Versicherer hat keinen Einblick in das Vorsorgeregister und kann daher nicht prüfen, ob er diese angebliche Weisung befolgen muss. Und wie soll bitte rechtssicher überprüft werden, ob die Ehegatten noch zusammenleben? Bevor man nun auf eine neue Google-App hofft, die solche Prüfungen technisch ermöglichen würde, sollte man sich auf das wirklich Notwendige konzentrieren. Anstelle eines generellen Vertretungsrechts auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge (einschließlich weitreichender Befugnisse gegenüber Kranken-, Renten- oder Unfallversicherung) sollte der Gesetzgeber allenfalls die kleine Lücke schließen, die in Notfällen entstehen kann, wenn weder Vollmacht noch Betreuung vorliegen und Eile geboten ist. Im Übrigen sollte jeder Erwachsene, egal ob verheiratet oder nicht, ermuntert werden, über eine individuelle Vorsorgevollmacht nachzudenken und diese auch von Zeit zu Zeit inhaltlich und rechtlich zu überprüfen.

Rechtsanwalt Dirk Vollmer


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