Energiesparer

Bild: Grafik: Günter Land

Beim Prototyp des Jägers und Sammlers scheint es sich in der Regel auch um ein auffallend extremes Exemplar des Typs „Energiesparer“ zu handeln. Beobachtungen im Familienkreis stützen diese nicht verifizierte Theorie.

Vorwegnehmen möchte ich zunächst, dass ich mir der Bedeutsamkeit und Notwendigkeit des Energiesparens wie auch des Sparens im Allgemeinen durchaus bewusst bin; allein vertrete ich die Ansicht, dass der obgleich gute Zweck nicht alle Mittel bzw. Maßnahmen heiligt.

Betrachten wir beispielsweise meinen Erzeuger: Dieser stattete in den 80ern den Außen- und Innenbereich unseres trauten Heims mit Energiesparbirnen aus. Da die Birnchen ihre volle Strahlungskraft zur damaligen Zeit erst deutlich zeitverzögert erreichten, empfahl der freundliche Hersteller, diese nicht im Eingangsbereich oder Treppenhaus anzubringen, wodurch sich mein energiesparender Vater selbstverständlich keineswegs beirren ließ.

Nach der Devise „ganz oder gar nicht“ wurde auch der letzte Winkel unseres Domizils mit Energiesparbirnen ausgeleuchtet. Es wurde ja schließlich Licht, fragte sich nur wann.

Wer des Wartens überdrüssig wurde – und wer wurde das nicht – beschritt die Treppen unseres Hauses wagemutig auch im schummrigen Dämmerlicht und hoffte auf ein glückliches Ende. Zur Unfallverhütung plädierte ich für die Einrichtung gemütlicher Warteecken mit Illustrierten und ein wenig Gebäck. Leider fand dieser geniale Gedanke keine Beachtung.

Wenden wir uns nun meinem Göttergatten zu – einem Ausbund an Originalität auch in der Kunst des Energiesparens. In der kalten Jahreszeit bzw. bei Wiederinbetriebnahme der Raum-heizung entwickelt er sich jedes Jahr aufs Neue zu einem notorischen Türenschließer. Das Öffnen von Türen in der Herbst- und Wintersaison stellt in unserem Hause ein durchaus riskantes Unterfangen dar, und derjenige, der körperlich unversehrt oder doch wenigstens mit dem Leben davonkommt, darf sich glücklich schätzen. Kaum geöffnet, schließen sich die Türen wieder, pfeilschnell und wie von Geisterhand, ohne den Hauch einer Chance, die Schwelle „ganzheitlich“ überschreiten zu können. Die Tür unseres Kühlschranks wird zudem ganzjährig gut bewacht und das Öffnen unterliegt einer peniblen Zeitkontrolle. Unentschlossenheit wird unter Umständen hart bestraft. Sollte jemand an einer Gewichtsreduktion interessiert sein, so stelle ich meinen Gatten als natürlichen Appetithemmer gern zur Verfügung. Platzieren Sie ihn neben dem Kühlschrank und Sie werden sehen, wie schnell einem mit bandagierten Fingern und/oder Unterarmen die Lust auf die kulinarischen Köstlichkeiten im Innern des Kühlgerätes vergeht.

Kann man sich im Übrigen vorstellen, dass ein harmloses Batterietestgerät unser Familienleben auf eine harte Probe stellt? Mit eben einem solchen Gerät ist es meinem Mann möglich, auch minimalste Restenergien nachzuweisen.

Im günstigsten Fall ist die getestete Batterie völlig leer und ausgepumpt, hat ihre Schuldigkeit getan und darf in den wohlverdienten Ruhestand treten. Im ungünstigsten Fall wird die aufgespürte Restenergie für diverses Kinder-spielzeug verwendet. Der Gesichtsausdruck unseres Sohnes beim Anblick seines „Renn“autos, das sich nach Batterieaustausch mühsam und mit letzter Kraft zu einer wohl auch letzten Fahrt um den Küchentisch aufrappelte, sprach Bände.

Vor Kurzem schrak mein Gatte nicht einmal davor zurück, auch meinen Wecker mit einem seiner „Testsieger“ auszustatten. Selbstverständlich überdauerte dieser die Nacht nicht; der anschließende Ehekrach dagegen alle bisher da gewesenen.

Nicht, dass ich ein Gegner der Resteverwertung wäre. Ganz im Gegenteil genießt die Resteverwertung und -nutzung in unserem Familienalltag einen ausgesprochen hohen Stellenwert. Restwärmenutzung, da sind sich mein Mann und ich einig, ist eine durch und durch sinnvolle Angelegenheit. Leider divergieren unsere Meinungen darüber, wie lange nach Abdrehen etwa der Heizkörper noch von einer tatsächlichen Nutzung die Rede sein kann. Bestimmt mein Gatte den Zeitpunkt der „Heizpause“, so flüchte ich bereits nach der Tagesschau vor der allmählich über uns hereinbrechenden sibirischen Kälte ins aufgeheizte Wasserbett. Keine 10 Minuten später folgt mir mein Mann. Mit klappernden Zähnen und leicht unterkühlt gibt er vor, von einer plötzlichen Müdigkeit heimgesucht worden zu sein.

Beim Thema Restwärmenutzung scheiden sich die Geister anscheinend nicht allein in unseren vier Wänden. Mein äußerst experimentierfreudiger Schwager beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit dieser Art der Energieeinsparung. Vor einigen Wochen setzte er zwecks Restwärmenutzung den hauseigenen Backofen während eines Backvorgangs außer Betrieb. Das teils flüssige, teils breiige Exemplar, dessen meine ahnungslose Schwester beim Öffnen des Ofens ansichtig wurde, war auch nach Wiederinbetriebnahme des Gerätes, ebenso wie die gesamte Situation, nicht mehr zu retten gewesen.

Allgemein scheinen die Energiesparmaßnahmen meines Schwagers im Familienverband wenig Anklang zu finden. Nur wenige Tage später erschreckte er seine Tochter beinahe zu Tode, als er des Nachts im tiefsten Dunkel auf der Toilette hockte.

Wir Frauen sind dagegen auf einem guten Weg.

Wir sparen uns die Energie, unsere Männer in ihrem zunehmend merkwürdigen Verhalten und in ihren zunehmend sonderbaren Aktivitäten zu kommentieren oder gar zu bremsen.

Meine Schwester hat das Backen eingestellt. Gegen das Argument der Energiesparmaximierung ist selbst mein genussfreudiger Schwager machtlos. Der Zweck heiligt eben gegebenenfalls doch die Mittel.

Frönt mein Schwager seiner Notdurft im Dunkeln, so reicht ihm seine vormals schockierte Tochter abgeklärt und sichtbar erheitert ein paar ausgediente Kerzen.

Und ich – ich für meine Person habe meinen guten, alten und mechanischen Wecker wieder aus der Versenkung geholt.


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