Mama-Taxi im Freizeit-Modus

KiddyCoach Gerhard Spitzer betrachtet diesmal das Freizeit-Shuttle

Gerhard Spitzer, der bekannte Wiener Verhaltenspädagoge und Autor von Top-Sellern wie „Entspannt Erziehen“ und „Warum zappelt Philipp?“, hat mit seiner humorvollen und konsequent kindgerechten Sichtweise schon zahllosen Eltern zu einem entspannteren Umgang mit ihren Kindern verholfen. Einer breiten Hörerschaft ist Spitzer durch seine Hörfunk-Live-Talks, sowie mit seinem erfolgreichen Seminarkabarett, „Kinder im Tyrannenmodus“ bekannt geworden.

Im Eimer

„Hast du jetzt endlich deine Schulhefte eingepackt, Marcel? Wir müssen los zur Nachhilfe-Stunde!“, drängt Veronika F. ihren zwölfjährigen Sohnemann, der mit einem freudigen „cool!“ natürlich sofort begeistert in die Gänge kommt und übers ganze Gesicht strahlend seine sämtlichen Schulhefte einpa… Nee, Leute! Das war natürlich bloß ein Scherz … zum Auflockern!

Begeisterung? Pustekuchen! Bei so einem Lausebengel wie Marcel ist davon natürlich keine Rede. Im Gegenteil: Der Knabe verhält sich klarerweise wie alle anderen Kids, deren pädagogisch wertvolles Freizeit-Programm am „Tabletten-Kompjuter“ gerade rüde unterbrochen worden ist. Nur wenige Kinder finden Nachmittagsausflüge bei denen sie letztendlich bloß für die Schule ackern sollen, auch noch „cool“… zumal im Tausch gegen ein „mega-geiles“ Video-Game.

Für „Tatsch-Skrien-Fetischist“ Marcel jedenfalls ist mal wieder ein ganzer Freizeit-Nachmittag „… total im Eimer!“ (O-Ton). Schon brummt Mamas Zubringer-Dienst in Gestalt eines perfekt stadtgängigen 220 PS-Familien-SUVs vor der Tür. Ab geht’s in Richtung Lernhilfe-Zentrum …

Klarer Fall: Hier handelt es sich, ganz unspektakulär, um ein klassisches ich-könnte-gut-auf-dein-Shuttle-Service-verzichten-Verhalten.

Aber das gibt´s natürlich auch andersrum …

Freizeit-Modus

So, wie bei der achtjährigen Sarah zum Beispiel. Die hat offenbar gerade ein bissel Stress am Start: „Mamaa! Ich muss doch gleich zum Judo-Training! Beeil dich, bitte!“ Auf´s Stichwort genau hat jetzt auch der zehnjährige Jonas – seines Zeichens „großer Bruder“ der soeben vorgestellten Göre – seinen Auftritt: „Jep! Und ich muss dann nachher auch noch weg! Wir haben mit dem Schultheater heute Probe!“

Anette, Mutter der beiden und schon an jahrelange Taxi-Dauerbereitschaft gewöhnt, schaltet augenblicklich in den professionellen Freizeit-organisier-Modus: „O.k., Prinzessin! Wie lange haben wir noch Zeit? Jonas! Wann musst du spätestens in der Schule antanzen?“

Sie fragen sich vielleicht, warum eine dermaßen zeitbedrängte Person wie Anette augenscheinlich gar nicht protestiert hat? Hier die Lösung: Der Familien-Zweitwagen in diesem Fall ist zwar kein Sports-Utility-Vehicle wie zuvor, dafür aber ein netter, 35 Jahre alter, aber durchaus alltagstauglicher Oldtimer, mit dem auch einer geplagten Mama das Fahren echt Spaß machen kann! Ja, sowas soll’s geben, Leute!

Für uns schon wieder ein klarer Fall: Mutter Anette ist in dieser idyllischen Szene ganz offensichtlich nicht die Person mit dem heftigsten „Leidensdruck“! Ohnehin liegen mir auch dieses Mal besonders die Kinder und deren oft ungesunder Freizeit-Stress in unserer „modernen“ Zeit am Herzen.

Burn-Out Plan?

Darum habe ich Mama Anette eine sehr spezielle Anfrage gestellt: „Haben Sie für Ihre Kinder so etwas wie einen Wochenplan erstellt? Dürfte ich da mal kurz hineinschauen?“

Was ich sowieso schon geahnt hatte, bestätigt sich jetzt: Sarah und Jonas haben an nahezu jedem Tag der Woche irgendwelche fixen Freizeit-Termine am Start. Das geht querbeet, vom Fußballtraining über Klavier- und Flötestunden, bis hin zu verordneten Sonder-Einheiten, wie beispielsweise einer Ergotherapie für den Sohnemann, oder Lernförderungs-Stunden für das „lese- und rechtschreibschwache“ Töchterchen.

Mit diesem Burn-Out-Plan vor Augen drängt sich mir plötzlich ein sehr einprägsamer Satz auf, den ein langjähriger, guter Freund von mir, seines Zeichens Kinder- und Jugendpsychiater, einmal zu mir gesagt hat: „Wenn du bei einer Beratung rasch herausfinden willst, wie es den Kindern geht, dann schau erstmal in deren Terminkalender rein. Wenn der gerappelt voll ist, dann braucht das jeweilige Kind vielleicht bald einen Termin bei mir!“

Wohl gesprochen, nicht wahr? Schöner hätte ich es jedenfalls selber auch nicht formulieren können.

Fachleute

In Karlsruhe und überhaupt in der ganzen Region gibt es unzählige sehr gute Freizeit-Angebote für Kids aller Altersklassen und sogar für deren geplagte Erzeuger, Begleiter, diensthabende Großeltern und sonstige Entourage. Gut so! Jedem Inhaber solcher Einrichtungen sei eine gute Auslastung vergönnt, zumal die allermeisten Institute, Sportvereine und Praxen von Top-Fachleuten betrieben werden. Gerade aus solchen Kreisen aber hört man immer wieder Stimmen, die darauf hinweisen, dass man seine Kinder mit Freizeit-Angeboten eher einfühlsam und moderat versorgen und es damit keinesfalls übertreiben sollte.

Schlussplädoyer

Um das „transnationale Freizeitverhalten“ der Deutschen und Österreicher mache ich mir eher keine Sorgen: Wir haben das entspannte Urlauben an den schönsten Orten dieser Welt allesamt wirklich gut drauf. Ich möchte – welche Überraschung – eher beim Umgang mit der „Freizeit in der Region“ zum Nachdenken anregen: Achten Sie ab jetzt auf Anzeichen von Terminstress bei Ihren Kindern. Reduzieren Sie nach Möglichkeit das „Outsourcing“ und lassen Sie ein wenig Zeit mit „süßem Nichtstun“ in Ihren Familienalltag einziehen. Gemeinsame Zeit natürlich!

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