Erziehung vor und nach der Geburt von KiddyCoach Gerhard Spitzer

Die Ruhe vor dem Sturm?

Tipps für die prä- und postnatale Erziehung von Kiddy Coach Gerhard Spitzer /// Grafik Günther Land

Eine werdende Mutter fragt mich kürzlich beim Beratungsgespräch: „Ich habe in einer renommierten Elternzeitschrift gelesen, dass gerade die allerersten Lebensjahre für die Erziehung meines Kind maßgeblich sein sollen! Stimmt das denn?“ Mit „renommiert“ kann die Gute wahrscheinlich bloß das KARLSRUHER KIND gemeint haben, denke ich mit einiger Kolumnistentypischer Selbstzufriedenheit, denn ich muss diese Aussage – wen wird’s überraschen – von Herzen bestätigen…

Frühe Prägung

In den allerersten Jahren werden das Selbst- und das Weltbild eines Menschen geprägt. Wie das geht? Nun, ganz einfach: durch fortwährendes Abkupfern der verschiedenen Verhaltensmuster, die die lieben gestressten – oder eben weitgehend stressfesten – Eltern so an den Tag legen. Schon ganz früh nimmt das Kind bei­spiels­weise für sich an, ob die all die „Gläser“, die am Wegrand auf es warten, andauernd eher halb voll oder halb leer sind. Erziehung ist also schon da, wenn Sie, liebe mutige Leserinnen und Leser, in Blickweite Ihres süßen Minis gerade eben eine Sache „fürchterlich tragisch“ nehmen oder stattdessen dafür eine zutiefst positive Denkweise wie diese parat haben: „Na, vielleicht ist der ganze Schlamassel ja für irgendetwas gut!“
Außerdem lernt ein Kind gerade in den ersten Lebensjahren, ob es eine grundsätzliche Existenzberechtigung fern von jeder Leistung hat: „Ich hab dich ohne wenn und aber lieb, mein Schatz! Egal ob du irgendetwas super-gut kannst oder es gar nicht hinbekommst“
Allein darauf baut nämlich ein gesunder Selbstwert eines Kleinkindes auf und lässt es spätere Rückschläge im Leben leichter verkraften. Dazu habe ich für Fachinteressierte ein paar „kräftige“ Stichworte gesammelt: Lösungskompetenz, Konfliktfähigkeit, Genussfähigkeit, Frustrationstoleranz.
Entwicklungspsychologen und Psychotherapeuten kennen das Vermitteln dieser starken Fähigkeiten unter dem Sammelbegriff: „Lebenskompetenzförderung“. Ein furchtbar langes, aber erstaunlich treffliches Wort. Schließlich ist genau das unser wichtigster Job als Eltern: die Lebenskompetenz unserer Kids zu fördern. Mit möglichst früher Erziehung ist folglich genau das gemeint – oder sollte es wenigstens.

Noch frühere Prägung

Die allermeisten Menschen verbinden mit dem Wort „Erziehen“ allerdings bloß das Erteilen von Verboten oder irgendwelchen Regeln, an die der kleine Sonnenschein sich dann zu halten hat. Aber mal ganz abgesehen davon, dass verbales setzen von Grenzen ja nur einen kleinen Teil des viel komplexeren gesamterzieherischen Vorgangs ausmacht, können Kleinstkinder und natürlich Kinder im Mutterleib mit all dem du-machst-jetzt-was-ich-sage-Gelaber überhaupt nichts anfangen.
Mit wiederkehrenden Verhaltensmustern aber sieht das schon ganz anders aus: Folgt man den spannenden Erkenntnissen aus dem relativ jungen Wissenschaftszweig, Epi-Genetik – was so viel heißt wie „über der Genetik stehend“ – so wird klar, dass bestimmte Reaktionsmuster und Stimmungsbilder der Eltern sowie besondere Bedingungen innerhalb der Kernfamilie sich bereits auf einen heranwachsenden Fötus prägend auswirken können. Wer sich für noch mehr Fachausdrücke interessiert: solche vorgeburtlichen Einflüsse rund um die leiblichen Eltern nennen Forscher übrigens „psychosoziale Faktoren“.

Frühe Gespräche

Jetzt aber wieder weg von diesem staubtrockenen Stoff! Ich wollte es nur der Vollständigkeit halber erwähnt haben…
Wie also können werdende Eltern aus diesem Wissen Nutzen ziehen?
Zahllose Mütter, vor allem jene aus naturnahen Volksstämmen tun es ohnehin instinktiv: Sie reden mit ihrem ungeborenen Kind, und zwar immer dann, wenn sie selbst voller Ruhe und Hochstimmung sind. Dazu benützen sie die angenehmste Stimmlage, derer sie fähig sind. Keine Sorge: Jede Frau weiß am besten selber, mit welchem Tonfall sie Männer zum Schmelzen bringen kann. Klar, sonst gäbe es ja aktuell keinen Anlass, sich mit dem eigenen Bauch zu unterhalten. Genau diese Stimme verwenden nun auch Sie bitte während der neun Monate „Lieferzeit“ so oft Sie Lust und gute Stimmung dazu haben. Innig empfundener Gesang hat sich übrigens als „erzieherische Kommunikationsform“ mit dem ungeborenen Kind schon seit Jahrhunderten bewährt, auch wenn wir „fortschrittlichen“ West-Menschen nicht mehr allzu viel darüber zu wissen scheinen. Speziell nach Situationen voller Stress und Belastung wird sich dieses beruhigende Vorgehen voller Gefühlszuversicht sehr wahrscheinlich auf spätere Verhaltensmuster Ihres Kindes auswirken. Übrigens darf auch Papa mal seine sanfteste Stimme ausfahren und möglichst bauchnah losplaudern. Die spätere Bindung zum künftig so­wie­so schon „restlos weggegenderten“ Mann wird dadurch sicher nur gewinnen.
Also los, machen Sie „Stimmung“! Die Welt wird ohnehin sowohl für den kleinen Pfiffikus, als auch für Sie als Eltern noch turbulent genug werden. Nützen Sie daher diese wunderbare „Ruhe vor dem Sturm“ gemeinsam ausgiebig, um auch wortwörtlich Ruhe zu vermitteln.

Grenzen setzen „light“

Dass man winzigen Säuglingen kaum verbale Grenzen setzen kann, haben wir schon in einer früheren Ausgabe zum Thema Füttern und „Ersatzbefriedigung“ besprochen. Den erzieherischen Idealweg in dieser kurzen Phase nenne ich daher liebevoll: „Grenzen setzen light“ und meine damit vor allem: Rituale! Wie auch immer Sie sich ein bestimmtes Wohlverhalten Ihres Wonneproppens oder Ihrer Prinzessin vorstellen, die beste „erzieherische Vorgehensweise“ ist eine ständige Wiederholung unter im­mer gleichen Bedingungen mit nachfolgender positiver Verstärkung, sobald es geklappt hat: „Mami strahlt nach’m Bäuerchen? Das check’ sogar ich Winzling: genau so will sie mich offenbar haben! Issjut! Dann mach’ ich das ab jetzt eben so!“ Alles klar? Vollmond-Grinsen als erzieherische Maßnahme bei Mini und natürlich auch später bei Maxi. Probieren Sie das so oft als möglich aus!
Sie werden es mögen.


Redaktion

Redaktion

Die Karlsruher Kind Redaktion informiert über Neuigkeiten, Aktionen, Veranstaltungen und Angebote in Karlsruhe und der Region.

Alle Artikel von Redaktion


Anzeigen
Anzeige
Anzeige
Anzeige

Anmelden

Registrieren

Passwort zurücksetzen

Bitte gib deinen Benutzernamen oder deine E-Mail-Adresse an. Du erhältst anschließend einen Link zur Erstellung eines neuen Passworts per E-Mail.