Wenn das Handy zur Sucht wird

Betrachtungen von Dipl.-Päd. Detlef Träbert

Foto: pexels

Kürzlich war ich bei der Geburtstagsfeier einer sehr alten Dame. Später am Nachmittag traf deren Enkelin mit ihren zwei 12- und 15-jährigen Kindern ein. Als wir im Wohnzimmer nach dem Überreichen der Geschenke an der Kaffeetafel Platz für die Neuankömmlinge schufen, fehlte der jüngere der beiden. Ich suchte und entdeckte ihn in einem Nebenzimmer, wo er mit seinem Handy hantierte. Kaum, dass er seiner Uroma gratuliert hatte, war er der Gemeinschaft entflohen und hatte sich einem elektronischen Spiel hingegeben.

„Hej“, sagte ich, „drüben warten sie auf dich.“ Keine Reaktion. „Tommy“, setzte ich nach, „die Geburtstagsgesellschaft befindet sich im Wohnzimmer. Es ist ziemlich unhöflich, wenn man die Gastgeberin besucht und sich dann abseits setzt.“ „Ja, aber ich muss das hier erst noch fertigmachen“, kam als Antwort zurück. Ich informierte seine Mutter über Tommys Reaktion, aber sie meinte nur: „Er wird schon noch kommen.“

Ich ließ es um des lieben Friedens willen dabei bewenden, aber machte mir natürlich meine Gedanken. Wenn elementare Grundregeln des zwischenmenschlichen Umgangs miteinander zugunsten des Handys vernachlässigt werden, spricht das zumindest ansatzweise für eine Abhängigkeit vom Gerät – „Sucht“ ist nur ein anderes Wort dafür. Ist Tommy also „handysüchtig“? Aus dieser einen Situation beim Geburtstag lässt sich das noch nicht beantworten. Und vielleicht ist die Gelassenheit seiner Mutter auch darauf zurückzuführen, dass sie daran gewöhnt ist, wie intensiv Tommy und all seine Freunde sich mit ihren Medien beschäftigen, aber wenn es drauf ankommt, das Gerät doch beiseite legen. Trotzdem – was ist denn nun Mediensucht?

Kinder- und Jugendpsychiater orientieren sich bei entsprechenden Diagnosen an den Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Danach hat ein Verhalten „Krankheitswert“, wenn sich über zwölf Monate hinweg zeigt, dass …

  • … der oder die Betroffene die Kontrolle über den Zeitaufwand für den Umgang mit dem Spiel, dem Streamen oder den Social Media verliert;
  • … andere Aufgaben, Hobbies oder Freunde zugunsten der Mediennutzung vernachlässigt werden; 
  • … das Kind oder der/die Jugendliche zwar merkt, dass  das Medienverhalten negative Folgen hat, es aber nicht zu ändern vermag.

Wenn man möchte, dass ein Kind weniger Zeit mit Medien verbringt, hilft es allerdings nicht, ihm einfach die Geräte zu sperren oder wegzunehmen. Das würde die Sehn-„Sucht“ nach ihnen nur verstärken und gleichzeitig das Eltern-Kind-Verhältnis belasten. Besser wirkt es, mehr Zeit in gemeinsame Aktivitäten zu investieren, Ausflüge miteinander zu unternehmen, gemeinsam Sport zu treiben und interessante Veranstaltungen zu besuchen. Vor allem aber ist es wichtig, als Eltern selber kontrolliert mit seinen Medien umzugehen und außerdem viel mit den Kindern zu reden. Wo zu wenig miteinander gesprochen wird, ist ein Smartphone oder ein Tablet allemal interessanter als wortloses Beisammensitzen. Wer sich nicht beachtet fühlt, flüchtet eher in online-Welten als andere.

Wenn Eltern jedoch keinen Erfolg mit ihren Bemühungen um mehr gemeinsame Aktivitäten und Kommunikation haben, bleibt nur der Weg zu fachkundiger Hilfe. Beratungsstellen *) in Bezug auf Handy- und Computersucht findet man überall in Deutschland, und in einer solchen Einrichtung lässt sich gut klären, wie in jedem einzelnen Fall vorgegangen werden kann. Tommys Mutter sieht noch keinen Beratungsbedarf …


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