Let’s talk about: Eltern sein & Paar bleiben

Die letzte Kolumne beschäftige sich damit, warum Aufklärung bei Kindern bereits vor dem Kindergarten beginnen sollte und welche Schwierigkeiten manchmal auch für Erwachsene dabei auftreten können, denn Fragen können uns manchmal ganz schön überfordern oder verunsichern. In meiner Praxis für Paar- und Sexualtherapie erlebe ich vor allem auch, wie schwer viele Paare die Zweisamkeit nach einer Geburt wieder routiniert in ihren Alltag einbauen können. Heute beschäftigen wir uns mit der Frage wie wir es schaffen können Eltern zu sein und ein Paar zu bleiben. 

Mein Name ist Julia Henchen, ich bin Paar- und Sexualtherapeutin, Autorin und Sexualpädagogin und habe eine Praxis für alle Themen rund um Liebe, Sex und Lust. Sex und Lust nach der Geburt ist ein so stark tabuisiertes Thema, dass viele Frauen nach einer Geburt Sex haben, obwohl sie keine Lust oder gar Schmerzen dabei empfinden. Aus Scham und Angst vor einer sexlosen Partnerschaft überwinden sich viele Frauen meist zu früh und beide Partner leiden meist still unter fehlender Zweisamkeit. Ich begleite viele Paare, die seit der Befruchtung keinen Sex mehr hatten und den Weg zum gemeinsamen Sexleben wieder finden wollen, doch warum schläft der Sex manchmal ein? 

Lebensereignisse, die uns mehr Energie rauben, wie zum Beispiel Eltern werden, verändert unsere Beziehung und unsere Sexleben nachhaltig. Neben körperlichen Veränderungen kommen auch viele Veränderungen in unserer Gefühlswelt hinzu. Plötzlich tragen wir Verantwortung für ein kleines Wesen und müssen uns komplett umstellen. Eltern zu sein und eine Partnerschaft zu führen ist Arbeit – genauso wie Sex. Denn Sex passiert nicht einfach spontan, sondern muss initiiert werden und dafür benötigen wir Energie. Diese fehlt, gerade in den ersten zwei Jahren der Elternschaft häufig gänzlich. Bei Müttern verändert sich außerdem nach der Geburt oft das Körpergefühl und viele Frauen fühlen sich in den ersten Jahren overtouched.

Dieses Gefühl von „zu viel Berührung“ führt nicht selten dazu, dass all unsere Bedürfnisse nach Sex bereits gestillt sind. Wir alle wollen durch Sex verschiedene Bedürfnisse befriedigen. Zum Beispiel körperliche, aber auch emotionale Nähe. Und nun kommt der entscheidende Punkt: Das Baby ist oft den ganzen Tag am Körper der Mutter und auch nachts sind Mütter meist nie allein. Meist sind Kinder „Traglinge“, oft bis ins vierte Lebensjahr hinein. Wenn die körperliche Nähe aber schon befriedigt ist, und die emotionale auch – weil die Beziehung zum Beispiel insgesamt sehr stabil ist, dann kann es schnell passieren, dass wir keine Lust mehr auf Sex haben, denn es ist ja schon alles „erledigt“. Alle Bedürfnisse sind befriedigt und Sex ist nicht „notwendig“, um körperlich oder emotionale Nähe herzustellen. Kommt euch das bekannt vor? In der Kleinkindphase haben die meisten Eltern, vor allem Mütter, ja sogar eher ein Bedürfnis nach Distanz, nach Zeit und Raum nur für sich. Sie sehnen sich nach möglichst wenig Berührung, in allen Bereichen. Wenn der Partner nun aber ein Bedürfnis nach Sex und Berührungen verspürt, kann es in einer Bzeiehung häufig zu einem Konflikt kommen. 

Was kann helfen? Wichtig ist zunächst zu erkennen, dass dies eine Phase ist, die normal, aber in der Regel auch vorbei geht und zu akzeptieren, dass es momentan diese Phase gibt. Der wichtigste Punkt aber ist Kommunikation: redet über eure Gefühle, Sorgen und Ängste und sucht euch unbedingt professionelle Hilfe in Form einer Sexual- oder Paartherapie, wenn ihr alleine nicht damit zurechtkommt. Neben der Kommunikation ist Solosex ein weiterer Faktor, der euch beide entlasten kann, denn in erster Linie ist jeder Mensch selbst für seine sexuelle Befriedigung verantwortlich. Wenn wir uns nämlich anschauen, wie Lust oder ein Orgasmus funktioniert kann Solosex für den partnerschaftlichen Sex eine wertvolle Bereicherung sein. 

Am Ende bleibt die Frage nach Prioritäten, Genuss und Sinnlichkeit. Wie achtsam gehst du mit deinen Bedürfnissen, deiner Kommunikation und deiner Lust um? Wie können wir als Paar mit einer ungleichen Verteilung von Lust umgehen und wie wollen wir als Paar gemeinsam unser Leben gestalten? Ich empfehle euch einen Paar-Abend fest im Kalender einzuplanen, einen Termin der machbar ist und auf den ihr euch beide freuen könnt. Der Sex sollte nicht im Mittelpunkt stehen, sondern die Zeit zu zweit und das neu-kennenlernen in eurer neuen Rolle als Eltern.


Julia

Julia Henchen

Julia Henchen ist Paar- & Sexualtherapeutin + Sexualpädagogin und betreibt den erfolgreichen Instagramaccount "Lustfaktor"

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