Geschwister gerecht erziehen

Betrachtungen von Dipl.-Päd. Detlef Träbert zum Thema Erziehung und Geschwister

Foto: Pexels

Während meiner ersten fünf Lebensjahre war ich das jüngste von fünf Kindern. Trotzdem wurde ich nicht verwöhnt, denn in den 50er und 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts herrschte ein sehr bescheidener Lebensstandard. Aber ich war das Nesthäkchen, bis schließlich mein kleiner Bruder zur Welt kam. Jetzt stand natürlich er im Mittelpunkt aller Fürsorge und ich wurde zum „Sandwichkind“.

Sandwichkinder

Kinder, die zwischen jüngeren und älteren Geschwistern stehen, gelten vielfach als benachteiligt. Wenn die große Schwester in der Pubertät zickig wird und das kleine Brüderchen noch viel Pflege und Fürsorge benötigt, bekommt das mittlere Kind zu wenig Aufmerksamkeit, glauben viele Leute. Doch tatsächlich verhält sich das längst nicht immer so. Heutige Eltern geben sich meist sehr viel Mühe, allen ihren Kindern gerecht zu werden. Aber „gleich“ kann man sie nicht behandeln – das schafft niemand.

Außerdem sind Geschwister häufig sehr unterschiedlich, denn ihre genetische Ausstattung fällt unterschiedlich aus – außer bei eineiigen Zwillingen. Es ist also völlig normal, dass Kinder eines Elternpaares sich hinsichtlich Charakter und Verhalten unterscheiden sowie individuell entwickeln. Aber nicht nur die genetische Ausstattung unterscheidet sich von Kind zu Kind, sondern auch Haltung und Einstellung der Eltern. Beim ersten Kind versuchen sie besonders penibel, alles richtig zu machen und jeden Fehler zu vermeiden. Bei jedem weiteren Kind nehmen Routine und Gelassenheit zu. Beim ersten Kind sind die berufliche, die finanzielle oder auch die Wohnsituation der Familie anders als später. Und alle Mamas und Papas lernen von Kind zu Kind aus ihren Fehlern beim Erziehen.

Jedes Kind ist einzigartig – und deshalb ist es richtig, jedes Kind auf die Art zu behandeln, die ihm am besten entspricht. Deshalb sollte man seine Kinder auch nicht untereinander vergleichen: Jedes Temperament hat seine eigene Quelle, jede Begabung eröffnet eine eigene Zukunftsperspektive. Wer darauf achtet, dass ein mittleres Kind nicht vernachlässigt ist, wird all seinen Kindern bestmöglich gerecht.

Vorteile mit Geschwistern

Etwa ein Viertel aller Kinder in Deutschland wachsen ohne Geschwister auf. Das ist längst nicht immer so gewollt, wenn etwa gesundheitliche Gründe oder die frühzeitige Trennung der Eltern maßgeblich dafür sind. Aber Mütter mit einem Kind gehen auch früher wieder in den Beruf zurück als solche mit mehreren Kindern – ein bedeutsames Motiv für den Einzelkind-Wunsch. Für die Kleinen muss das kein Nachteil sein, wenn sie mit mehr elterlicher Aufmerksamkeit versorgt werden können als Geschwisterkinder. Das Urteil „typisch Einzelkind“ ist nur ein altes und leider sehr dauerhaftes Vorurteil. Aber naturgemäß ermöglicht das Aufwachsen mit einem oder mehreren Geschwistern mehr soziale Erfahrungen.

Miteinander zu spielen ist genauso wichtig, wie miteinander streiten zu können. Kinder entwickeln unterschiedliche Neigungen, Interessen und Fähigkeiten, aus denen sich naturgemäß auch unterschiedliche Vorlieben für Freizeitbeschäftigungen, bei der Kleidung oder beim Essen ergeben. Mit Geschwistern hat ein Kind von Anfang an die Möglichkeit, sich und seine Bedürfnisse mit denen der anderen zu vergleichen, dabei in Einklang zu kommen oder auch einen eigenen Weg zu wählen. Darum ist Streiten bei diesem lebenslangen Prozess etwas völlig Normales. Kinder sollten lediglich lernen, wie man sinnvoll streitet, denn es gibt kein Leben ohne Konflikte.

Gerecht erziehen

Es führt also kein Weg daran vorbei, mit seinen Kindern individuell umzugehen. Dennoch brauchen Eltern dafür Grundsätze, die sie miteinander aushandeln müssen. Essenszeiten, Tischsitten, Regeln – derlei Prinzipien für das Leben zu Hause wie auch für das Verhalten auf dem Spielplatz oder im Supermarkt sind absolut notwendig. Aber wann und wie ein Kind sein Zimmer aufräumt, darf unterschiedlich sein. Ob es Hausaufgaben mit einem Hörspiel im Hintergrund oder in Stille erledigt, sollte nur vom Ergebnis abhängen. Und welche Tätigkeit zur Mithilfe im Haushalt die richtige ist, muss ausprobiert und ausgehandelt werden. Aber mithelfen sollten alle, denn jeder gehört dazu.

Es geht also nicht um gleiches Erziehen, sondern um das Prinzip der Gerechtigkeit. Alle Kinder brauchen Erwachsene, die ihnen eigene Wege eröffnen. Nur der Rahmen für dieses Regelwerk muss vergleichbar sein – sonst kann das Miteinander in unserer Gesellschaft nicht funktionieren.


Redaktion

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