Rechtskolumne: Musizierende Kinder

Rechtskolumne von Familienanwalt Dirk Vollmer

Musizierende Kinder sind keine Lärmquellen, keine Verursacher schädlicher Umweltemissionen! Das Amtsgericht München (Az. 171 C 14312/16) hatte sich vor Kurzem mit einem Fall zu beschäftigen, in dem es um eine Klage über allzu lautes Musizieren von Kindern ging. Kläger und Beklagte sind unmittelbare Nachbarn und bewohnen jeweils ein freistehendes Einfamilienhaus. Die beklagte Familie hat vier minderjährige Kinder. Diese spielen seit Jahren regelmäßig Musikinstrumente, und zwar Schlagzeug, Tenorhorn und Saxofon. Das klagende Ehepaar behauptete, die Kinder würden auch während der vorgeschriebenen Mittagsruhezeiten regelmäßig musizieren. Die bei den Klägern eintreffende Lautstärke erreiche regelmäßig Werte von deutlich über 55 Dezibel, teilweise bis zu 70 Dezibel. Die Beklagten beteuerten, dass während des Musizierens die Türen und Fenster stets geschlossen seien und bestritten, dass durch das Musizieren Geräusche verursacht würden, die über 55 Dezibel lägen. Das Amtsgericht wies die Klage ab. Das Urteil ist rechtskräftig.

Die Begründung: Musik könne nur dann als Lärm klassifiziert werden, wenn jemand absichtlich das Musizieren in eine bloße Produktion von Geräuschen pervertiere, was hier nicht der Fall war. Nach Auswertung der vom Kläger erstellten Lärmprotokolle stand fest, dass über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren nichtmals eine Handvoll relevanter Fälle festgehalten worden waren. Von minderjährigen Kindern kann nicht ohne weiteres die Einhaltung von Regeln verlangt werden wie bei Erwachsenen. Es liege nämlich in der Natur der Kindheit und des Erwachsenwerdens, dass man Grenzen überschreitet, Regeln bricht und daraus und aus den negativen Konsequenzen lernt. Einen relevanten Rechtsverstoß konnte das Gericht nicht erkennen, selbst wenn das Musizieren zu Mittagszeiten untersagt sein sollte. Die Lautstärke müsse hier gar nicht erst objektiv gemessen werden durch einen Sachverständigen. Zwar ergab eine Ortsbesichtigung, dass insbesondere das Schlagzeugspiel deutlich in der Wohnung des Klägers zu vernehmen war. Der Geräuschpegel erreichte aber nicht den Grad der Unzumutbarkeit. Bei der vorzunehmenden Abwägung waren letztlich auch die Vorgaben der Verfassung zu berücksichtigen, hier insbesondere Art. 6 GG, der auch die gesunde Entwicklung junger Menschen unter den besonderen Schutz stellt. Die Gesellschaft hat sich bei Abwägungsfragen an dieser Wertentscheidung zu orientieren. Daher kam das Gericht im vorliegenden Fall zu der Überzeugung, dass dem Interesse der Kinder der Beklagten an der Ausübung des Musizierens der Vorrang einzuräumen war.

Dieses Gerichtsurteil ist ein schönes Beispiel dafür, dass so genannte Kinderrechte bereits im gültigen Verfassungstext ausreichend enthalten sind – das Gericht müssen sie nur entsprechend würdigen und die Interessen der betroffenen Kinder in seine Entscheidung einfließen lassen.

Rechtsanwalt Dirk Vollmer


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