Rechtskolumne: Erbschaftssteuerreform und die Folgen der Ablehnung

Der "blaue Brief" aus Karlsruhe

Rechtskolumne von Familienanwalt Dirk Vollmer

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Dezember 2014 Teile der Erbschaftssteuerreform für verfassungswidrig erklärt. Betroffen sind insbesondere Vorschriften über die Privilegierung von Betriebsvermögen und Anteile an Kapitalgesellschaften. Diese Vorschriften galten zwar zu-nächst weiter, aber der Gesetzgeber hätte bis Ende Juni nachbessern müssen. Hat er aber nicht. Die Privilegierungen sind rechtspolitisch umstritten. Jedenfalls gelang die verfassungskonforme Ausgestaltung mangels Tatendrang und Einigkeit in der Großen Koalition bisher nicht.

Nun schickte Karlsruhe einen Brief nach Berlin. Ob der Brief wirklich blau war, ist nicht bekannt. Der Inhalt war jedenfalls nicht belanglos. Vielmehr kündigte der Vorsitzende des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof, gegenüber Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat an, der Erste Senat werde sich nach der Sommerpause mit dem weiteren Vorgehen im Normenkontrollverfahren um das Erbschaftsteuer- und Schenkungssteuergesetz befassen. Klartext: Jetzt ist Schluss mit lustig. Erfolgt nicht sofort eine Neuregelung, werden wir ab Ende September beraten, ob wir die beanstandeten Teile des Gesetzes für nichtig erklären.

Gemessen am Gesamtsteueraufkommen in der BRD ist die Erbschafts- und Schenkungssteuer recht unbedeutend. Wegen der relativ hohen Freibeträge werden letztlich nur wenige Bürger herangezogen. Große Vermögen werden allerdings auch kaum belastet, denn die Steuerbefreiungen und Begünstigungen sind sehr weitreichend. Verfassungswidrig ist die nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung beim jetzigen Gesetzesstand. Sollte man das Gesetz dann nicht gleich ganz abschaffen? Dafür spräche sicherlich auch einiges, wird aber derzeit nicht diskutiert. Noch gibt es die Kernentscheidung des Gesetzgebers, bei Vermögensübergabe durch Schenkung oder Tod auch die Allgemeinheit profitieren zu lassen, und zwar unabhängig davon, wie es dem Schenker oder Erblasser gelang, dieses Vermögen aufzubauen.

Interessant ist auch der Hinweis auf das Sozialstaatsprinzip, den drei Richter des Senats in einer abweichenden Meinung gaben: „Die Erbschaftsteuer dient nicht nur der Erzielung von Steuereinnahmen, sondern ist zugleich ein Instrument des Sozialstaats, um zu verhindern, dass Reichtum in der Folge der Generationen in den Händen weniger kumuliert und allein aufgrund von Herkunft oder persönlicher Verbundenheit unverhältnismäßig anwächst.“ Damit stehen die Verschonungsregelungen generell auf der Kippe.

Wer umfangreiches Vermögen hat, sollte sich möglichst frühzeitig beraten lassen, welche Gestaltung der Erbfolge sinnvoll ist – eine Übergabe zu Lebzeiten oder eine Vererbung durch Testament oder Erbvertrag. Familienunternehmen sollten immer ihre Nachfolgekonzeption im Hinterkopf haben und von Zeit zu Zeit überprüfen lassen. Das gilt nicht nur in steuerrechtlicher Hinsicht, sondern vor allem zivilrechtlich.

Rechtsanwalt Dirk Vollmer


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