Need money, not friends

Betrachtungen von Dipl.-Päd. Detlef Träbert

Kürzlich kreuzte in einem Supermarkt ein vielleicht zehnjähriger Junge meinen Weg. Er trug ein Sweatshirt mit der großen und weithin sichtbaren Aufschrift „NEED MONEY, NOT FRIENDS“. Ziemlich fassungslos trug ich dieses Bild in meinem Kopf nach Hause. Ein paar Internet-Recherchen zeigten mir, dass der Slogan weit verbreitet ist und aus dem Rap stammt, aber auch eine offensichtlich sehr erfolgreiche Geschäftsidee geworden ist. Es gibt nicht nur diverse T- und Sweatshirt-Versionen damit, sondern auch Baseball-Kappen, Handyhüllen, Kaffeebecher, Kochschürzen, Sofakissen, Bauchtaschen oder Aufkleber, um alle möglichen weiteren Alltagsgegenstände damit zu infizieren – sorry, zu dekorieren natürlich.

„Brauche Geld, keine Freunde“ – ist das ernst gemeint oder ein Witz? In deutscher Sprache gibt es diesen Slogan nicht. Offenbar ist dieses Motto typisch amerikanisch. Geprägt wurde es zwar in einer Subkultur, aber passt es nicht auch zur wohlhabenden und erfolgreichen Gesellschaftsschicht? Trägt es der amerikanische Präsident nicht als Tattoo auf seiner Körperrückseite? Die Fantasie, wo genau es dort wohl prangen könnte, überlasse ich gerne Ihnen. Oder Facebook-Chef Mark Zuckerberg? Der besitzt bestimmt ein Mauspad mit entsprechendem Aufdruck. Und Amazon-Gründes Jeff Bezos, der „schlechteste Chef der Welt“ (Internationaler Gewerkschaftsbund 2014), schreibt vermutlich seine Memoiren unter diesem Titel.

In der gegenwärtigen Corona-Zeit wirkt „NEED MONEY, NOT FRIENDS“ besonders deplaziert. Zwar kann man sich trotz geschlossener Geschäfte mit Geld nach wie vor alles kaufen – das Internet hat immer geöffnet. Aber Freunde sind derzeit sicherlich wichtiger als materieller Wohlstand. Wenn die Begegnungsmöglichkeiten eingeschränkt sind, wenn man sich nicht mehr draußen auf der Straße treffen darf, wenn gemeinsames Feiern einfach nicht mehr geht, dann sind gute Freundinnen und Freunde einfach unbezahlbar. Ob man chattet, telefoniert, Video-Gespräche führt oder vielleicht sogar mal wieder einen Brief schreibt, ist dabei völlig egal. Dass es Menschen gibt, die an einen denken, einem vielleicht sogar mal eine Packung Klopapier vom Einkaufen mitbringen und persönlichen Kontakt halten, ist tausendmal wichtiger als Moneten. Nur Leute, die über gar kein Geld verfügen und auf die Tafel angewiesen sind, könnten das vielleicht anders sehen. Aber die könnten sich das bedruckte Sweatshirt auch nicht leisten.


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