Mücken

Mücken Glosse von Eva Unterburg Grafik: Günter Land

Neulich waren wir im Urlaub mit Freunden. Unweit der sonnigen Gestade des Mittelmeeres, etwa dort wo die Gesamtpopulation der europäischen Stechmücken sich in dieser Woche zu ihrem alljährlichen Treffen aufhielt.

Obwohl wir der Sprache der Mücken nicht mächtig sind und fortwährend nur ein hohes Summen und Sirren wahrnahmen, wenn sie vor allem in den Dämmerstunden in eine rege Konversation verfielen, war uns bald klar, um was es in den offenbar zahlreichen Workshops und Veranstaltungen ging. Im Flyer waren mit Sicherheit Themen angekündigt, die folgende oder ähnlich klingende Überschriften hatten: • ngriff im Formationsflug • usharren in dunklen Räumen • urchstechen der obersten Hautschichten • autloses Anfliegen und präzises Landemanöver • leiner Stich, große Wirkung • achhaltige Saugmanöver.

Moskitos mit mehr esoterisch ausgerichteter Lebenseinstellung trafen sich zu folgenden fachlichen Arbeitskreisen: • urz aber intensiv – vom Sinn des Lebens • ie baue ich eine mediale Beziehung zu meinem Wirt auf? • ann denn Stechen Sünde sein? • lutige Sauger – vom Umgang mit einem herrschenden Vorurteil • om Blut zur Feige – ein Leben als Vegetarier. Die Teilnehmer des letzten Arbeitskreises können rein mengenmäßig nur in der Minderzahl gewesen sein, denn wir sahen keine einzige Feige, die zerstochen am Baum hing.

Wir dagegen starteten jeden Morgen eine Art Ranking der Betroffenheit|, d.h. wer lag in dieser Nacht am längsten wach, wer hat die meisten erlegt und vor allem, wer hat die meisten Stiche und wie stark ist der Drang sie bis zur Unkenntlichkeit aufzukratzen?

Unsere Freundin war einige Tage in Folge siegreich, kein Wunder bei satten 41 Einstichen allein auf einem Oberarm. Beinahe waren wir neidisch…

Die Region scheint mückenerprobt. Offenbar paaren sich schon seit Generationen eigens zu den Treffen angereiste ausländische Schnaken mit einheimischen Arten und die Kinder und Kindeskinder kehren nicht mehr in ihre Ursprungsländer zurück, ähnlich wie es früher die römischen Legionäre im großen Imperium Romanum taten.

Daher wehren sich die Menschen hier von alters her mit äußerst mäßigem Erfolg durch zahlreichen Gegenmaßnahmen. So verfügt jedes Bett über ein Moskitonetz. Während ich mich regelmäßig in diesem Teil des nächtens verheddert habe und immer in der Angst lebte, das gesamte Gebilde von der Decke zu reißen beim nächsten Umdrehen, nutzten meine sirrenden Bettgenossen es als Kinderspielplatz für ihre Kleinen. Die kletterten und tobten auf den Verstrebungen der großen Maschen herum, wie unsere Kinder auf den Kletterspinnen im Vergnügungspark. Die Moskitomütter verabschiedeten sich mit den mahnenden Worten „Kinder seid schön brav und brecht euch kein Flügelchen, Mami geht nur schnell Blut holen.“

Im Supermarkt standen dort, wo zuhause die Quengelware Eltern zu erzieherischen Höchstleistungen herausfordert, diverse Fläschchen mit ätherischen Ölen, Räucherspiralen für auf und unter dem Tisch, Sprüh- und Pumpfläschchen mit chemischen Cocktails, die zwar nicht die Mücken, aber dafür alle Mitmenschen vertreibt.

Geholfen hat eigentlich nichts und die vergleichenden Blicke auf die Haut der Mitmenschen, ob Touristen oder Einheimische, ergaben: Keiner blieb verschont. Beulen allerorten und verräterische Kratzgeräusche an den Nebentischen. Auch die Kleinsten wurden ständig eingesprüht im Wechsel Sonnenschutzmittel, Mückenspray, Sonnenschutzmittel, Mückenspray… Solange bis weder die Sonnenstrahlen, noch die Moskitos mehr wussten, wo menschliche Haut zu finden sein könnte und schließlich aufgaben.

Vielleicht wäre das auch unsere Taktik zum Erfolg gewesen, aber nein, wir Erwachsene bleiben stundenlang nachts im Pool, lassen alle Lichter aus, stoßen uns deshalb schmerzhaft die Schienbeine, holen uns allergisches Asthma von den Räucherspiralen und sehen dennoch am nächsten Tag aus, als hätten wir die erste Stufe der Beulenpest erreicht. Immerhin konnten wir mit Sicherheit sehr zum Gelingen der diesjährigen Jahreshauptversammlung der Stechmücken beitragen und wer weiß, vielleicht setzt sich in den kommenden Jahren die vegetarische Bewegung dort mehr und mehr durch. Dann würde auch die Quengelware in Italien wieder besser schmecken!


Eva

Eva Unterburg

Eva Unterburg schreibt wunderschöne Rezensionen über Kinderbücher und ist langjährige Freundin der Redaktion.

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