Medienbezogene Konflikte sind Dauerthema in über 500 Familien

Die AWO Karlsruhe hat eine neue Fachstelle für Medienpädagogik

Dipl.-Päd. Eike Westenfelder arbeitet seit 15 Jahren mit Familien daran, realistische und kreative Lösungen für ihr Familiensystem zu erarbeiten

Eine Situation, die viele Familien kennen: „Komm, das Essen ist fertig!“, ruft die Mutter. „Ich spiel grade Fortnite, das geht jetzt nicht“, antwortet der Sohn. „Ich zeig dir, wie das geht“, sagt die Mutter entnervt und schaltet die Spielkonsole aus. Frustration und Ärger kochen auf beiden Seiten hoch. „Hier liegt der Fehler eher bei der Mutter, sie hätte wissen müssen, dass ihr Sohn in einem Team mit anderen Spieler/-innen gemeinsam agiert und sich nicht einfach so ausklinken kann“, sagt der Medienpädagoge Eike Westenfelder, Leiter der Fachstelle für Medienpädagogik bei der AWO Karlsruhe gGmbH. 

Dieses Beispiel ist leider kein Einzelfall. Seit Beginn der Corona-Pandemie machten immer mehr pädagogische Fachkräfte aus dem Bereich Jugendhilfe der AWO Karlsruhe darauf aufmerksam, dass in den 500 begleiteten Familien medienbezogene Konflikte ein Dauerthema sind. „Diese Entwicklungen nahmen wir zum Anlass, um ein Konzept für eine hauseigene Fachstelle für Medienpädagogik zu entwickeln und zu implementieren“, erklärt Barbara Mehnert, Leiterin des Geschäftsbereichs Jugend und Soziales. 

Fortnite zählt mit über 350 Millionen weltweit registrierten und zeitweise mehr als 15 Millionen gleichzeitigen Nutzern zu den erfolgreichsten Spielen aller Zeiten, auch in Deutschland. Das führt mit-unter zu unvorstellbaren Spielzeiten von drei Milliarden Stunden – pro Monat. 

Monitore sind auch Tore in Räume voller Wunder 

Viele Jugendliche, aber auch ihre Eltern verlieren sich in digitalen Welten. Dabei sind diese Welten nicht nur voller Irrwege und Gefahren. Die Monitore seien auch Tore in Räume voller Wunder, Informationen und Möglichkeiten der kreativen Selbstverwirklichung: 

„Wir machen immer wieder die Erfahrung, wie positiv überrascht manche Eltern sind, wenn ihre Kinder stolz berichten, welche Erfolge sie teils mit großer Anstrengung und Zielstrebigkeit in der digitalen Welt errungen haben“, sagt der Diplompädagoge und nennt etwa schulische Projekte als Beispiele. So haben Kinder Freude an der Herstellung von Medienprodukten und liebten die dabei gewonnene neue Perspektive auf sich selbst und auf ihre Umwelt, betont er. 

Produzieren Soziale Medien „digitales Heroin?“ 

Digitale und Soziale Medien haben für Kinder und Teenager ein außerordentlich hohes Faszinationspotenzial und sind längst fester Bestandteil ihrer Lebenswelten. Diese Anziehungskraft machen sich die Entwickler von Videospielen, Handygames, Sozialen Medien wie Tik Tok oder auch Influencer/-innen zu Nutze, um an den Sorgen, Wünschen und Ängsten der Teenager Geld zu verdienen. Kritikern zufolge beschäftigen manche Unternehmen inzwischen mehr Psychologen als Programmierer. Sie produzierten „digitales Heroin“, um Jugendliche an die Medien zu binden, heißt es. 

Bildungsgrad der Eltern beeinflusst kindliche Mediennutzung 

Der Experte verweist auf Studien, wonach die Art der kindlichen Mediennutzung sowie die Qualität elterlicher Anleitung direkt vom Bildungsgrad der Eltern abhängen. Die von der AWO betreuten Familien sind in der Regel mit emotional komplizierten Lebenssituationen konfrontiert, haben Verlusterfahrungen und Beziehungsabbrüche erlebt. Kinder aus diesen Familien neigen deshalb eher zu einer problematischen Mediennutzung. Spiele und soziale Netzwerke werden dann schnell zur Flucht: Die Kinder finden an den Monitoren einen Rückzugsort, in dem sie sich auskennen, in dem sie etwa als Held/-in eines Spiels stark sind und subjektiv die Kontrolle haben. „Sie erfahren hier Kompetenz, Wertschätzung von Gleichgesinnten und können vermeintlich selbstbestimmt handeln“, sagt Westenfelder. 

Um dieser Situation besser zu begegnen, schult der Fachstellen-Leiter die über 160 pädagogischen Fachkräfte darin, wie solche Kinder – aber auch ihre Eltern – im Umgang mit digitalen Medien gestärkt werden können. „Ziel muss es sein, den Kids eine selbstbestimmte und eigenverantwortliche Nutzung digitaler Medien zu ermöglichen. Wird nur reglementiert und verboten, ist eine fremdbestimmte Nutzung vorprogrammiert und es wird Heranwachsenden sehr schwer, sich selbst zu regulieren“. Und für die Eltern heißt das, „Vertrauen aufbauen, sich intensiv mit der Lebenswelt ihrer Kinder befassen und Hilfe suchen“, so der Medienpädagoge. 

Kontakt: Eike Westenfelder AWO Karlsruhe gemeinnützige GmbH, Fachstelle Medienpädagogik, E-Mail: e.westenfelder@awo-karlsruhe.de 

Der AWO Kreisverband Karlsruhe-Stadt e.V. bietet viele soziale Dienstleistungen an, die in einer gemeinnützigen GmbH organisiert sind. Dazu gehören 80 Einrichtungen mit Angeboten für alle Generationen und Lebenslagen. Die 1.600 hauptamtlichen Mitarbeiter/-innen beraten, unterstützen und begleiten Menschen in allen Lebenslagen, wie z.B. in den 18 Kindertagesstätten, in der Kinder- und Jugendhilfe, bei Pflegeplätzen für Senior/-innen, mit der Mobilen Pflege und Betreuung, in der Tagespflege, mit dem AWO Menü – Essen auf Rädern, bei Arbeitslosigkeit, Drogenabhängigkeit, psychischen Erkrankungen, bei Obdachlosigkeit, u.v.m. Als einer der größten Arbeitgeber in Karlsruhe schreibt die AWO auch immer wieder interessante Stellenangebote aus. In den Bereichen Pflege, Hauswirtschaft und Erziehung stehen mehr als 90 Ausbildungsplätze zur Verfügung. Die AWO Karlsruhe bietet zudem vielfältige Möglichkeiten für ein ehrenamtliches Engagement. Professionelle Fort- und Weiterbildungsangebote mit spannenden Inhalten von ausgewählten Referent/-innen finden Sie im aktuellen Kursprogramm der AWO Akademie. 

Weitere Informationen finden Sie auf: www.awo-karlsruhe.de 


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