Irgendwas mit Medien – Teil zwei

was mit Medien am provenzalischen Markt, Grafik: Günter Land

„irgendwas mit Medien…“

…meinte mein Verleger gerade am Telefon, sollte ich mir bis heute Abend als Thema meiner Kolumne ausdenken. Und das mitten in der Provence auf einem quirligen Markt voller guter Gerüche nach frischen Meeresfrüchten, gereiftem Käse und gebrannten Mandeln. „Da laufen doch bestimmt jede Menge junge Leute in ihr Handy versunken herum“, meinte er abschließend, „da fällt dir sicher was zu ein“.

Fehlanzeige, lieber Verleger, hier gibt es so viel zu sehen, zu probieren und zu kaufen, dass selbst der hartgesottenste Teenager seinen Handydaumen anderweitig benutzt. Schaut man allerdings in die an den Markt angrenzenden Cafés und Restaurants, sieht die Sache ganz anders aus. Dort sitzen Paare reiferen Alters und fortgeschrittener Bräunungsgrade in maritimen Outfits vor einem Glas Aperol Spritz und schweigen sich an. Denn jeder ist in sein Smartdingsbums versunken. Vermutlich berichten sie ihren Daheimgebliebenen im usseligen Schmuddelwetter von den Vorzügen der Provence zu dieser Jahreszeit oder sie fotografieren das gerade servierte Essen und schicken es mit einem gedachten Ällalätschfinger in den digitalen Äther.

Vielleicht buchen sie aber auch gerade das nächste Hotelzimmer oder suchen einen Wohnmobilstellplatz für die kommende Nacht. Früher bedurfte es dafür eines Reisebüros oder eines dicken Führers aus Papier und einigermaßen moderater Sprachkenntnisse, um sich am Telefon dem Rezeptionisten am Urlaubsort verständlich machen zu können. Ja, diese Smartdinger sind schon ein Segen, wenn man mal schnell ganz nebenbei eine Information braucht.

Wie umständlich war es doch früher, den großen Brockhaus zu bemühen, um mal eben etwas über Madame Curie oder das Liebesleben der Grottenolme zu erfahren und wie dröge war es, wenn der bildungshungrige Vater früher beim Mittagessen etwaige aufkommende Fragen der Allgemeinbildung direkt vor Ort aus dem 24-Bänder durch das Vorlesen eines kompletten Artikels beantwortete. Wenn man Glück hatte, war wenigstens ein Bildchen dabei und der Sonntagsbraten war noch nicht ganz kalt geworden in der Zwischenzeit.

Heute kann die Dozentenrolle jeder Zehnjährige übernehmen dank seiner ausgereiften Handy-Bedienerkenntnisse. Meist ist allerdings die Aufmerksamkeitsspanne für das Gelesene nicht annähernd so lang, wie die meines Vaters damals. Tempera mutantur, dafür freut der sich heute ein Loch in den Bauch, wenn er mit fast einundneunzig eine Mail bekommt und deren Anhänge öffnen kann.

In einem der Bücher, die ich gerade lese, kommt ein Fotograf vor, der die brisanten Bilder eines Verbrechens, die er heimlich geschossen hat, zuerst zum Entwickeln bringt, bevor er den Täter schwarz auf weiß vergrößern kann. Beim ersten Lesen war ich komplett irritiert. „Wieso schaut er sich die Dinger nicht gleich an und zoomt den Verbrecher groß?“

Tja, 1998 war die digitale Fotografie noch nicht so verbreitet und das Großwischen mit zwei Fingern wäre bestenfalls als Tick durchgegangen. Überhaupt sieht man in Sachen Fotografie in letzter Zeit immer wieder Menschen, vor allem aus Asien, die mit Tablets unterwegs sind, die beim Fotografieren partielle Sonnenfinsternisse auslösen und die Größe ganzer Esstische haben. Ich erinnere mich noch gut, wie erwachsene Männer stolz die Größe ihrer Mobiltelefone verglichen, ganz nach dem Motto, meines ist kleiner und flacher. Offenbar geht der Trend momentan wieder in die andere Richtung.

Apropos, neulich waren wir in einer ganz besonderen historischen Zahnradbahn unterwegs, die uns auf die Höhen der wunderschönen spanischen Pyrenäen bringen sollte. Alle Mitfahrer waren begeistert ob der altertümlichen Technik und der herrlichen Landschaft, die vor den Panoramafenstern vorbeizog. Alle? Nein, ein kleiner koreanischer Junge, der mit seinem Vater samt Rollkoffern offenbar in das Luxushotel auf der Bergspitze unterwegs war, hatte keinen einzigen Blick für die fantastische Bergwelt um ihn herum. Denn er sah, tief über sein Tablet gebeugt, eine jener Trickfilmserien, von denen ich immer behaupte, dass sie kleinen Kindern im Nullkommanix zu lebenslangen Traumata verhelfen. Da der niedliche Junge direkt neben mir saß, kann ich bezeugen, dass er die komplette Fahrt von 50 Minuten durchgängig auf das Trickfilmmasacker vor sich gestarrt hat und nur einmal mit seinem Vater kurz ein paar Worte wechselte, als es um ein kleines technisches Versagen des Tablets ging.

Fand ich sehr irritierend, dieses Verhalten von Vater und Sohn. Aber wie bei allem macht auch hier die Dosis das Gift. Und gäbe es diese Tablets nicht, hätte ich nicht innerhalb kurzer Zeit diese Zeilen schreiben und sie erfolgreich von der Provence nach Karlsruhe expedieren können, hoffentlich zur Freude meines Verlegers…

(von meinem iPad gesendet)

Anm. d. Verlegers: So hat doch jede Seuche auch Ihr Gutes. Ich bin froh, dass diese köstliche Kolumne dank der Technik und der Genialität der Autorin uns alle noch rechtzeitig erreicht hat.


Den ersten Beitrag zur Kolumne mit dem Schwerpunkt „Medien“ von Eva Unterburg finden Sie hier: „irgendwas mit Medien…“


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