Luxus-Luftikus

Der bekannte Wiener Verhaltenspädagoge und Erfolgs­autor Gerhard Spitzer, Gründer des Vereins KiddyCoach und Autor von „Entspannt Erziehen“ ist bekannt durch seine humorvollen Vorträge zum Thema.

Unrlaubsverweigerer

Adrian ist heute in leicht ungnädiger Stimmung. Mit wenig huldvollen Worten quittiert der Vierzehnjährige die soeben von seinen Eltern begeistert vorgetragenen Reisepläne für den kommenden Sommer: „Na so ein sch… Plan! Was sollen wir denn in dem blöden Duu…bai? Das ist doch irgendwo am A… der Welt?“

Gratuliere, denke ich! Hoch eloquent formulierte Einleitung von dir, junger Shakespeare! Aber das kannst du doch sicher besser, oder? Ja, kann er! Adrians Urlaubsablehnung findet eine konsequente Fortsetzung: „Da hängen doch sicher bloß Gruftis rum, oder? Außerdem, pfeif´ ich auf Strand. Ich will Äktschn!“ Dann der amtliche Beschluss: „Da könnt ihr alleine hin! Ich bleib da! Basta!“

Na gut. Wir klinken uns hier einfach aus, weil wir uns nicht auch noch die Urlaubslaune verderben lassen wollen.

Gewitterstimmung

Was wir bis jetzt erlebt haben, ist klarerweise kein Einzelfall. Zahllose hoch kooperative Teenager dieser Welt weigern sich ohne Vorwarnung plötzlich, die bisher gewohnte Urlaubsroutine mit der Familie noch mitzumachen. Quasi „Out of the blue“ stehen dann unzählige Eltern vor den Trümmern ihrer freudvoll geschmiedeten und zumeist nicht gerade billigen Pläne für den nächsten Urlaubstrip.

Was tun? Den ganzen Urlaubs-Trip trotz Weigerung wie geplant durchziehen? Na das wird lustig! Wenn man dann jeden sonnendurchfluteten Morgen in der teuer gebuchten Strand-Suite in die gewittrig verzerrte Gesichtsarchitektur seines ehemaligen Sonnenscheins blicken darf, weiß man, was „Morgengrauen“ wirklich bedeutet. Die ganztägige Gewitterstimmung frisst dann natürlich die ganze Familien-Urlaubslaune rückstandsfrei auf! Trotzdem nehme ich wahr, dass es die meisten, solcherart beglückten Eltern dennoch wagen, die Weigerungen in den Seewind zu schießen und die einmal geplanten Fernreisen durchzuziehen, komme, was da wolle! Na gratuliere! Gutes Gelingen, euch allen!

Doch auf Teenager-Urlaubsbedürfnisse soll ja meine heutige Nachdenkpause gar nicht abzielen. Ich will möglichen Ursachen für mach eine kindliche oder jugendliche Urlaubsmüdigkeit auf den Grund gehen. Dazu halten wir kurz „Nachurlaubs-Besprechung“ bei einem siebenjährigen Reise-Prinzen, namens Oscar ab.

Nachbesprechung

„Wo wart ihr denn heuer auf Urlaub?“, frage ich meinen kleinen Klienten. Der plätschert sofort drauflos: „Na ja, zuerst sind wir im Juli nach Lanzenorte geflogen (Lanzarote – Anm. des überkorrekten Kolumnisten). „Aha?“, frage ich ziemlich überrascht, „und was habt ihr dort so gemacht?“ „Na einen Tauchurlaub natürlich!“ „Aha – wie dumm von mir! Du warst dort also tauchen?“ „Nein, nein! Du Dösel!“, versetzt der freundliche Reise-Profi kategorisch, „Kinder können doch noch nicht tauchen gehen, weißt du das denn nicht? Meine Eltern waren tauchen und ich bloß planschen und Schnorcheln!“

„Aha!“, nicke ich. Was man als nicht Lanzarote-Konsument so alles erfährt. „Und dann?“ „Na dann – im August sind wir nach Denken-Mark geflogen (Dänemark, Anmerkung desselben Klug…en Menschen). Von dort haben wir dann alle eine Kreuzfahrt ans Norden-Kap (Anmerkung: keine Anmerkung) gemacht!“

Jetzt brauche ich dringend einen Schluck frisches Polarwasser – von dem es aufgrund bisher offenbar nicht groß aufgefallener Erwärmungserscheinungen aktuell eine ziemlich große Schwemme auf dem Markt gibt – und muss aufpassen, dass ich mich nicht heftig verschlucke, als ich mit rauer Stimme nachfrage: „Und Oscar? Was hast du dort alles gesehen?“ Der: „Äääh! Weiß ich nicht mehr!“

Noch Fragen?

Wieder klinken wir uns hier besser huldvoll aus und lassen Oscar, den kleinen Luxus-Luftikus besser wieder alleine mit seinen überwältigenden Reise-Erinnerungen.

Vorsicht, Inflation

Damit sind wir auch schon beim Kern meines Themas gelandet: Bei der Überwältigung. Es ist nämlich so: Was für Erwachsene als Top-Destination und lebenslang erstrebenswertes Reiseziel gegolten haben mochte, kann für Kinder bloß überwältigend sein. Soweit so gut! Aber es wird gleich noch nachdenkswerter: Können Sie sich noch an Adrian erinnern? Er hat eine ähnliche steile Luxus-Reise-Karriere hinter sich, wie unser Oscar. Irgendwie hat er schon „alles erlebt“, was man sich an Top-Destinationen in diesem Alter vorstellen kann. Die Super-Urlaubsaufenthalte haben keinen Stellenwert mehr in der Wahrnehmung des Jungen. Die Erinnerungen und „Erlebnisse“ sind inflationär geworden. So nennen das jedenfalls die Verhaltensforscher. Und was Inflation bedeutet, brauche ich sicher nicht erklären.

Tiefe Erkenntnis: Da Kinder heutzutage sowieso schon daheim allen Luxus haben und mit noch mehr eigentlich gar nichts mehr anfangen können, ist es aus pädagogischer Sicht wesentlich hilfreicher, Urlaub zu machen, der auch einen Mehrwert für die kindliche Seele hat. Und der bestünde in Wahrheit aus Erholung vom Überfluss.

Mutig gefragt: Müssen sehr junge Kinds wirklich lange, sündteure Flugreisen unternehmen, nur um an vermeintlichen Top-Destinationen anzukommen? Warum sehen so wenige Menschen die dahinter lauernde Gefahr?

Ich glaube nämlich, dass eine Abnahme der Wertschätzung für einen jungen Menschen einer der größten Stolpersteine auf dem Weg zur Zufriedenheit ist. Genau die ist es aber, um die sich alles drehen sollte.

Sparschiene

Bei uns in Österreich gibt es seit einiger Zeit auf der Bahn das Angebot „Sparscheine“ Das mache ich Ihnen jetzt von Herzen gerne auch: Sparen Sie bitte schon ab heuer beim Reisen, denn nicht der Wert der Destination zählt wirklich, sondern die Intensität des Zusammenseins mit den geliebten Bezugsmenschen innerhalb der Kernfamilie.

Dieses Zelebrieren von persönlicher Qualität gelingt aber am Besten bei bodenständigen Urlauben in möglichst „spartanischen“ Urlaubsverhältnissen, in Ruhe und Beschaulichkeit.

Ich plädiere daher aus kindgerechter Sicht dafür, sehr bewusst die Einfachheit zu suchen, um sich wortwörtlich Auszeit vom Luxus zu nehmen. Es ist ja kein Zufall, dass sich das Projekt ich-schlaf´-mit-dir-Zelt schon immer bewährt hat.

Also, los: Mutig und unaufwändig hinaus in die Welt, oder auch bloß in die nähere Umgebung von Baden Württemberg. Bayern darf wieder ins Portfolio und Österreichs Berge natürlich. Ganz allgemein darf sich das Programm auf die Grund-Elemente Wald und Flur, Luft und Ruhe besinnen und damit verbunden, auf ein möglichst intensives Teilen der Entspannung und des füreinander da Seins.

Sie werden es mögen.


Redaktion

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