Safety First! – Auf Nummer Sicher

Unser Wiener Erfolgsautor, der Heilpädagoge Gerhard Spitzer, macht einen augenzwinkernden „Sicherheitscheck“

Fahrten-Service

Das Schulweg-Shuttle-Service von daheim bis zur Schule ist begehrt. Genauer gesagt: Die junge Mama Stefanie begehrt es allein! Sohnemann Manuel, schon 10 Jahre alt, findet das eher „ätzend“. Neulich hat er das einigermaßen deutlich klar gestellt: „Aber deine Kiss-and-go-Zone muss eine Hausecke von unserer Schule entfernt sein! Sonst ist das ja mega peinlich!“

Was für eine Ansage von einem solchen Grünspan! Sicher haben Sie, liebe KARLSRUHER KIND-Fans so einen Unsinn noch nie gehört! Oder? Willkommen bei meiner neuen Kolumne zum in diesem Monat übrigens schon zwölfjährigen „Jubiläum“ meiner bescheidenen Beteiligung an dieser engagierten Elternzeitung! Danke, liebe „Follower“, für Ihre Treue!

Verkehrs-Service

Manuels offensichtliche Gegnerschaft zur täglichen Fuhre hat allerdings noch ganz andere Gründe, als eine mögliche Blamage beim Abschiedsküsschen. Die Grundschule Beiertheim liegt bloß vier Blocks von der Breite Straße entfernt, in der Manuels Familie wohnt. Im Gespräch mit Mama Stefanie wird alles klar: „Mein Kind geht auf keinen Fall jeden Tag die halbe Marie-Alexander-Straße entlang!“

„Tschuldigung liebe Mom“, denke ich spontan, „aber es sind ja nicht einmal dreihundertfuffzig Meter!“ Aber ich sage besser nix. Ich werd´ mich hüten, eine so ortskundige Sicherheitschefin zu korrigieren.

„Und dann noch die vielen Ampeln“, stöhnt Stefanie weiter. Schon wieder meldet mein notorisches Berater-Hirn: „Es sind bloß vier Stück!“ Allerdings schweige ich weiterhin höflich! Schierer Selbstschutz, Leute! … „und so viel Verkehr!“, schießt sie noch nach. Kein Kommentar!
Wir können es ohnehin gut sein lassen mit diesem Sicherheits-Gespräch. Der Familien-SUV ist eben die Safety-Garantie fürs gute Kind. Dass zuweilen auch Fahrzeuge im deutschen Großstadtverkehr in manch eine blechhaltige Crash-Bedrängnis geraten können, ist hier noch weniger diskussionstauglich!

Begleit-Service

Lilly ist zwar erst neun, das Mädchen darf aber wenigstens schon alleine vor die Haustüre treten. Wow! Info: Besagte Türe befindet sich im beschaulichen Karlsruhe-Dammerstock. Knapp vor der Klinke allerdings muss das gute Kind immer stehen bleiben bis Mami kommt, denn über die Straße zur Freundin Isabella (8) darf sie noch nicht alleine gehen. Für diese Challenge muss sie auf Mamas führende Hand warten. Die kommt dann auch immer gleich zuverlässig und führt Lilly zur befreundeten Familie, drei Blocks schräg gegenüber. Die Sicherheit des Töchterchens steht halt im Fokus. Klar: Beim Überqueren so einer namhaften Straße ist das schon angesagt. Übrigens: Die Koblenzer Straße in Dammerstock ist eine Sackgasse. Egal!

Zugegeben: Beide Fälle lesen sich… nun, sagen wir „leicht überzeichnet“? Das sind sie wohl auch! Allerdings: Wahr und authentisch sind sie trotzdem! Nur die Namen habe ich – wie es sich in unserem Job nun mal gehört – verändert.

Sicherheits-Service

Die beschriebene Art von Helikopter-kompatiblem Sicherheitsverständnis ist – und das macht mein Heilpädagogen-Herz ein wenig besorgt – aktuell eben wie ein Virus in rascher Ausbreitung begriffen.

Ich greife also in beiden Fällen mutig ein und erlaube mir, Lillys Mutter folgendes zu fragen: „Wie lange haben Sie vor, ihre liebe Tochter noch an der Hand über die Straße zu führen? Bis Elf, oder Dreizehn, Fünfzehn oder Fünfundzwanzig?“ Klingt wieder überzeichnet? Ja, ich weiß! Des Pudels Kern liegt aber in der Tatsache, dass Kinder, die ganz lange super-sicher „eingekernt“ worden sind, nicht nur später erwiesenermaßen in manch eine arge Unterschätzungs-Situation geraten, sondern zu wahren „Junkies“ werden können. Wie bitte? Was soll das denn jetzt?

Nun, mit Junkie ist jemand gemeint, der etwas sehr häufig angeboten bekommen hat, und darauf gerne und reichlich zurückgreift, bis er nicht mehr anders kann, als den Zugriff immer wieder zu nutzen. Ergebnis: Inflationäre Nutzung, Gewöhnungseffekt, Verhaltens-Sucht – Junkie eben!
Dazu kommt noch, dass Kinder, die man immer massiv beschützt, sehr schlecht darin werden, auf sich selbst zu vertrauen. Das Stichwort dazu lautet: „Selbstwertgefühl!“ Darauf werden Lillys Mutter und auch Stefanie künftig wohl ein wenig besser zu achten haben!

„Wenn du die Lebenslaufbahn deines Kindes zu verpfuschen gedenkst, räume ihm alle Hindernisse aus dem Weg!“

Emil Oesch



„Und wie soll ich das machen?“ Stefanies Frage trifft mich wie der Blitz aus einem Gewitterhimmel: Wenig überraschend!
Ihr neues kindgerechtes Stichwort, liebe Stefanie, heißt ab heute „Eigenkompetenz“. Lassen Sie den SUV doch stehen – siehe Spritpreise – und begleiten Sie Söhnchen Manuel zu Fuß! Erstmal nebenher, dann knapp hinter dem Kind, danach mit einigen guten Tipps ausgestattet, immer weiter entfernt. Am Abend ist ein kleines aber authentisches Lob fällig: „Du hast super sorgfältig rechts und links geschaut! Das hat mir gefallen! Ab morgen schaffst du das ganz alleine! Viel Spaß, mein Schatz!“ Tja, so geht´s auch! Kinder können da sehr sorgfältig sein.

Ein strahlendes Lächeln inklusive dicker Umarmung ist der Lohn. Wie jetzt? Habe ich da ein bissl Stolz in Manuels Blick gesehen? Genau! Probieren Sie doch auch, in manch ein bisheriges Eltern-Schutzverhalten ganz bewusst Eigenkompetenz einzubauen. Suchen Sie jetzt nach einem Funken Stolz im Blick Ihres Kindes!

Sie werden es mögen!


Redaktion

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