Krimineller Nachbar ist kein Grundstücksmangel!

Rechtskolumne des Karlsruher Rechtsamwalts Dr. Fabian Köntopp

Rechtsamwalt Dr. Fabian Köntopp

Beim Kauf eines Grundstücks sollte man sich nicht nur das Kaufobjekt, sondern auch die Nachbarschaft vor Vertragsschluss besser genau anschauen. Dies zeigt sich in einer Gerichtsentscheidung des Oberlandegerichts Karlsruhe vom November vergangenen Jahres (OLG Karlsruhe, Urteil v. 05.11.2021 – 10 U 6-20, Pressemitteilung vom 10.11.2021 (17/21)). Das Gericht hatte hier eine Klage gegen eine Verkäuferin und Eigentümerin eines Hauses sowie eines angrenzenden Baugrundstücks in Mannheim zu entscheiden. Diese verkaufte das Nachbargrundstück an eine junge Familie mit zwei minderjährigen Töchtern wohlwissend, dass die Käufer auf dem Grundstück ihr Eigenheim errichten wollten. Über etwaige, aufgrund der Nachbarschaft bestehende Besonderheiten, klärte die Verkäuferin die Familie nicht auf. Insbesondere informierte sie die Käufer weder darüber, dass ihr Sohn, welcher mit ihr im Haus lebte, in den vergangenen Jahren verschiedene Straftaten, u. a.  Beleidigungen, Bedrohungen sowie alkoholbedingte tätliche Angriffe auf Dritte u. a. Polizeibeamte, begangen hatte, noch darüber, dass der Sohn bereits von einer Nachbarin zivilrechtlich auf Unterlassung wegen nachstellenden Verhaltens in Anspruch genommen worden war. 

Nach Einzug der Familie in ihr neues Eigenheim kam es dann, wie es zu befürchten war. Der zum Urteilszeitpunkt 63-jährige Sohn der Verkäuferin hatte seine Verhaltensweise nicht geändert. Er begann vielmehr unmittelbar seine neuen Nachbarn auf verschiedenste Weise zu schikanieren. Dies reichte von ständigen Beobachtungen vom Fenster aus über nächtliche Klopfgeräusche an der Hauswand bis hin zu wiederholten derben Beleidigungen und sogar zweifach Todesdrohungen. Während er sich bei der ersten Drohung noch darauf beschränkt hatte, anzukündigen seine Pistole aus dem Haus zu holen, griff er beim zweiten Mal zu einer Axt und verfolgte damit den Vater der Nachbarsfamilie. Der Ehemann konnte sich zum Glück durch Flucht dem Angriff entziehen, wodurch sich der Nachbarssohn veranlasst sah, seine Aggressionen mit dem Beil an den beiden Autos der Familie auszuleben. So tyrannisiert und in Angst um ihre Familie entschloss sich das Ehepaar schließlich ihr neu errichtetes Eigenheim zu verkaufen und wegzuziehen, wobei sie die neuen Käufer über die Vorkommnisse informierten. Im Anschluss hieran verklagten sie sowohl die Verkäuferin als auch den Sohn auf Schadenersatz u. a. für die angefallenen Umzugskosten und den Wertverlust der Immobilie. 

Während das Gericht der Klage gegen den Sohn der Verkäuferin weitestgehend stattgab und mit seinem Urteil klarstellt, wer seinem Nachbarn durch Nachstellen und beharrliche Bedrohungen zum Wegzug veranlasst, ist diesem auch zum Ersatz derjenigen Kosten verpflichtet, die dem Nachbarn zur Wiederherstellung seines persönlichen Sicherheitsgefühl entstehen (Umzugskosten, Grunderwerbssteuer, etc. nicht jedoch Wertverlust der Immobilie), wies das Gericht die Klage gegen die Verkäuferin selbst ab.

Das OLG Karlsruhe begründet seine Entscheidung damit, dass ein schikanöses Verhalten eines Nachbarn kein Sachmangel des Grundstücks darstellen könne und auch keine vorvertragliche Aufklärungspflicht über die strafrechtlichen Vorkommnisse bestanden habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 22.02.1991, V ZR 299/89, NJW 1991 1673, 1675) seien Sachmängel zwar nicht auf Umstände beschränkt, die der Sache aufgrund ihrer natürlichen Beschaffenheit anhaften, sondern könnten auch auf deren Beziehung zur Umwelt zurückgehen. Erforderlich ist aber, dass diese Beziehungen, seien sie tatsächlicher, rechtlicher oder wirtschaftlicher Art, in der Beschaffenheit der Sache selbst ihren Grund haben. Dies sei bei Einwirkungen, die nur von der Person des Nachbarn ausgehen, in der Zweckbestimmung des Nachbargrundstücks aber kein Niederschlag gefunden haben, nicht der Fall. Auch für eine Aufklärungspflicht fehle es an einem ausreichend klaren Bezug der Straftaten zum Grundstück. Unter Berücksichtigung dieser Entscheidung ist jedem Käufer einer Immobilie oder Grundstücks zu empfehlen, will er nicht auf einer entsprechenden Wertminderung seiner Immobilie sitzen bleiben, sich vor Vertragsschluss auch die zukünftige direkte Nachbarschaft genauer anzuschauen und nicht darauf zu vertrauen, der Verkäufer würde ihn über besondere Vorkommnisse schon informieren. 

Dr. Fabian Köntopp 

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Lehrbeauftragter an der Dualen

Hochschule Karlsruhe

Beinert & Partner Rechtsanwälte Partnerschaft mbB


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