Mit Sicherheit sicher

Der bekannte Wiener Verhaltenspädagoge und Erfolgs­autor Gerhard Spitzer, Gründer des Vereins KiddyCoach und Autor von „Entspannt Erziehen“ ist bekannt durch seine humorvollen Vorträge zum Thema.

Auf keinen Fall

„Nein!“, winkt Mama Klara kategorisch ab, „auf keinen Fall gehst du alleine den ganzen Schulweg!“ „Aber Mama!“, wehrt sich Sohnemann Oscar, der seinen Alleingang heute schon zum mindestens zehnten Mal einfordert, „der Marcel geht doch auch und der wohnt ums Eck!“

„Was?“, begehrt Mom schrill auf, „ausgerechnet dieser Zappelphilipp soll dich begleiten? Der hat doch ein Aufmerksamkeits-Defizit und rennt bestimmt mit dir ins nächstbeste Auto! Kommt doch gar nicht in Frage!“

Lassen wir´s gut sein, Leute! Ich nütze die Gelegenheit, mich aus dieser unerfreulichen Diskussion auszuklinken und heiße Sie, liebe Freunde des KARLSRUHER KIND erstmal herzlich willkommen zu meinem jährlichen Sicherheits-Check!

Sicherheits-Shuttle

Ja, das macht schon Sinn… auch wenn man Sinn gar nicht „machen“ kann, aber wenn alle namhaften Journalisten so reden, darf ich namenloser Wiener das auch.

Dafür, dass Mama Klara so toll auf ihren Sohnemann aufpasst muss die tägliche Sicherheits-Variante an den Start: Ab ins Auto mit dem Knaben und los geht´s! Hoppla! Na das war ja nicht wirklich eine lange Fahrt! Nur acht Häuserblocks mit dem SUV, der noch nicht mal seinen ersten Liter geschluckt hat! Und warm ist er auch nicht geworden, der Riesenbrummer. Aber dafür ist Söhnchen Oscar jetzt bombensicher in der Schule angekommen und hat die sieben gefährlichen Kreuzungen nicht alleine, oder gar in Gesellschaft dieses unmöglichen Marcel überqueren müssen! Erwähnte ich eigentlich schon Oscars Alter? Nein? Elf Jahre, Leute! Klingt schon wieder ein wenig überzeichnet? Klar tut es das! Aber solch eine hochsichere Vorgehensweise ist leider auch für diese Altersgruppe durch­aus Standard!

Zahllose Eltern verstehen sich als selbstverständlicher Langzeit-Shuttle-Dienst. Auch und vor allem, weil es ja alle Anderen auch so machen! Wie sähe das denn aus, wenn Junior als Einziger andauernd mutterseelenalleine am Schul-Vorplatz aufschlägt. Und, na ja, ein bissl spielt ja wohl da und dort auch das Vorführen der schicken Protzkachel eine Rolle. Aber die Sicherheit der lieben Kinder muss eben möglichst forever gewährleistet sein! Dass das Autofahren auch seine Risiken birgt, wird sowieso ausgeblendet: „Ich bin doch schon fuffzehn Jahre unfallfrei!“

Mama Klara bekommt natürlich Anerkennung von mir: „Sehr lobenswert, Ihre Sorgfalt, aber leider nicht sehr nachhaltig!“ Deshalb frage ich keck nach, wann die Guteste gedenkt, ihrem Sonnenschein das möglichst lebensverlängernde Per-Pedes-Durchqueren eines städtischen Ballungsraumes beizubringen. Ab Zwölf vielleicht, oder mit 15? Mit 19? Klingt abwegig, oder? Ist es aber nicht, sonder eher pädagogisch betrüblicher Alltag. Langzeit-Elternrolle halt.

Frechheiten

Die kleine Mimi, wird gerade vor ihrer gestern noch besten Freundin namens Sarah beschützt. Mimis Mama Doris brüllt laut ins Telefon! Die wahrscheinlich eingeschüchterte Mutter am anderen Leitungsende bekommt ihr Fett ab: „Ich sag’ Ihnen, von Ihrer Göre lasse ich meine arme Tochter nie wieder so frech angehen! Solche gemeinen Schimpfworte wird meine Mimi nie benutzen! (Anmerkung des Autors: „Sind Sie da sicher, werte Doris?“)

Aber noch ist die aufgebrachte Frau nicht fertig: „Ist das jetzt klar? Mein Kind ist tief verletzt! Wenn Ihre Sarah sich nicht einkriegt, dann ist Schluss mit lustig! Besuchsverbot, Telefonverbot, Apperlapapp-Verbot, Tschätt-Verbot, einfach das ganze Programm! Basta!“

Uff! Fertig! Mama Doris knallt triumphierend den Hörer auf die völlig schuldlose Gabel! „Dieser arroganten Schnepfe von Mutter habe ich´s jetzt aber ordentlich gegeben! Diese rotzfreche Sarah wird dich keinesfalls mehr so arg beschimpfen, mein Schatz!“

Mimi hat Tränen in den Augen und auch auf den Wangen. …und es sind keine Freudentränen! Vor Scham würde sie am liebsten in die blitzblank gewienerten Dielenbretter versinken, wenn sie nur wüsste, wie das ohne Potters Zauberstäbchen geht!

Kampfstellung

Leider ist auch Doris Verhalten eher Alltag, liebe Leute: Immer mehr Eltern gehen in aggressive Sicherheits-Kampfstellung für Ihre Kinder, beispielsweise gegen Freunde, aufdringliche Nachbarskinder, strenge Lehrkräfte und sogar gegen freche Hunde, die zu viel an ihrem einzigen Kind rumschnüffeln. Die Kinder müssen beschützt werden, Punktum! Sehr sorgfältig von euch, all Ihr liebenswerten „Hüte-Eltern“! Leider ist das mit der großen Sorgfalt aus pädagogischer Sicht nicht gerade der beste Plan! Denn das übertriebene Sicherheits-Verhalten fördert zwar die Unentbehrlichkeit der Altvorderen, aber mitnichten die Sicherheit der Kinder. Eher trainiert es die Gewohnheit, sich stets auf eine helfende Hand verlassen zu können, und sich eben leider später auch verlassen zu müssen.

Schlussplädoyer

Kinder brauchen Autonomie, um wirklich lebenskompetent zu werden. Sie brauchen auch dringend elternfreie Zeit, die auch mit ein wenig Risiko und vor allem mit Ihrem Vertrauen gewürzt sein muss: „Du wirst das schon gut hinbekommen! Wir haben’s ja geübt!“

Fangen Sie bitte mit dem Autonomie-Training so früh wie möglich an! Schon mit sehr kleinen Kindern kann man das Speil „Schau links, dann rechts!“ bestens trainieren: Garniert mit ein bissl Lachen und Ulkerei macht es den Kleinen dann auch ganz sicher richtig Spaß! Man muss sie ja nicht gleich auf große Fahrt schicken, die kleinen Hosenpupser, aber auch ein vierjähriges Kind kann man mutig vorausschicken: „Du gehst mal vor, ich hinten nach und du zeigst mir den Weg!“

Für Mama Klara hatte ich denselben Sicherheits-Tipp: „Probieren Sie das doch gleich mal mutig mit Ihrem Zwölfjährigen aus!“

Sie werden es mögen!


Redaktion

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