Entscheidungsprobleme

Sollen wir die nehmen?“ Neulich traf ich im Ökosupermarkt am Schokoladenregal zwei kleine Mädchen, die sich eng über die Tafeln gebeugt eifrig beratschlagten, welche der gefühlt 17824987 Sorten wohl die leckerste sei.

Ich gab als alte Schokoladenexpertin ungefragt und sehr spontan meine Meinung zu dieser lebenswichtigen Frage ab und schob auch gleich eine Fachempfehlung hinterher mit dem dümmlichen Satz „Die ist äääächt läckkker!“ Erst die völlig verständnislosen Gesichter der beiden Mädchen brachten mich auf den Boden der Realität zurück. So etwas macht man nicht, sich einfach einmischen in eine wichtige Entscheidung – und dann noch ohne Not Menschen mit seiner subjektiven Empfehlung zu überfallen; das geht gar nicht. Total übergriffig sowas… das machen doch nur Menschen mit akutem Rede- und Mitteilungsbedarf oder welche ganz ohne Freunde.

Und das bin ja eigentlich nicht ich, obwohl, das mit dem Redebedarf kann schon hinkommen… An der Kasse wartend, legten die beiden Mädchen dann das Ergebnis ihrer Wahl hinter meinen Blumenkohl und die Kapern. Innerlich nickend beglückwünschte ich sie zu diesem gelungenen Ergebnis ihrer Verhandlungen. Äußerlich begnügte ich mich mit einem scheuen Lächeln und verkniff mir jeglichen Kommentar, denn die Mädchen schauten etwas ängstlich zu mir hoch. Oh je, so weit ist es schon, ich als Kinderschreck. Vielleicht lesen Sie als deren Eltern gerade diese Zeilen und rufen Ihrem Partner zu „Ich weiß jetzt, wer unsere Töchter angesprochen hat, neulich am Schokoladenregal, wir haben sie!“

Nein es ist nicht das, wonach es vielleicht aussieht. Ich fühlte mich nur so zurückversetzt in die Zeit mit zehn Jahren nach der Klavierstunde, wo ich allwöchentlich mit 10 Pfennigen in der Tasche die Bäckerei meiner Wahl betreten habe, um mir aus den dargebotenen Köstlichkeiten etwas auszusuchen. Das Pallimpallim der Türglocke ließ mir schon das Wasser im Mund zusammen laufen und dann folgte unausweichlich das, was mich die kommende halbe Stunde fast verzweifeln ließ: Ich konnte mich nicht entscheiden.

Meine erste Wahl fiel eigentlich auf die Brausestäbchen, die versprachen die größte Ausbeute beim mageren Budget von 10 Pfennigen. Aber dann waren da noch die Schaumerdbeeren, die Gummischnuller, die Muscheln zum Lutschen, die Colafläschchen und Brausewürfel… Und schon war ich mittendrin im Entscheidungsdilemma.

Letztendlich fiel die Wahl dann doch meistens auf die Brausestäbchen rein aus Gründen der Quantität. Aber schon an der Kasse wäre ich am liebsten wieder umgekehrt und hätte etwas anderes ausgesucht. Es war eine harte Schule, durch die ich da gegangen bin, aber sie hat mich eines für das Leben gelehrt: die erste spontane Entscheidung ist die Richtige!

Ob Schuhe, Mittagstisch oder Wohnmobil, seitdem gehen Einkäufe bei mir sehr schnell und bereut wird hinterher rein gar nichts. Ok, wenn die Schuhe eine Nummer zu klein sind, dann schon, aber immerhin stimmte ja das Design und darauf kommt es schließlich an.

Ja und um auf die Situation im Ökomarkt zurückzukommen: Ich hatte offenbar unterbewusst den Drang, dem vermeintlichen Entscheidungsdilemma der beiden Mädchen auf die Sprünge helfen zu müssen, aufgrund meines eigenen kindlichen Brausestäbchentraumas. Aber siehe da, die waren viel weiter als ich und brauchten gerade mal drei Minuten, um sich auf eine Schokosorte  zu einigen. Das schaffe ich sogar heute noch nicht, trotz jahrelangem harten Training.


Eva

Eva Unterburg

Eva Unterburg schreibt wunderschöne Rezensionen über Kinderbücher und ist langjährige Freundin der Redaktion.

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