Freiwilligenarbeit -ein Erfahrungsbericht einer Karlsruher Familie

„Wir sind reich durch diese gemeinsame Reise“

Nach fünf Jahren als Familie (mit einem Jahr Elternzeit aber sonst vollzeit berufstätig) wollten wir endlich einmal richtig viel gemeinsame Zeit als Familie, mal wieder (wie früher) in ferne Länder schweifen und auch etwas in eine andere Welten abtauchen nach mehr als 20 Jahren im Beruf. Uns schwebte vor, eine Art Sabbatical zu machen und dazu bot sich die Zeit vor dem Schuleintritt unseres Sohnes als gute (vielleicht letzte?) Möglichkeit an, auch mal etwas länger und weiter weg zu fliegen.

Es gibt ja mittlerweile viele Ratgeber, Erfahrungsberichte und Videos zum Thema Elternzeit im Ausland mit kleinen Kindern und Babys. Was uns daran jedoch missfiel, war der „Urlaubscharakter“, ohne einen Alltag im Land selbst und nur als Tourist vor Ort zu sein. Deshalb suchten wir auf den verschiedenen Plattformen im Internet nach FreiwilligenArbeit im Ausland als Familie – das war leider eher dürftig gesät. Durch Zufall wurden wir dann auf eine Information bei Jür-gen’s Arbeitgeber aufmerksam: Die Mitarbeiter wurden animiert sich sozial zu engagieren, bekämen dazu noch drei Urlaubstage geschenkt, und es gab eine ganze Reihe an Projekten im In- und Ausland zur Auswahl. Da wir wegen meiner Selbständigkeit (und den ganzen Kundenprojekten und -Verpflichtungen) nur im Dezember und Januar unterwegs sein konnten, waren die Ziele, in denen zu der Zeit gutes Wetter ist, relativ begrenzt.

So entschlossen wir uns für Asien, was wir aus vorherigen Reisen nach China, Indien und Thailand schon ein wenig kannten. Wir fanden auch ein Projekt, das gerne Familien aufnehmen würde. Dort würden wir bei einer Familie mit eigenen gleichaltrigen Kindern wohnen und Englisch in einer Dorfschule unterrichten. Unser Sohn könnte dabei immer bei uns sein. Ziemlich schnell waren Absprachen getroffen, ein Appartement für die Zeit zum Entspannen am Meer gefunden, die zwei Mo-nate unbezahlter Urlaub beim Arbeitgeber beantragt und die Flüge gebucht. Im April 2016 wussten wir dann, dass wir an Weihnachten in Thailand sein würden.

Wir erkundigten uns wegen Impfungen, überlegten was wir an Gepäck mitnehmen sollten und erfreuten uns an den Vorbereitungen. Natürlich waren wir auch mehr als gespannt und aufgeregt. Wir bekamen im Bekannten- und Freundeskreis neben viel Bestärkung allerdings nicht nur positive Worte: Wieso mit unserem kleinen Sohn soweit? Ob wir das mehr für uns als für ihn täten, der lange Flug? Und die Impfungen? Das, was die meisten allerdings sehr wohl schätzten, war die berufliche Auszeit…

Die genossen wir dann auch in den ersten drei Wochen vor Ort in Khao Lak – der Ort ist vielen sicherlich von der Tsunami Katastrophe 2004 bekannt. Der Flug war entspannt, da wir anstatt drei gebuchten sechs Plätze hatten und uns ausstrecken konnten. Unser Sohn verschlief den Nachtflug komplett. Nach einem erneuten Inlandsflug hatten wir vor Ort eine Flughafen-Abholung organisiert, weil wir nach einer so langen Reisezeit nicht mit Bus etc. durchschlagen wollten. Abends kamen wir an und fielen ins Bett… und am nächsten Tag in den Pool… dort verbrachten wir nun drei Wochen mit relativem Nichtstun – es tat uns allen unendlich gut, kein Zeitdruck, keine großen Regeln, viel Müßiggang. Unser Sohn lernte schwimmen im Pool und war fasziniert von den Pflanzen, Elefanten, Wasserfällen, dem Dschungel und dem badewannenwarmen Meer. Außerdem gab es immer Nudeln mit Thai-Tomatensoße J. Wir fanden einen kleinen ökologisch orientierten Tourenanbieter, ein Familienunternehmen mit eigenen Kindern, deren Reiseleiterin unseren Sohn an der Hand hielt und ihm in Englisch alles erklärte – er war begeistert – auch wenn er nichts verstand. Beim zweiten Ausflug mit dem Anbieter hatte er schon ein paar englische Worte drauf und fühlte sich mit der Aufmerksamkeit sichtlich wohl.

Nach drei Wochen stellte sich dann wirklich so was wie Erholung ein, was wir schon (zu) lange nicht mehr gespürt hatten. Eigentlich genau der richtige Moment für etwas Neues. Wir flogen ins Landesinnere, zwei Stunden von Bangkok entfernt, in die Reiskammer Thailands. Wir kamen bei der kanadisch-thailändischen Familie an, bei der wir die nächsten dreieinhalb Wochen wohnen sollten. Es war sehr herzlich und entspannt. Direkt wurde eine Legokiste rausgeholt und unser Sohn war nach drei Wochen nahezu ohne Spielzeug (was er nicht wirklich vermisst hatte) sofort am Bauen. Es gesellte sich der siebenjährige Sohn und die Nachbarskinder dazu und in diesen diversen Konstellationen verbrachte er nahezu jeden Nachmittag mit Kettcar oder Radfahren, Lego, Ball- und Sandspielen und was Kinder auf der ganzen Welt sonst so machen. Sie verstanden sich ohne Worte und hatten wirklich alle Spaß. Zusätzlich zu uns waren noch andere Volunteers bei der Familie untergebracht, so dass wir immer in großer Runde unsere Mahlzeiten einnahmen. Die Oma der Familie kochte und wir konnten Wünsche äußern – es war köstlich. Der eine oder andere Kochkurs wurde spontan gestartet.

Nach ein wenig Eingewöhnung fingen wir unseren Unterricht in der Schule an, zu der wir jeden Morgen mit dem Rad durch Palmen- und Reisfelder fuhren. Drei Stunden Unterricht gestalteten wir mit Händen und Füßen und dem Grundschulwerk für die erste Klasse englisch für Baden-Württemberg, was wir uns als Grundlage vorher besorgt hatten. Da die Lehrer vor Ort auch kein Englisch konnten, waren wir frei in der Gestaltung und waren froh Vorlagen zu haben, wie wir mit Basteln, Liedern, Spielen und Themen alles gestalten konnten. In der Schule aßen wir mit allen zusammen zu Mittag und hatten dann frei. Dann war Ausruhen, Ausflüge (Tempel, Swimming Pool, Märkte) mit dem Pickup hinten drauf oder alltägliche Besorgungen auf Märkten dran. Es war ein sehr angenehmer Alltag.

In dieser relativ strukturschwachen Region. in der wir waren, herrscht akuter Lehrermangel, viele Englischlehrer bleiben lieber in der Hauptstadt und gehen ungern an eine kleine Tempelschule ins Landesinnere. Ohne uns Volunteers würden die Kinder keinen Englischunterricht bekommen. Mit uns in der Familie und zum Unterrichten an verschiedenen Schulen waren Franzosen, Chinesen, Australier und Singapurianer.

Im Laufe der Zeit wurden wir auch Dorf bekannt und waren dennoch besonders: Denn einen kleinen blonden und blauäugigen Jungen hatte sie dort noch nie gesehen und dementsprechend aufmerksam wurde alles beäugt, was wir taten. Da dies immer freundlich geschah und alle sehr hilfsbereit waren, gewöhnten wir uns schnell daran.

Beim Rückflug hatten wir übrigens das gleiche Glück mit den Sitzen im Flugzeug und verbrachten daher eine leichte Reise – bis uns der 40 Grad Temperaturunterschied Ende Januar in Deutschland ereilte und wir kurze Zeit später eine fiese Grippe hatten – die Rückanpassung war sichtlich schwerer als bei der Hinreise. Auch der deutsche Rhythmus z.B. an den Supermarktkassen macht uns immer wieder zu schaffen – waren wir doch ein durch Temperatur und Kultur beschaulicheren Alltag gewohnt.

Gesa Krämer

Die Autorin beschäftigt sich auch beruflich mit den Themen Ausland, Migration und Kulturelle Kompetenz: Unter www.consilia-cct.com erfahren Sie mehr. Ihre Bücher finden Sie im Buchhandel, darunter besonders: Arbeiten im Ausland – Und die Familie geht mit. Umfang: 176 Seiten, 14,90 EUR, ISBN 978-3-7639-3493-5


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