„Zwei unter Zwei“

Mein Leben als Zweifach-Mama – Teil 5 von Somajeh C. Tewolde

Somajeh C. Tewolde

Es ist – das sage ich voller Stolz – das größte Abenteuer meines Lebens, auch wenn hier nicht die Rede von meinen Erlebnissen als Superheldin sein wird. Ich möchte Euch erzählen, wie es ist, wenn man zwei Kinder unter zwei Jahren mit geringem Altersabstand hat. 

Endlich war er da: der Tag unserer Entlassung aus dem Krankenhaus. Ich freute mich riesig darauf, wieder zu Hause zu sein, auch wenn ich den Aufenthalt im Krankenhaus genossen hatte. Bei der Geburt meines ersten Kindes lag ich 28 Stunden in den Wehen, was dazu geführt hatte, dass ich eine Periduralanästhesie (PDA) brauchte, obwohl ich das eigentlich vermeiden wollte. Dann verlor ich bei der Geburt sehr viel Blut, was eine Kette von unangenehmen Ereignissen in Gang setzte. Und unter anderem dazu beitrug, dass ich enorme Schwierigkeiten hatte, meinen Sohn zu stillen. Doch jetzt bei meinem zweiten Kind war alles anders. Die Geburt dauerte nur zwei Stunden und ich war am nächsten Tag wieder auf den Beinen. Was mich auch sehr glücklich machte: Es klappte mit dem Stillen! Ich war auch viel entspannter, weil ich ja schon Erfahrung in dem Umgang mit Babies hatte. Die Hebamme im Krankenhaus lobte mich sogar. „Das machen Sie echt toll, wie sie mit dem Kind umgehen“, das ging runter wie Butter. 

Zu Hause angekommen musste ich mich aber noch ein wenig gedulden, bis ich meinen Erstgeborenen wieder in die Arme schließen konnte. Denn er war bis zum frühen Nachmittag in der Kita. Eigentlich auch ganz praktisch, so konnten wir erst mal in Ruhe ankommen. Nachmittags machte sich mein Mann auf den Weg, um ihn abzuholen. Die Vorfreude fühlte sich ein bisschen so an wie Geburtstag und Weihnachten zusammen. Doch als ich hörte, wie mein Mann den Schlüssel ins Türschloss steckte, fing das Baby auf meinem Arm an zu weinen und alle Zeichen standen auf: Hunger. 

Oh nein! So gerne ich auch stillte, aber das erste Aufeinandertreffen hatte ich mir anders vorgestellt. Mhm, was nun? Ich zog mich erst mal mit dem Baby ins Schlafzimmer zurück, um ihn zu stillen. In der Zwischenzeit waren mein Mann und mein Erstgeborener in der Wohnung angekommen. Als ich die Stimme des Kleinen hörte, wie er freudig vor sich hin brabbelte, schossen mir Tränen in die Augen. Die riesengroße Vorfreude begann zu kippen. Und eine unvorstellbare Traurigkeit kroch in mir hoch. Ich wollte zu ihm laufen, ihn in den Arm nehmen. Wie sehr hatte ich ihn doch vermisst. Ich wollte meine Nase in seinem kleinen Lockenkopf vergraben, ihn abknutschen, ganz fest an mich drücken. Gleichzeitig hörte ich das wohlige Schmatzen seines Bruders, schaute ihn an, wie er da in meinem Arm lag, völlig hilflos und komplett auf mich angewiesen. Ich trug jetzt die volle Verantwortung für zwei Babys und wollte dem auch auf bestmögliche Weise gerecht werden. 

Erst eine, dann immer mehr und schließlich ein ganzes Meer voll Tränen bahnte sich seinen Weg über mein Gesicht. Ich war total glücklich und gleichzeitig wahnsinnig traurig. Oh Mann – wie schräg war das denn? Mit so etwas hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. War das etwa schon der Vorbote für den Babyblues? Ach ja, das fängt ja meistens am dritten Tag nach der Geburt an. Wie dem auch sei, ich musste mich einfach noch ein wenig gedulden bis ich meinen Erstgeborenen wieder in die Arme schließen konnte. Als sein Bruder satt und zufrieden war, rief ich meinen Mann, der inzwischen mit unserem Sohn im Kinderzimmer war. Ich bat ihn, zu uns zu kommen, um den Säugling auf den Arm zu nehmen.

Und was war das für eine Wiedersehensfreude! Wieder liefen mir die Tränen über die Wangen. Insgesamt hatte ich ihn sechs Tage nicht gesehen. So lange waren wir noch nie von-ein-ander getrennt gewesen. Doch schon im nächsten Moment sollte ich dafür entschädigt werden, denn nun begann der magische Teil. Wir setzten uns auf die große Couch im Wohnzimmer. Ich breitete eine Decke auf dem Ottomanen auf der rechten Seite aus und mein Mann legte den kleinen Bruder darauf ab. Zusammen mit dem Großen setzte sich mein Mann mit ihm daneben und ich mit dazu. Mit seinen großen, braunen Kulleraugen und einem weit aufgerissenen Mund, der zu einem „Oh“ geformt war, schaute er auf das kleine Wesen. Wie schön das Leben doch sein kann!  

Ich schaute mir meine beiden Kinder an und konnte es kaum fassen, dass das gerade wirklich passierte. Wie lange hatte ich auf diesen Augenblick gewartet? Nicht nur während der anstrengenden Schwangerschaft, sondern auch schon viele Jahre vorher, in denen ich einen großen Kinderwunsch hegte. Und ich auch immer ein wenig Angst davor hatte, dass er sich nicht erfüllen könnte. Ein tiefer innerer Frieden überkam mich, den ich vorher so noch nie verspürt hatte. Als ich meinen Mann ansah, konnte ich sehen, dass es ihm ähnlich ging wie mir. Wir küssten uns. Es war einfach schön. Diese Begegnung schenkte mir eine starke, positive Energie, die ich dankbar aufsaugte und abspeicherte. Das war ein Moment, von dem wir viele Jahrzehnte lang zehren werden. Ein Moment, den wir nie wieder vergessen werden und der uns auf ewig miteinander verbinden wird.