Was, Sie haben nur ein Kind?!

Gedanken zum zweiten Kind von unserer Autorin Sarah Nagel

Die Schmerzen der Geburt sind verebbt und eigentlich schon wieder vergessen, das süße Baby kuschelt sich, noch etwas schrumpelig, in die Arme der Mama und verschläft seinen ersten Besuch. Die Eltern empfangen erleichtert die ersten Glückwünsche der Verwandtschaft, erzählen von den aufregenden Stunden. Doch während das Erstgeborene noch friedlich schlummernd herumgereicht wird, wird – nur halb im Scherz – schon die Frage aller Fragen gestellt: „Und? Wann kommt das zweite?“
Nichts ist wohl so penetrant wie die Nachwuchsfrage. Sind Mann und Frau einige Zeit zusammen, gerät jede Familienzusammenkunft zu einem Spießrutenlauf. Selbst Cousin Eddy, dem man noch nicht einmal die Bus-Abfahrtszeiten verraten würde, fühlt sich bemüßigt, eine intime Bemerkung nach der anderen abzufeuern: „Wollt Ihr Kinder? Lieber Mädchen oder Junge? Manchmal klappt’s ja auch nicht gleich…“
Doch wenn kinderlose Paare denken, dass derartige Inquisitionen sich mit dem ersten Kind erledigt haben – Pustekuchen! Vater, Mutter, zwei Kinder – so sieht in den Köpfen offenbar immer noch die ideale Familie aus. Dabei bekommt eine Frau in Deutschland durchschnittlich lediglich 1,5 Sprösslinge. Aber nur ein Kind? Das wirkt unvollständig. Wie gewollt und nicht gekonnt. Früher hat man möglichst viele Kinder bekommen, dass, falls welche nicht durchkommen, sich die anderen immer noch um Haus, Hof und die dann alternden Eltern kümmern können. Dank moderner Medizin steht das Gott sei Dank nicht mehr im Vordergrund. Zugegeben: Babys sind süß. Sie glucksen, sie grinsen, selbst ihr Sabbern ist niedlich. Und das ist auch der Grund, warum die Gesellschaft einfach nicht genug von ihnen bekommen kann und immer wieder Druck macht. Ein gutes Beispiel hierfür ist Herzogin Meghan, Gattin des britischen Prinzen Harry. Die Frau funktioniert wie ein Uhrwerk. Kennenlernen im Sommer 2016, Hochzeit im Mai 2018, Geburt von Archie Harrison Mountbatten-Windsor fast genau ein Jahr später. Drei (!) Monate nach dem kollektiv herbeigesehnten Ereignis fragte die bunte Presse ernsthaft: „Jubel im Königreich! Erwartet sie Baby Nr. 2?“ Nun könnte man sagen, bei Herzogin Meghan gehört das dazu, schließ­lich ist bei ihr das Gebären ja irgendwie ein Teil der Jobbeschreibung.
Aber auch ganz normale Frauen müssen sich immer wieder verteidigen, wenn ihr Kind ein Einzelkind bleibt. Dabei kann es so viele unterschiedliche Gründe dafür geben wie Sand am Meer.
Einer davon: Kinder machen unglücklich – erst mal. Das stellte das Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock fest. Zum Glücksverlust tragen viele Aspekte bei, so Prof. Mikko Myrskylä, einer der Studienleiter. „Frühere Untersuchungen heben Faktoren wie Schlafmangel, eine schlechter werdende Paarbeziehung und Geldsorgen hervor. Eine schwierige Schwangerschaft und Geburt kann Eltern ebenfalls belasten.
Auch ein Faktor: Perfektionismus. In Deutschland herrscht ein sehr ambitioniertes Eltern- und Mütterideal, hat das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) schon 2015 festgestellt. Man will den Bedürfnissen des Kindes gerecht werden. Das ist bei all den Alltagsanforderungen schon mit einem Kind schwierig. Das Fazit der Studie lautet: Je unglücklicher die Eltern in dieser ersten Phase nach der Geburt sind desto seltener bekommen sie ein zweites Kind. Manche treffen die Entscheidung für ein Einzelkind aber auch ohne düstere Gründe. Einfach, weil sie es können. „Ich genieße es, dass meine Kleine langsam selbstständig wird, ich mich wieder in meinen Beruf schmeißen kann. Dass es mit der Tagesbetreuung so toll klappt, dass der Alltag flutscht. Ja, wir sind komplett, danke“, so eine zufriedene Mutter.
Und da sind da ja auch noch jene Paare, über die man kaum spricht. Diejenigen, bei denen es trotz erfolgreicher erster Schwangerschaft nicht klappen will. Der Fachausdruck dafür lautet „Sekundäre Sterilität“. Die Ursachen können sowohl körperlicher als auch psychischer Natur sein. Und das kommt gar nicht so selten vor: Man schätzt, dass es bei bis zu zehn Prozent aller Paare, die sich ein weiteres Mal Nachwuchs wünschen, nicht funktioniert.
Gerade deswegen ist eines so wichtig: Das nächste Mal, wenn Sie ein kinderloses Paar oder eines mit „nur“ einem Kind treffen, zügeln Sie einfach Ihre Neugier. Die beiden werden schon gute Gründe für ihre Entscheidung haben. Und eigentlich geht das so oder so keinen etwas an.


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