Gerhard Spitzer untersucht eine anstrengende Familienreise

Reisebegleiter im Tyrannenmodus

Gerhard Spitzer, der bekannte Wiener Verhaltenspädagoge und Autor von Top-Sellern wie „Entspannt Erziehen“ und „Warum zappelt Philipp?“, hat mit seiner humorvollen und konsequent kindgerechten Sichtweise schon zahllosen Eltern zu einem entspannteren Umgang mit ihren Kindern verholfen. Einer breiten Hörerschaft ist Spitzer durch seine Hörfunk-Live-Talks, sowie mit seinem erfolgreichen Seminarkabarett, „Kinder im Tyrannenmodus“ bekannt geworden.

Familienreise – „Es ist überhaupt nicht lustig, mit unseren Kindern bis zum Urlaubsort auf Gran Canaria zu fliegen!“, beschwert sich der zweifache Vater Uwe F. beim Gesprächstermin. „Beim letzten Mal ist es mit Geschubse, Gerangel, und Geschrei auf den Sitzen dermaßen ausgeartet, dass der Pilot schon umkehren wollte, weil er dachte, es sei eine Horde Terroristen mit an Bord. Unser achtjähriger Sohn Nathan scheint es allerdings auf Reisen immer besonders zu genießen, seine fünfjährige Schwester Isabella zu quälen!“

Schutzmodus – Aber dafür ist ja Mama Ute mit an Bord. Die hat ein ganz besonderes urlaubskompatibles Hobby entwickelt: Immer, wenn Klein-Isabella, die ziemlich ausgefuchste Prinzessin einen ihrer standardmäßigen ich-werde-gerade-unsagbar-schlimm-gefoltert-Heuler über die Köpfe der noch viel ärmeren Mitreisenden ablässt, schaltet die aufmerksame Mutter sofort in den Prinzessinnenschutz-Modus: Ute schimpft dann quer über die Sitzreihe nach hinten mit Sohnemann Nathan, dem arglistigen Schläger. Der wiederum reagiert keineswegs so flugkompatibel wie seine Mom das gerne hätte, sondern motzt standardmäßig erstmal unwirsch zurück: „Ich hab’ doch gar nichts gemahacht!“

Postwendend gibt es den nächsten Rempler! Allerdings von Isabella! Na logisch! Die will ihren Bruder spaßeshalber bei möglichst übler Fluglaune halten und – was ihr noch viel wichtiger ist – ihre Mami in perfektem Aufmerksamkeits-Standby.

Und was macht der Junge? Der reagiert kindgerecht und damit folgerichtig: Weil voraussichtlich sowieso wieder bloß er allein alles abkriegen wird, haut Nathan vorsichtshalber schon mal liebevoll, aber punktgenau zurück und das witzige Urlaubs-Chaos-Intro läuft in geschmeidiger Endlosschleife durch bis Gran Canaria. Gute Erholung, Leute!

Normaler Wahnsinn

Auch, wenn manch einer jetzt vielleicht schon beim Mitlesen stöhnen mag; für mein Erziehungsberater-Ohr hört sich das nach ganz normalem „Reisewahnsinn“ mit Kindern an. Nichts Besonders eben. Auf diese Art schlagen Kids halt die ultra langweilige Zeit in vollbesetzten, nicht besonders kindgerechten, weil restlos bewegungsamputierten Flugapparaten tot. Sonst wäre diese seltsame Reiseweise, die bei Erwachsenen so unbegreiflich beliebt zu sein scheint, für ein kindliches Gemüt ja kaum auszuhalten. Da kommen eben dann altbekannte „böse“ Verhaltensmuster besonders krass ans Dämmerlicht der Passagier-Kabine.

Reisegedanken

Für unsere gleichermaßen engagierte, wie urlaubsreife Mama Ute wäre hilfreich, sie könnte in den aktuellen „Reisegedanken“ ihrer süßen Fratzen lesen: „Cool!“, denkt vielleicht unsere Isabella. „Mami, du funktionierst einfach super! Besonders, wenn du im Reisestress bist, kann ich auf dir spielen wie auf meiner Blockflöte. Ich hab dich ja soo lieb!“

Nathan, der große Fiesling, denkt vielleicht viel pragmatischer: „Hey Leute! Mir ist schlicht und einfach fad im Kopf bei der stundenlangen Sitzerei! Tut doch endlich was dagegen!“

Gut! Das werden wir, Junge! Deshalb gibt es diesmal Reisetipps am Ende des Textes.

Übertragbar

Sicher haben Sie längst erkannt, dass meine nette kleine, übrigens völlig authentische Flugszenerie natürlich beliebig auf eine lange Autoreise oder sonst einen langweiligen Transfer nach möglichst weit entfernten Urlaubszielen übertragbar ist: Kindern wird halt immer und überall sehr schnell langweilig auf Reisestrecken. Da gibt´s nichts zum Schönreden! Aber schöner machen kann man sich das Ganze, wenn man versteht, was in Kindern vorgeht, wenn sie zum Reisen verdonnert werden.

Für dieses bessere Verständnis gibt’s hier schon mal einen Doppelbonus-Tipp:

1) Weil Kinder nicht wie wir Erwachsenen ziel- sondern vielmehr zutiefst aktionsorientiert denken, machen Sie bitte kurzerhand die Reisestrecke selbst zum Ereignis. Das heißt: die „Aktion Fahrt“ selbst muss Spaß machen! Da ist ein wenig Kreativität gefragt – aber nicht allzu viel. Was am Ende der ganzen „Äktschn“ steht, nämlich der eher Erwachsenen-kompatible Luxus-all-inklusive-Konsumrausch in irgendeinem Ort, Far Far Away, ist für Ihr Kind im Moment noch völlig unbedeutend.

2) Verkürzen Sie doch einfach mal rigoros Ihre Reisestrecke und somit gleichermaßen Ihren eigenen Reise- wie Kinder-Bespaßungsstress!

Sie werden es mögen!
Ihr Kiddy-Coach Gerhard Spitzer


Reisetipps:

• Machen Sie die Urlaubs-Anreise doch selbst zum Top-Ereignis: Spannende Rate-, Such- und Fragespiele können ganz ohne Materialaufwand durchaus Top-Einschaltquoten bei Ihrem ansonsten reisemüden Nachwuchs erzielen.

• Freuen Sie sich doch bitte selbst „ganz besonders auf die Fahrt“! Dann werden auch Ihre Kinder dem „Ereignis Anreise“. viel mehr abgewinnen können.

• Bekämpfen Sie bitte nicht das Fehlverhalten: „Sitz’ endlich still!“; „Kannst du dich nicht benehmen?“ Loben Sie stattdessen mal, wenn alles ruhig ist. Sie werden staunen, um wie viel länger das anhält.

• Kann es denn anstatt Canaria nicht auch mal „Bavaria“, oder gar dieses unattraktive, weil viel zu nahe Österreich für einen netten Urlaub mit Ihren Kids sein?

• Speziell für jüngere Kinder sind lange Flugreisen ein absolutes „no go“! Was spricht dagegen, diese mal komplett zu „canceln“?


Redaktion

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