
Das erste Jahr mit zwei Kindern unter zwei Jahren neigt sich dem Ende zu. Mein Herz fließt immer noch täglich über vor Liebe. Ich möchte jeden schönen Augenblick festhalten und konservieren. Es ist das pure Glück. Das Wunder des Lebens – es ist magisch, es ist bedingungslose Liebe. Aber es gibt auch hier zwei Seiten der Medaille. Es ist ebenfalls super-mega-anstrengend, die Mutter von zwei Kindern mit nur einem Jahr Abstand zu sein. Es macht durchaus Sinn, dass sich die meisten Menschen zwei, drei Jahre oder mehr Zeit für das nächste Kind lassen. Die Eltern, die nur ein Kind haben, kann ich ebenfalls sehr gut verstehen. Denn Kinder machen Arbeit und kosten Nerven. Außerdem verursachen sie graue Haare. Das habe ich im November 2020 am eigenen Leib erfahren.
Dies war die intensivste Phase meines neuen Lebens als Zweifach-Mama. Es war die Zeit des zweiten Corona-Lockdowns. Ich befand mich in der sechsten Woche nach der Geburt, – lag also noch im Wochenbett. Mein Erstgeborener war ein Jahr und vier Monate alt. Er hatte die Kita-Eingewöhnung mit Bravour gemeistert. Doch jetzt sollte alles für die Katz gewesen sein. Denn die Kita schloss ihre Pforten für eine damals noch unbestimmte Zeit. Meine Rechnung war nicht aufgegangen. Denn ich hatte in meiner Familien-Planung die Kita als Unterstützung fest eingeplant. Das war auch nötig, weil meine Familie mir nicht helfen konnte. Sie lebt in Nordrhein-Westfalen. Die Eltern meines Mannes sind beide noch berufstätig. Sie unterstützten uns, wo es nur ging. Aber unglücklicherweise wohnen sie auch nicht gerade ums Eck. Ich hatte aber zwei Lichtblicke. Zum einen, weil ich meinen Mann durch das Homeoffice immer in meiner Nähe hatte. Zum anderen, weil mein Schwager und seine Lebensgefährtin im gleichen Stadtteil wohnen.
Nachts schlief ich als frisch gebackene Mama natürlich wenig. Denn das Stillen musste sich noch einpendeln und der Säugling hatte auch keinen Schlafrhythmus. Einerseits war diese Zeit wunderschön, aber – zwei Seiten der Medaille – gleichzeitig auch so was von anstrengend! Ich kann mich nicht erinnern, dass ich vorher etwas erlebt habe, das mich derart gefordert hätte. Täglich kämpfte ich mehrmals mit den schweren Lidern meiner Augen, damit sie nicht zufielen. Meistens gewann ich den Kampf, oftmals aber auch nicht. Was mich zu der Zeit bei der Stange hielt, war der Gedanke daran, dass es eines Tages sehr viel leichter würde. Wenn die beiden erst mal zusammen spielen könnten… doch bis dahin erschienen mir manche Tage so, als würden sie wie ein klebriger, viel zu süßer Kaugummi an meinen Zähnen kleben.
Doch inzwischen sind schon 365 Tage vergangen. Ich kann es nicht fassen. Wo ist nur die Zeit geblieben? Der erste und der zweite Geburtstag stehen vor der Tür. Ich befinde mich in einer sentimentalen Stimmung, gepaart mit etwas Größenwahnsinn. Dabei ertappe ich mich bei dem abgehalfterten Spruch: „Genieß‘ die Zeit, sie werden so schnell groß!“ Doch so nervig dieser Ratschlag auch ist, ebenso viel Wahrheit steckt in ihm. Ich bin jetzt auch eine von denen, die diesen Spruch bringt, sobald sie mit frischgebackenen Eltern spricht.
Denn vor lauter Schlafmangel, kaltem Kaffee, Bergen von dreckiger Wäsche, bescheidener Ernährung usw. vergisst man all zu oft die erste Zeit mit den Kindern auch wirklich zu genießen. Es ist wichtig, dass man trotzdem Momente der Achtsamkeit in sein Leben integriert. Indem man lernt, sich an den kleinen Dingen zu erfreuen und sich bewusst macht, worauf es wirklich im Leben ankommt. Das erste Lächeln, das erste Mal „Mama“ genannt zu werden, die ersten Schritte,– so viele erste Male, die kamen und noch kommen werden.
Diese Gedanken gehen mir durch den Kopf, als mein Erstgeborener seinen zweiten Geburtstag feiert. Genau drei Tage später wird sein Geschwisterchen ein Jahr alt. Ich habe nicht nur zwei Kinder mit nur einem Jahr Altersabstand. Ich habe auch zwei Kinder, die kurz nacheinander Geburtstag haben. Dr. Wahnsinn lässt grüßen! Aber nein, ich bin Optimistin. Drei Tage sind perfekt, um neue Kräfte zu sammeln. Im Anschluss daran kommt sogar ein Brückentag, dem ein Feiertag folgt. Wow! Punktlandung. Was für ein Timing. Natürlich ist es auch der reinste Wahnsinn, zweimal direkt hintereinander Kindergeburtstage zu feiern. Das sind eben immer diese berühmt-berüchtigten zwei Seiten der Medaille.
Deswegen schaue ich realistisch aber trotzdem auch optimistisch auf mein bisheriges Leben. Die schönen Momente kann ich genau so sehr schätzen, wie mir die anstrengenden Tage auf den Keks gehen. Eigenlob stinkt. Aber ich lehne mich jetzt trotzdem mal ganz weit aus dem Fenster und sage zu mir: Somajeh – das hast du richtig gut gemacht! Du kannst stolz auf Dich sein, und das bin ich auch!