Der Weihnachtsalb

Neulich las ich eine skurille Weihnachtsgeschichte. Ein bitterböser Weihnachtsmann kam dort auf die abwegigsten Ideen, um seinen Mitmenschen das Leben und vor allem die Festvorbereitungen so unangenehm wie möglich zu gestalten.

Er verteilte Pfeffernüsse mit Cayennepfeffer, aus seinen Adventskalendern zogen die Kinder blaue Pillen, Chinakracher und extra scharfe Hustenbonbons und in den Kaufhäusern ließ er Weihnachtswichtel mit Kettensägen auftreten. Seine unheilverkündende Spur zog sich über die ganze Stadt.

Auf einer der tausend Firmenweihnachtsfeiern zogen die Mitarbeiter zunächst belustigt kleine Zettel aus dem Jutesack, auf denen eine kurze Charakteristik ihrerselbst zu finden war. Die Regeln des Abends sahen ein lautes Vorlesen desselben vor. So mancher Mitarbeiter wurde binnen weniger Minuten auf diese Weise arbeitslos.

In den städtischen Altenheimen sah es nicht besser aus. Nachdem der Weihnachtsmann den ehrenamtlichen Chorsängern der nahen Kirchengemeinde mit speziellen Räucherstäbchen ordentlich eingeheizt hatte, sahen die nur noch psychodelische Kreise vor den geistigen Augen, Noten spielten bei ihrem anschließenden Vortag eine mehr als untergeordnete Rolle.

Belustigt las ich das dünne Büchlein bis zum bitteren Ende und freute mich aus tiefstem Herzen, dass im wahren Leben solche Gestalten nicht ihr Unwesen treiben. Obwohl…

Der stark geschminkte Engel, der zur besten Sendezeit dem geneigten kindlichen Zuschauer ins Angesicht brüllt „Geiz ist geil“, könnte durchaus als Gehilfe des oben genannten Protagonisten durchgehen.

Und wie steht’s mit den Heerscharen von Supermarktverkäufern, die ab Mitte September Pyramiden aus Elisenlebkuchen und anderen Weihnachtsleckerli kunstvoll in Kassennähe drapieren? Wer möchte so etwas essen: Schokoüberzüge, denen das güldene Spätsommerwetter den Garaus gemacht hat? Und wer bezahlt den Eltern von Kleinkindern für jeden Einkauf den nun aus pädagogischer Sicht dringend benötigten Babysitter?

So kleine Kinder darf man nicht mit der harten Weihnachtslüge konfrontieren, lebenslange Traumata und hohe Folgekosten wären unausweichlich.

Ohnehin hat man als Eltern seine liebe Mühe die Vielzahl rotbemützter Gesellen zu erklären, die bei den diversen Weihnachtsfeiern im Fußballverein, der Krabbelgruppe des kleinen Geschwisterchens, im Kindergarten und natürlich in der Schule aus ihren Jutesäcken die unmöglichsten Plastikteile befördern. Selbstverständlich alle von kleinen Weihnachtswichteln am Nordpol handgeschnitzt! Die engelsgleiche Elevin aus der Ballettstunde um 20:00 Uhr könnte bei den kleinen Balletträttchen gerade noch glaubhaft rüberkommen, den himmlischen Sphären entstiegen und im Auftrag des Christkinds un­ter­wegs. Doch die Unzahl handyanbietender vor Drogeriemärkten grölender Bartträger durchschaut jedes halbwegs aufgeweckte Kind.

Vielleicht wäre eine Quarantäne vom ersten Anzeichen weihnachtlicher Dekoration für Kinder anzudenken. Wenn alle beteiligten Kindergärten und Schulen sich bis zum ersten Advent zur weihnachtsfreien Zone erklären würden, man sämtliche Vereinstätigkeiten für das letzte Jahresdrittel meiden könnte, alle Einkäufe unter Zuhilfenahme des oben genannten Babysitters alleine tätigen würde und Funk und Fernsehen vom Netz nähme und bis zum neuen Jahr auf den Dachboden verbannte, ja dann…. hätten unsere Kinder eine reelle Chance sich auf ein frohes Fest zu freuen!


Eva

Eva Unterburg

Eva Unterburg schreibt wunderschöne Rezensionen über Kinderbücher und ist langjährige Freundin der Redaktion.

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