Lieblingssprüche und Sackgassen

„Ich sag’s dir jetzt zum letzten Mal!“

Gerhard Spitzer, der bekannte Wiener Verhaltenspädagoge und Autor von Top-Sellern wie „Entspannt Erziehen“ und „Warum zappelt Philipp?“, hat mit seiner humorvollen und konsequent kindgerechten Sichtweise schon zahllosen Eltern zu einem entspannteren Umgang mit ihren Kindern verholfen. Einer breiten Hörerschaft ist Spitzer durch seine Hörfunk-Live-Talks, sowie mit seinem erfolgreichen Seminarkabarett, „Kinder im Tyrannenmodus“ bekannt geworden.

Für das neue Jahr habe ich mir natürlich so einiges vorgenommen. Unter Anderem das: Ich möchte manche Dinge noch viel gelassener und humorvoller betrachten, als ich das bisher schon immer versucht habe. Es macht unser Leben entschieden leichter. Und das unserer Kinder sicher auch. Unter diesem Aspekt dürfen Sie also auch meine Eröffnungskolumne zum neuen Jahr sehen: Entspannt, mit Leichtigkeit im Herzen und einem schelmischen Augenzwinkern. Vor allem darf ein nur allzu beliebter Gedankengang schon mal ganz wegfallen: „Wie jetzt? Schon wieder sollen wir Eltern an allem schuld sein?“ Keine Sorge, nicht schuld, bloß „daran beteiligt“! Aber „hören“ Sie in die folgenden drei Fallbeispiele einfach selbst mal ganz entspannt rein. Vielleicht erkennen Sie ja so einiges wieder…

Wie oft noch?

„Wie oft soll ich es dir noch sagen?“, erteilt Mama Elke ihrem sechsjährigen Sohn Melvin einen mittlerweile schon zur lieben Gewohnheit gewordenen Rüffel. Es ist aber auch wahrlich ziemlich keck von dem Kerlchen, dass er heute schon wieder seinen Teller nicht wegräumt nach dem Essen. Mom ist im Augenblick leider ein wenig planlos, was sie jetzt noch machen soll. Natürlich habe ich für Elke zwei pfiffige Tipps parat. Erst mal, soviel ist klar, jedenfalls geht es wohl kaum mit ihrem pädagogischen „Lieblings-Spruch“. Vielleicht funktionieren ja Augenzwinkern gemeinsam mit kindlicher Eigenkompetenz besser: „Na? Irgendeine Idee, was auf dem Tisch noch zu tun wäre?“ Diesmal wollen wir allerdings weniger auf Lösungen und pädagogische Werkzeuge schauen, sondern eher hinterfragen, was Kinder so denken, wenn sich mitten in der dicken Luft eines ansteigenden häuslichen Zoff- Levels zahllose Eltern in manch eine erzieherische Sackgasse hinein manövrieren.

Abhörskandal

Ganz exklusiv für Leser des Karlsruher Kind, produzieren wir deshalb jetzt mal mutig unseren ersten hausgemachten „Abhörskandal“, indem wir ebenso unzensiert wie rücksichtslos in die Gedankenwelt von drei ahnungslosen Kids eindringen. Vorratsdaten- Speicherung inklusive. Andererseits: Wie man so hört, machen das sowieso alle… Unser erstes Opfer: Melvin! Während seine Mom herzhaft den allseits nur allzu beliebten, wie-oft-soll-ich-es-noch sagen- Spruch absondert, denkt der pfiffige Wicht: „Na vier Mal noch, wenn’s geht!“ Dass Elke sich damit schon längst in ihre ganz private kleine pädagogische Sackgasse hinein gelenkt hat, fällt der jungen Mutter natürlich nur gefühlsmäßig auf: Es spürt sich für ihr Mutterherz irgendwie nicht gut an. Die schelmischen Gedankengänge des kleinen Sonnenscheins bleiben ihr natürlich verborgen. Aber wenigstens ist das Ergebnis eindeutig: Melvin macht exakt das Gegenteil dessen, was seine Mami ihm gerade eben aufgetragen hat: Der Teller steht immer noch auf dem Tisch, als Melvin schon hinauf in sein Kinderzimmer flutscht.

Noch dicker

Doch das war bis jetzt nur eine huldvolle Einleitung, denn jetzt kommt es gleich noch dicker. Die meisten meiner treuen Leser sind ja ohnehin „Härteres“ gewöhnt. Dann will ich Sie mal nicht enttäuschen und jetzt noch zwei klassische pädagogische „Sackgassen- Hauer“ vorstellen. Wie gesagt: Ein wenig Augenzwinkern ist jetzt nicht nur erlaubt, sondern Gebot. Wie sagt Aldous Huxley so passend? Nichts bewahrt uns so gründlich vor Illusionen, wie ein Blick in den Spiegel.

Nicht nochmal

„Ich sag‘s dir nicht noch einmal!“, brummt Manfred S., Vater des 11-jährigen Robby gereizt und blickt streng auf das noch immer geschlossene Schularbeitenheft. Gute Gelegenheit, erneut unsere skandalöse Kinder-Gedanken-Abhöranlage einzuschalten: „Hast du doch gerade gemacht!“, denkt der junge Schelm. Und er hat absolut recht damit: Paps hat den täglichen gestrengen du-machst-dich sofort- an-die-Schularbeiten- Spruch nämlich vorhin schon, gleich nach dem Heimkommen losgeschickt. Wenn wir Robby noch weiter zuhören, tun sich wahre Abgründe für uns auf: „Ah! Du meinst deine Sprüche also gleich beim ersten Mal nicht ernst! Sonst würdest du sie ja nicht wiederholen!“ Robbys Papa fällt indes natürlich nicht auf, dass er gerade seine eigene Wiederholung relativiert hat. Robby spürt das jedoch sofort! Genau wie alle übrigen Kinder auf diesem Planeten. Spannend, oder?

Zum letzten Mal

Der absolut spannendste „Bringer“ aber ist wahrscheinlich der Spruch, den jetzt gerade Isabellas Mutter ablässt, als die fünfjährige Prinzessin schon wieder mit den Stiefeln auf ihren Sitz im Zug steigt: „Ich sag’s dir jetzt zum letzten Mal!“ Toll! Endstation: Sackgasse! Die kindgerechte Bestätigung holen wir uns natürlich jetzt wieder aus „erster Hand“: „Na? Und was kommt nach deinem ,letzten Mal’? Das will ich sehen! Hihi!“ Schwupps! Schon dient die Sitzfläche erneut als Fußmatte! Isabella grinst ihre Mami breit an. Die hat jetzt allerdings gerade keinen richtigen Plan mehr…

Raus aus der Gasse

„Na toll! Und wie kommt man aus solch einer Sackgasse wieder ‘raus?“, werden sich viele Eltern fragen. Ganz einfach! Da wir zumindest jetzt schon mal über die seltsam „wortklauberischen“ Gedankengänge von Kindern Bescheid wissen, bietet sich ein möglicher Lösungsansatz geradezu an: Sie brauchen ja künftig nur ein wenig genauer auf Ihre „pädagogischen Lieblingssprüche“ zu achten und solche, die in eine Sackgasse führen, einfach ein wenig „zurückzufahren“. Ob sie es mir nun glauben oder nicht: Sie werden es mögen!


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