In einem meiner seltenen nächtlichen Träume, die ich nach dem Aufwachen noch erinnere, fuhr ich mit dem Auto durch eine Stadt. Auf der Straße spielten Kinder und ließen sich durch mich und andere Fahrzeuge nicht stören. Also hielt ich an und fragte eine Frau auf dem Bürgersteig, ob sie denn ihr Kind nicht von der gefährlichen Durchgangsstraße nehmen und in Sicherheit bringen wollte. Doch sie giftete mich nur an, dass Kinder ja wohl grundsätzlich Vorfahrt hätten und ich gefälligst aufpassen sollte.
Gut – Träume sind Schäume, weiß der Volksmund. Aber wie war ich nur auf diesen Traum gekommen? Ich erinnerte mich, dass ich am Vortag mit dem Auto an einem Aufsteller am Fahrbahnrand vorbeigekommen war: „Spielende Kinder – Bitte langsam fahren!“ Jetzt packte mich die Neugier. Ich suchte im Internet unter „Kinderwarnschilder“. Welch eine Vielfalt! Da ist der gesehene Aufsteller mit seinen vier Seiten aus orangefarbenem Segeltuch ja noch langweilig. Es gibt lebensgroße Spielfiguren aus Sperrholz mit einem Tempo-30-Zeichen auf dem Oberschenkel. Praktischer wirken freistehende Aufstellfiguren aus Kunststoff, die mit reflektierender Folie versehen sind und sogar eine Fahne in der Hand halten – sie sind nicht zu übersehen. Kunsthandwerker bieten bunte Kinderschilder an, die am Grundstückszaun festgeschraubt werden. Und dann die zahllosen Warnschild-Motive: „Achtung! Spielende Kinder“ oder „Freiwillig 30“ gibt es mit zig verschiedenen Abbildungen. Manche weisen sogar die Form eines dreieckigen allgemeinen Gefahrzeichens mit rotem Rand auf, haben jedoch noch ein buntes Bild in der Mitte. Ein kickender Junge oder zwei Kinder Hand in Hand wirken durchaus aussagekräftig.
Die Fantasie von Eltern zum Schutz ihrer Kinder scheint grenzenlos. Es gibt nur ein Problem: All diese Schilder und Aufsteller sind weder bindend noch legal. Nur auf privatem Grund und Boden kann niemand etwas gegen sie haben, im öffentlichen Verkehrsraum jedoch werden sie in aller Regel entfernt. Unter Umständen kann der Aufsteller sogar mit einem Bußgeld zwischen 50 und 500 Euro belegt werden. Sollte ein Autofahrer wegen eines derartigen Pseudo-Verkehrsschildes abbremsen und einen Unfall verursachen, ist sogar eine Mithaftung möglich.
Offiziell gibt es nur zwei Verkehrsschilder, die vor Kindern warnen dürfen: Zeichen 136 heißt offiziell „Kinder“ und gehört zu den allgemeinen Gefahrzeichen, die Fahrzeugführer warnen und zur Vorsicht mahnen. Zeichen 325.1 kennzeichnet als „Richtzeichen“ den Beginn eines verkehrsberuhigten Bereiches, dessen Ende durch das gleiche Zeichen mit einem roten Diagonalbalken markiert wird. In solch einer Spielstraße dürfen Kinder auf der Fahrbahn aktiv sein und Fußgänger sich dort bewegen, weshalb für Kraftfahrzeuge die Schrittgeschwindigkeit gilt.
Der warnende Aufsteller am Fahrbahnrand, durch den mein Traum ausgelöst worden war, ist sicher gut gemeint. Das gilt auch für die zahllosen sonstigen Kinder-Warnschilder und -zeichen, die man überall auf oder an den Straßen sehen kann. In den allermeisten Fällen ist es für motorisierte Verkehrsteilnehmer selbstverständlich, in ihrer Nähe besondere Vorsicht walten zu lassen. Aber Eltern müssen wissen, dass derlei Zeichen (neben der oben erwähnten möglichen Strafe) keine Verpflichtungswirkung haben und deswegen ignoriert werden dürfen. Möglicherweise erzeugen sie sogar ein falsches Sicherheitsgefühl und können damit drohende Verkehrsgefahren für Kinder sogar verstärken. Das will sicherlich niemand.